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AG Halle (Saale), Urt. v. 24. November 2009 – 95 C 3258/09

1.) Bei einer urheberrechtlichen Abmahnung wegen der Verbreitung eines Films über die Tauschbörse eMule richten sich die anwaltlichen Abmahnkosten nach einem Streitwert von € 1.200,00.
2.) Bei Verbreitung eines urheberrechtlich geschützten Films
über die Tauschbörse eMule ist eine fiktive Lizenzgebühr von € 100,00 angemessen und ersatzpflichtig.
(Leitsätze des Bearbeiters)

Der Fall:
Über den Internetanschluss des Beklagten wurde am 31. März 2007 ein Film zum Download durch Dritte angeboten. Die Klägerin beauftragte deshalb einen Anwalt mit einer Abmahnung.

Der Anwalt schaltete zunächst die Staatsanwaltschaft ein, um die Identität des Beklagten in Erfahrung zu bringen. Hierfür rechnete er bei der Klägerin Kosten in Höhe von € 75,00 ab. Diese verlangte die Klägerin mit ihrer Klage erstattet.

Neben einem weiteren Betrag von € 100,00 als Schadensersatz für die Verbreitung des Films verlangte die Klägerin zudem die Erstattung der Kosten, die ihr durch Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Abmahnung selbst entstanden waren. Diese Anwaltskosten machte die Klägerin ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von € 10.000,00 geltend. Daraus ergaben sich Anwaltskosten in Höhe von € 651,80.

Die Entscheidung:
Das Gericht hat der Klage nur in Höhe von € 305,50 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.

Die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes seien dabei unabhängig von der Frage, ob die Klägerin ggf. selbst zur Vornahme einer Abmahnung im Stande gewesen war, dem Grunde nach zu erstatten. Die Heranziehung eines Rechtsanwalts sei nämlich jedenfalls aufgrund der Norm des § 475 StPO im Ermittlungsverfahren notwendig gewesen.

Der Höhe nach richten sich Kosten allerdings nicht nach dem von der Klägerin angenommenen Streitwert von € 10.000,00. Dieser Gegenstandswert sei überhöht. Auch wenn das Bereitstellen eines Films in einem Filesharingnetzwerk kein Kavaliersdelikt darstelle, sei nur ein Gegenstandswert von € 1.200,00 angemessen.

Zwar werde durch das Zugänglichmachen von Filmen über Filesharingsysteme die Filmindustrie erheblich geschädigt. Jedoch habe die Streitwertbemessung keine abschreckende oder sanktionierende Wirkung. Der Streitwert orientiere sich vielmehr ausschließlich am Wertinteresse des Gläubigers und der Intensität der Rechtsverletzung.

Der Beklagte habe nur einen einzigen urheberrechtlichen Film bereitgestellt. Zudem liege ein erstmaliger Verstoß vor. Dies begründe lediglich eine bagatellartige Rechtsverletzung, die einen Streitwert von € 10.000,00 nicht rechtfertigen könne.

Für eine gewerbliche Nutzung böten sich keine Anhaltspunkte. Dies hätte nämlich die Bereitstellung zur Erlangung eines wirtschaftlichen und kommerziellen Vorteils erfordert.

Die Höhe der von der Klägerin weiter begehrten angemessenen Lizenzgebühr sei danach zu bestimmen, was bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte. Hiervon ausgehend sei ein Betrag in Höhe von € 100,00 angemessen.

Der der Klägerin zustehende Betrag setze sich daher aus
– einer Geschäftsgebühr in Höhe von € 110,50,
– der Auslagenpauschale in Höhe von € 20,00,
– Kosten für das Ermittlungsverfahren in Höhe von € 75,00 und
– fiktiven Lizenzgebühren in Höhe von € 100,00
zusammen.

Konsequenzen für die Praxis:
Das Gericht hat mit schlüssiger Argumentation eine angemessene Begrenzung des Gegenstandswerts angenommen. In der Tat bieten die für die Streitwertbemessung maßgeblichen §§ 3 ff. ZPO keine Basis für eine Berücksichtigung von Abschreckungs- und/oder Sanktionierungsinteressen.

Zu beachten ist allerdings, dass in anderen Gerichtsentscheidungen regelmäßig in genau entgegen gesetzter Richtung argumentiert wird. Insbesondere in Urteilen aus Hamburg und Köln wird regelmäßig ein Streitwert von € 10.000,00 für angemessen erachtet.
(LH)