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BSG, Urteil vom 08.10.2014 – B 3 KR 7/14 R

Das BSG hat zur Frage, ob Klagen auf eine „streitig gebliebene Vergütung“ für die Krankenhausbehandlung auch dann unzulässig sind, wenn ein Schlichtungsausschuss nicht besteht oder nicht handlungsfähig ist, am 08.10.2014 unter Az.: B 3 KR 7/14 R entschieden, dass die Anrufung eines Schlichtungsausschusses erst dann Klagevoraussetzung sein kann, wenn dieser tatsächlich besteht und handlungsfähig ist.

Was ist passiert?

Seit Jahren streiten Krankenhäuser und Krankenkassen über die richtige Anwendung der Regelungen über die Vergütung von Krankenhausleistungen. Welche DRG (Diagnostic Related Groups = diagnosebezogene Fallgruppe) bei welcher Diagnose und welcher Behandlung anzusetzen ist, hat für die Vergütung von Krankenhausbehandlungen entscheidende Bedeutung. Die Streitigkeiten belasten zunehmend die Sozialgerichte im gesamten Bundesgebiet; diese müssen entscheiden, wenn sich Krankenhaus und Krankenkasse über die Höhe der Vergütung für eine bestimmte Behandlung nicht einigen können. Um die Gerichte insbesondere von Prozessen mit eher geringerer wirtschaftlicher Bedeutung zu entlasten, hat der Gesetzgeber zum 01.08.2013 bestimmt, dass Klagen, mit denen nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung eine streitig gebliebene Vergütung bis zu einer Höhe von 2.000 Euro gefordert wird, erst zulässig sind, wenn ein Verfahren vor einem Schlichtungsausschuss durchgeführt worden ist (§ 17c Abs 4b Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG).
Die im Gesetz angesprochenen Schlichtungsausschüsse sind bislang nicht funktionsfähig; in den meisten Ländern sind solche nicht eingerichtet, in anderen können sie die Aufgaben der Abrech-nungsprüfung nicht wahrnehmen. Daraus hat sich in einer Vielzahl von Fällen eine Streitfrage entwickelt, über die der 3. Senat des BSG entscheiden wird:
Sind Klagen auf eine „streitig gebliebene Vergütung“ für die Krankenhausbehandlung auch dann unzulässig, wenn ein Schlichtungsausschuss nicht besteht oder nicht handlungsfähig ist?
Diese Frage wird in der Rechtsprechung der Sozial- und Landessozialgerichte unterschiedlich beantwortet. Das SG Berlin hat in dem vom BSG nunmehr zu entscheidenden Fall den Standpunkt eingenommen, dass die Klage der Charité (Universitätsmedizin Berlin) auf zusätzliche Vergütung für eine 2009 operativ durchgeführte Geburt bei einer bei der DAK krankenversicherten Frau unzulässig ist. Die Beteiligten müssten zunächst das Schlichtungsverfahren durchführen; unbeachtlich sei, dass in Berlin noch gar kein Schlichtungsausschuss errichtet sei. Schwerwiegende Nachteile für die Charité seien damit nicht verbunden, weil ihre Forderung auch später noch geltend gemacht werden könne. Wegen der nicht durchführbaren Schlichtung sei die Verjährungsfrist gehemmt. Die Charité und die DAK als beteiligte Krankenkasse halten diese Ansicht übereinstimmend für falsch, zumindest für Krankenhausbehandlungen aus der Zeit bis zum 31.07.2013 und wollen in diesem Verfahren ihre Differenzen über die korrekte Abrechnung der 2009 durchgeführten Geburt geklärt wissen. Inzwischen hat der Gesetzgeber reagiert und in § 17c Abs. 4 Sätze 9 ff. Krankenhausfinanzierungsgesetz bestimmt, dass dann, wenn ein Schlichtungsausschuss bis zum 31.08.2014 nicht errichtet ist, die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz, die vorrangig für die Festsetzung von Pflegesätzen und Entgelten zuständig ist, die Funktion auch des Schlichtungsausschusses haben soll. Das BSG wird auch zu klären haben, wie sich diese Regelung auf die Vielzahl der derzeit schon bei den Gerichten anhängigen Verfahren auswirkt.

Was sagt das BSG dazu?

Das BSG hat entschieden, dass die Anrufung eines Schlichtungsausschusses erst dann Klagevoraussetzung sein kann, wenn dieser tatsächlich besteht und handlungsfähig ist.
Die Charité Universitätsmedizin Berlin hatte gegen die DAK auf weitere Krankenhausvergütung i.H.v. 1.018 Euro geklagt, ohne vorher den Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4b Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) anzurufen. In Berlin war zum Zeitpunkt der Klageerhebung ein solcher Ausschuss nicht errichtet.
Das SG Berlin hatte die Klage als unzulässig abgewiesen.
Das BSG hat das Urteil des SG Berlin aufgehoben und den Rechtstreit zurückverwiesen.
Nach Auffassung des BSG ist die am 22.11.2013 erhobene Klage zulässig. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes könne die Anrufung eines Schlichtungsausschusses erst dann Klagevoraussetzung sein, wenn dieser Ausschuss tatsächlich angerufen werden kann. Das sei im November 2013 in Berlin nicht der Fall gewesen. Deshalb hätte das SG Berlin die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen. Wenn der Gesetzgeber zur Entlastung der Sozialgerichte vor Erhebung von Klagen über umstrittene Krankenhausvergütungen die Anrufung eines Schlichtungsausschusses vorschreibt, müsse dieser errichtet sein und die Aufgabe der Streitschlichtung effektiv wahrnehmen können. Solange das nicht gesichert ist, seien Klagen, mit denen Krankenhäuser umstrittene Vergütungen fordern oder Krankenkassen zu Unrecht gezahlte Vergütungen für Krankenhausleistungen zurückfordern, zulässig.
Die Klage sei auch nicht nachträglich unzulässig geworden, weil seit dem 01.09.2014 die – tatsächlich bestehende – Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG die Funktion eines Schlichtungsausschusses übernehmen muss. Klagen, die zum Zeitpunkt ihrer Erhebung zulässig waren, blieben das nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen auch nach späteren Rechtsänderungen.
Im Übrigen seien auch derzeit Klagen über streitig gebliebene Vergütungen von Krankenhausleistungen noch unmittelbar zulässig. Die Sperre des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG greife im Hinblick auf die unverzichtbare Klarheit über den gegebenen Rechtsweg erst ein, wenn die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG und/ oder die zu errichtenden Schlichtungsausschüsse nach § 17c Abs. 4 KHG den örtlich zuständigen Verbänden der Krankenkassen und den Landeskrankenhausgesellschaften verbindlich angezeigt haben, welches Gremium im jeweiligen Bundesland die Schlichtung nach dieser Vorschrift durchführt und dass es tatsächlich handlungsfähig ist. Den einzelnen Krankenhäusern und Krankenkassen sei nicht zumutbar, von sich aus die Zuständigkeit und Handlungsfähigkeit des zur Schlichtung berufenen Gremiums zu recherchieren, zumal die Anrufung eines nicht arbeitsfähigen Schlichtungsgremiums i.d.R. nicht die Verjährung eines Zahlungs- oder Rückzahlungsanspruchs hemme.

Was lernen wir daraus?

Der Entscheidung des BSG ist in vollem Umfang zuzustimmen.
Die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes gebietet keine andere Entscheidung. Vor dem Hintergrund dieser Maßgabe führt das BSG folgerichtig sehr konkret aus, dass
• der Schlichtungsausschuss errichtet sein und die Aufgabe der Streitschlichtung effektiv wahrnehmen können muss, wenn der Gesetzgeber zur Entlastung der Sozialgerichte vor Erhebung von Klagen über umstrittene Krankenhausvergütungen die Anrufung eines Schlichtungsausschusses vorschreibe. Solange das nicht gesichert ist, seien Klagen, mit denen Krankenhäuser umstrittene Vergütungen fordern oder Krankenkassen zu Unrecht gezahlte Vergütungen für Krankenhausleistungen zurückfordern, zulässig,
• die Sperre des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG im Hinblick auf die unverzichtbare Klarheit über den gegebenen Rechtsweg erst eingreife, wenn die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG und/ oder die zu errichtenden Schlichtungsausschüsse nach § 17c Abs. 4 KHG den örtlich zuständigen Verbänden der Krankenkassen und den Landeskrankenhausgesellschaften verbindlich angezeigt haben, welches Gremium im jeweiligen Bundesland die Schlichtung nach dieser Vorschrift durchführt und dass es tatsächlich handlungsfähig ist.

Quelle: Juris das Rechtsportal

RH