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Das BSG hat am 29.06.2016, Az. B 12 KR 23/14 R, entschieden, dass ein Versicherter nach Kündigung seiner freiwilligen Krankenversicherung und nachdem das private Krankenversicherungsunternehmen den zuvor abgeschlossenen privaten Krankenversicherungsvertrag rechtmäßig angefochten hat, wegen des Anspruchs auf Abschluss einer Krankenversicherung im Basistarif gem. § 193 Abs 5 S 4 Nr 1 VVG einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall iS des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V hat.

Was ist passiert?

Im März 2011 erklärte die zuletzt bei der Beklagten freiwillig versicherte Klägerin die Kündigung ihrer Mitgliedschaft zum 31.5.2011. Sie legte dazu die Bescheinigung eines Unternehmens der PKV vor, nach der für sie ab 1.6.2011 insoweit Krankenversicherungsschutz bestehe. Das Krankenversicherungsunternehmen focht im November 2011 den Versicherungsvertrag gegenüber der Klägerin wegen arglistiger Täuschung an. Den daraufhin von der Klägerin bei der Beklagten gestellten Antrag auf Fortführung ihrer Mitgliedschaft in der GKV lehnte die Beklagte ab, weil die freiwillige Versicherung wirksam gekündigt und die Klägerin zuletzt in der PKV versichert gewesen sei. Das SG Köln, Az. S 29 KR 446/13, hat nach erfolglosem Widerspruch das die Verwaltungsentscheidung aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin über den 31.5.2011 hinaus freiwilliges Mitglied der Beklagten geblieben sei. Das LSG Nordrhein-Westfalen, Az.  L 16 KR 735/13, hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen: Die Klägerin habe ihre freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten wirksam gekündigt. Die ‑ in der Zwischenzeit landgerichtlich bestätigte ‑ Anfechtung des Versicherungsvertrages durch das PKV-Unternehmen stehe dem nicht entgegen. Der nachträgliche Wegfall der Absicherung außerhalb der GKV führe nicht zum Wiederaufleben der freiwilligen Versicherung in der GKV. Die Klägerin sei auch nicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V pflichtversichert, weil sie zuletzt in der PKV versichert gewesen sei.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 191 Nr. 3, § 175 Abs. 4 SGB V sowie § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst a SGB V und § 142 Abs. 1 BGB. Die von ihr ausgesprochene Kündigung der freiwilligen Mitgliedschaft habe keine Wirksamkeit entfaltet. Aufgrund der Anfechtung des Versicherungsvertrages sei ein Versicherungsschutz in der PKV nie zustande gekommen und der Nachweis einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall gegenstandslos geworden. Die Anfechtung habe die Unwirksamkeit der Kündigung der freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten bewirkt. Nach § 175 Abs. 4 S 4 SGB V sei nicht allein die Vorlage der Bescheinigung eines Unternehmens der PKV Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung, sondern das Bestehen eines wirksamen Folgeversicherungsverhältnisses. Selbst bei wirksamer Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft in der GKV zum 31.5.2011, sei aufgrund der Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V eine Mitgliedschaft zustande gekommen. Infolge der rückwirkenden Anfechtung des Versicherungsvertrages mit der DKV sei sie (die Klägerin) ab 1.6.2011 zuletzt nicht in der PKV, sondern in der GKV versichert gewesen.

Was sagt das BSG dazu?

Die Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg. Seit 1.6.2011 ist sie ist nicht mehr bei der beklagten Krankenkasse versichert. Die später erklärte Anfechtung des nachfolgenden Versicherungsvertrages durch das private Versicherungsunternehmen nach § 22 VVG i.V.m. § 123 Abs. 1 BGB ließ die zuvor erklärte Beendigung der Mitgliedschaft aufgrund freiwilliger Versicherung in der GKV unberührt. § 175 Abs. 4 S 4 SGB V setzt für die Wirksamkeit der Kündigung einer freiwilligen Mitgliedschaft zunächst nur den innerhalb der Kündigungsfrist zu erbringenden Nachweis voraus, dass in der Folge eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse oder zumindest eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bestehen wird. Eine abschließende Klärung des rechtlichen Bestehens der weiteren Versicherung bzw Absicherung ist damit innerhalb dieses Zeitraums noch nicht gefordert (zu einer schon vor Beginn der Versicherungspflicht ausgestellten Mitgliedbescheinigung und der daraus folgenden nur eingeschränkten Aussagekraft gerade bei erstmaliger Krankenkassenwahl vgl. BSG SozR 4-2500 § 175 Nr. 4 RdNr. 24). Auch hat das Gesetz an anderer Stelle Regelungen für den Fall getroffen, dass der Wechsel eines in der GKV Versicherten in die PKV fehlschlägt oder (umgekehrt) eine Versicherung in der GKV ‑ entgegen der Erwartung bei Kündigung eines privaten Versicherungsvertrages ‑ nicht zu Stande kommt, während es hier an einer vergleichbaren Bestimmung fehlt (vgl. zur Unwirksamkeit der Kündigung einer freiwilligen Mitgliedschaft § 175 Abs. 4 S 10 SGB V idF bis zum 31.12.2014 und zum umgekehrten Fall eines fehlgeschlagenen Wechsels von der PKV in die GKV § 5 Abs. 9 SGB V). Aus dem Regelungszweck des § 175 Abs. 4 S 4 SGB V ergibt sich nichts anderes. Als Versicherte ist die Klägerin insoweit auch nicht schutzlos: Nach einer Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung durch ihren Vertragspartner hatte sie jedenfalls gegen ein anderes Unternehmen der PKV Anspruch auf Abschluss eines (neuen) Versicherungsvertrags im Basistarif. Dieser Fall ist in § 193 Abs 5 S 4 Nr 1 VVG ausdrücklich geregelt.

Die Klägerin ist nach dem 31.5.2011 auch nicht pflichtversichertes Mitglied der Beklagten geworden, weil sie iS des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V durch die von ihr gewollte Einbeziehung in die PKV einen „anderweitigen“ Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatte. Die Klägerin hatte bis zur Anfechtung des Vertrages nämlich ‑ was insoweit ausreicht ‑ tatsächlich Versicherungsschutz, der die Absicherung im Krankheitsfall im System der PKV umfasste. Dafür spielt es keine Rolle, dass ggf nach den Umständen des Einzelfalls im System Leistungen ‑ hier wegen arglistiger Täuschung ‑ ausgeschlossen sein können, oder ob Leistungen zu Unrecht erbracht wurden und im Nachhinein wieder ‑ etwa nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen ‑ erstattet werden müssen. Vor allem im Hinblick auf den mit der Einführung dieser Versicherungspflicht verfolgten Zweck als (subsidiäre) Auffang-Versicherungspflicht ist diese Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V geboten und entspricht der Systematik des Gesetzes. Nach der Anfechtung des Versicherungsvertrages durch ein Unternehmen der PKV wegen arglistiger Täuschung nach § 22 VVG iVm § 123 Abs. 1 BGB hat der Versicherte einen Anspruch auf Abschluss einer Krankenversicherung im Basistarif (vgl erneut § 193 Abs. 5 S 4 Nr. 1 VVG). Damit gilt die Zuordnung zur PKV unverändert fort.

Quelle: Entscheidungen des Bundessozialgerichts: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2016&nr=14284&linked=pv und http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2016&nr=14290&linked=pm

 

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