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Anscheinsbeweis zugunsten der Bank im Online-Banking? Dazu hat der BGH am 26.01.2016, Az. XI ZR 91/14, entschieden. Und zwar verbietet § 675w Satz 3 BGB die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises im Online-Banking bei Erteilung eines Zahlungsauftrags unter Einsatz der zutreffenden PIN und TAN nicht, so der BGH.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Anscheinsbeweis zugunsten der Bank im Online-Banking? Zu dieser Frage hatte der BGH über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Bei der klagenden Sparkasse unterhielt die beklagte GmbH u.a. ein Geschäftsgirokonto, mit dem sie seit März 2011 am Online-Banking teilnahm. Der Geschäftsführer der Beklagten erhielt dazu eine persönliche Identifikationsnummer (PIN), mit der er u.a. auf das Geschäftsgirokonto zugreifen konnte. Zur Freigabe einzelner Zahlungsvorgänge wurde das smsTAN-Verfahren (Übermittlung der Transaktionsnummer durch SMS) über eine Mobilfunknummer des Geschäftsführers der Beklagten vereinbart. Nachdem es zu Störungen im Online-Banking-System der Klägerin gekommen war, wurden am 15.07.2011 aus nicht geklärten Umständen dem Geschäftskonto der Beklagten fehlerhaft Beträge von 47.498,95 Euro und 191.576,25 Euro gutgeschrieben.

Die Klägerin veranlasste am 15. und 17.07.2011 entsprechende Stornierungen, die aufgrund des Wochenendes erst am Montag, dem 18.07.2011, erfolgten. Am Freitag, dem 15.07.2011, um 23:29 Uhr wurde unter Verwendung der zutreffenden PIN und einer gültigen smsTAN eine Überweisung von 235.000 Euro vom Konto der Beklagten zugunsten des Streithelfers der Klägerin – eines Rechtsanwalts – in das Online-Banking-System der Klägerin eingegeben. Die Überweisung erfolgte am Montagmorgen, dem 18.07.2011, mit dem ersten Buchungslauf. Da zeitgleich eine Berichtigung der fehlerhaften Gutschriften erfolgte, ergab sich ein Sollbetrag auf dem Geschäftskonto der Beklagten. Nachdem die Klägerin die Beklagte erfolglos zum Ausgleich des Kontos aufgefordert hatte, kündigte sie die Geschäftsbeziehung fristlos und fordert mit der vorliegenden Klage den Schlusssaldo von 236.422,14 Euro nebst Zinsen.

Die Vorinstanzen

Die Klägerin hatte in beiden Tatsacheninstanzen und vor dem LG Lübeck, Urt. v. 07.06.2013 – 3 O 418/12 und dem OLG Schleswig, Beschl. v. 22.01.2014 – 5 U 87/13, Erfolg.

Anscheinsbeweis zugunsten der Bank im Online-Banking? Dazu der BGH:

Die Entscheidung

Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben. Und in diesem Zuge hat der BGH die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Beweislast

Wenn die Zustimmung (Autorisierung) des Kontoinhabers zu einem Zahlungsvorgang strittig ist, hat das ausführende Kreditinstitut (Zahlungsdienstleister) bei Verwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments (hier das Online-Banking-Verfahren) nach § 675w Satz 2 BGB nachzuweisen, dass dieses einschließlich seiner personalisierten Sicherheitsmerkmale (hier: PIN und smsTAN) genutzt und dies mithilfe eines Verfahrens überprüft worden ist, so der BGH.

Der Anscheinsbeweis

Diesen Nachweis habe die klagende Bank nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts geführt. Dies genüge aber nach § 675w Satz 3 BGB „nicht notwendigerweise“, um den dem Zahlungsdienstleister obliegenden Beweis der Autorisierung des Zahlungsvorganges durch den Zahlungsdienstnutzer (hier: Kontoinhaberin) zu führen. Das schließe nicht aus, dass sich der Zahlungsdienstleister auf einen Anscheinsbeweis berufen könne. Dem Wortlaut des § 675w Satz 3 BGB sei nämlich genügt. Und zwar würden die Grundsätze des Anscheinsbeweises weder eine zwingende Beweisregel noch eine Beweisvermutung begründen.

Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises auf die Autorisierung eines Zahlungsvorgangs bei Verwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments sei aber die allgemeine praktische Sicherheit des eingesetzten Authentifizierungsverfahrens und dessen Einhaltung im konkreten Einzelfall. Zudem bedürfe die Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht zwingend der Behauptung und ggf. des Nachweises technischer Fehler des dokumentierten Authentifizierungsverfahrens durch den Kontoinhaber.

Trotz allgemein bekannt gewordener, erfolgreicher Angriffe auf Sicherheitssysteme des Online-Bankings fehle nicht in jedem Fall eine Grundlage für die Anwendung des Anscheinsbeweises, so der BGH. Und zwar deswegen, weil entsprechende Erkenntnisse nicht zu allen im Online-Banking genutzten Authentifizierungsverfahren vorlägen.

Keine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof

Der BGH führte weiter aus, dass es keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Klärung der Frage, ob eine Anwendung der Regeln des Anscheinsbeweises bei Einsatz eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments mit der Zahlungsdiensterichtlinie zu vereinbaren ist, bedürfe. Und zwar deswegen nicht, weil nach den oben dargestellten Grundsätzen der Anscheinsbeweis im Online-Banking in Übereinstimmung mit Art. 59 Abs. 2 der Zahlungsdiensterichtlinie nicht ausschließlich an die genannte Dokumentation der Nutzung des Authentifizierungsverfahrens anknüpfeund zudem keine zwingende Beweisregel zur Folge habe. Im Übrigen obliege die Beweiswürdigung, zu der auch die Grundsätze des Anscheinsbeweises gehören, nach Erwägungsgrund 33 der Zahlungsdiensterichtlinie den Gerichten nach nationalem Recht.

Anscheinsbeweis zugunsten der Bank im Online-Banking? Voraussetzungen des Anscheinsbeweises hat das Berufungsgericht verkannt

Diese Voraussetzungen habe das Berufungsgericht verkannt. Und zwar habe das Berufungsgericht die notwendigen Feststellungen zur praktischen Unüberwindbarkeit des konkret eingesetzten Sicherungssystems nicht getroffen. Und auch nicht zu den zur Erschütterung eines eventuell eingreifenden Anscheinsbeweises vorgetragenen Umständen. Deshalb sei das Berufungsurteil aufzuheben gewesen. Der BGH hat den Rechtsstreit mit besonderen Hinweisen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Was lernen wir daraus?

Zustimmung zur Entscheidung des BGH

Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. Sie liegt auf einer Linie mit der Rechtsprechung zu Fällen des EC Kartenmissbrauchs. Danach spricht nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 05.10.2004, Az. XI ZR 210/03, Beschl. v. 06.07.2010 – XI ZR 224/09, Rn. 10 und Urt. v. 29.11.2011, Az. XI ZR 370/10) in Fällen des EC – Kartenmissbrauchs grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Karteninhaber die PIN auf der EC – Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat, wenn zeitnah nach dem Diebstahl einer EC – Karte unter Verwendung dieser Karte und Eingabe der richtigen persönlichen Geheimzahl (PIN) an Geldausgabeautomaten Bargeld abgehoben wird und andere Ursachen für den Missbrauch nach der Lebenserfahrung außer Betracht bleiben.

Anscheinsbeweis zugunsten der Bank im Online-Banking? Beweis des ersten Anscheins nur bei Einsatz der Originalkarte

Dies hat der BGH auch in Fällen, die sich nach Einführung der Zahlungsdiensterichtlinie für vor dem 31.10.2009 durchgeführte Zahlungsvorgänge ereignet haben, bestätigt. Weiterhin hat der BGH in diesem Zusammenhang eine Konkretisisierung vorgenommen. Und zwar dahingehend, dass der Beweis des ersten Anscheins nur angenommen werden kann, wenn bei der missbräuchlichen Abhebung die Originalkarte eingesetzt worden ist (Urt. v. 29.11.2011, Az. XI ZR 370/10).

Auch nach der Rechtsprechung des OLG Dresden und AG Köln (vgl. ua. OLG Dresden, Urteil vom 06.02.2014, Az.: 8 U 1218/13, AG Köln, Urteil vom 22.12.2014, Az. 142 C 141/13) können die vom BGH entwickelten Anscheinsbeweisregeln in den einschlägigen Fällen auf Zahlungsvorgänge angewendet werden, die nach Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie ab dem 31.10.2009 stattgefunden haben und die dem Geltungsbereich der §§ 675u bis 675w BGB unterliegen. Dabei wird Bezug genommen auf die Gesetzesbegründung, in der der Gesetzgeber ausgeführt hat, dass mit der Einführung des § 675w BGB keine grundlegenden Änderungen in der bisherigen Rechtsprechung verbunden sind.

Quellen: Pressemitteilung des BGH Nr. 23/2016 v. 26.01.2016 und juris das Rechtsportal

Anscheinsbeweis zugunsten der Bank im Online-Banking? Fragen Sie den Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in unserer Kanzlei

Siehe auch:

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Anscheinsbeweis zugunsten der Bank im Online-Banking? Dazu hat der BGH am 26.01.2016, Az. XI ZR 91/14, entschieden. Fragen Sie den Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in unserer Kanzlei