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Künstliche Befruchtung auf Kassenkosten nur für Eheleute? Dazu hat das BSG mit Urteil vom 18.11.2014, Az. B 1 A 1/14 R, entschieden. Und zwar seien Krankenkassen nicht ermächtigt, eine Kostenübernahme für künstliche Befruchtung bei versicherten Paaren in auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaft kraft Satzung zu regeln. Die Anknüpfung des Anspruchs nach § 27a Abs. 1 Nr. 3 SGB V an die rechtlich verbindliche Paarbeziehung in der Ehe stehe einer Finanzierung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung für nichteheliche Partner und von heterologen Inseminationen entgegen.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Künstliche Befruchtung auf Kassenkosten nur für Eheleute? Zu dieser Frage hat das BSG über folgenden Sachverhalt entschieden:

Der Verwaltungsrat der klagenden BKK beschloss eine Satzungsänderung, die neben versicherten Ehegatten auch „versicherten Paaren in auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaft“ einen Anspruch auf die (teilweise) Übernahme der Kosten der aufgrund eines Behandlungsplans genehmigten Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung einräumte. Nachdem die zuständige Aufsichtsbehörde (BVA) insoweit die erforderliche Genehmigung versagt hatte, war zu entscheiden, ob die Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises eine – nach § 11 Abs. 6 SGB V der Satzungsautonomie unterliegende – „zusätzliche Leistung … im Bereich … der künstlichen Befruchtung (§ 27a) …“ darstellt.

Die Vorinstanz

Künstliche Befruchtung auf Kassenkosten nur für Eheleute? Das Landessozialgericht hatte die Vereinbarkeit der Satzungsänderung mit höherrangigem Recht verneint. § 27a Abs. 1 Nr. 3 SGB V knüpfe an die rechtlich verbindliche Paarbeziehung in der Ehe an und stehe einer Finanzierung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung für nichteheliche Partner und von heterologen Inseminationen entgegen.

Künstliche Befruchtung auf Kassenkosten nur für Eheleute? Was sagt das BSG dazu?

Die Entscheidung

Ebenso wie bereits das Landessozialgericht hat das BSG die Vereinbarkeit der Satzungsänderung mit höherrangigem Recht verneint.

Künstliche Befruchtung auf Kassenkosten nur für Eheleute? Beschränkter Gestaltungsspielraum

Die nach § 11 Abs. 6 Satz 1 SGB V erlaubten „zusätzlichen“ Satzungsleistungen dürften keine wesentlich neuen, anders als im Gesetz vorgeformte Leistungen sein; der Klammerhinweis auf § 27a SGB V beschränke den Gestaltungsspielraum der Krankenkasse auf Leistungen, die durch diese Regelung geprägt sind. Zu den in diesem Sinne prägenden Merkmalen der Maßnahmen nach § 27a SGB V gehöre die Beschränkung auf verheiratete Paare und auf die Befruchtung mit eigenen Samen- und Eizellen des Paares (homologe Insemination).

Künstliche Befruchtung auf Kassenkosten nur für Eheleute? Keine verfassungsrechtlichen Bedenken

Dass der Gesetzgeber den Kassen keinen umfassenden Gestaltungsspielraum eingeräumt hat, werde durch die Bindung an die Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 194 Abs. 2 Satz 1 SGB V) und an die im SGB V zugelassenen Leistungen (§ 194 Abs. 2 Satz 1 SGB V; im Urteil wohl fälschlich als § 195 zitiert) unterstrichen. Die Anknüpfung des Anspruchs nach § 27a Abs. 1 Nr. 3 SGB V an die rechtlich verbindliche Paarbeziehung in der Ehe stehe einer Finanzierung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung für nichteheliche Partner und von heterologen Inseminationen entgegen. Dagegen gebe es auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG, Urt. v. 28.02.2007 – 1 BvL 5/03 – BVerfGE 117, 316 Rn. 37). Schließlich zögen auch die Gesetzesmaterialien zu § 11 Abs. 6 Satz 1 SGB V (BT-Drs. 17/6906, S. 53) nicht in Zweifel, dass die Gestaltungsbefugnis der Krankenkasse bei einer wesentlichen Umgestaltung gesetzlich ausgeformter Leistungen endet.

Was lernen wir daraus?

Künstliche Befruchtung auf Kassenkosten nur für Eheleute? Ehe tragfähiger als eine nichteheliche Partnerschaft

Im Ergebnis ist der Gestaltungsspielraum der Krankenkassen im Bereich der künstlichen Befruchtung demnach geringer als der Wortlaut des § 11 Abs. 6 Satz 1 SGB V zunächst vermuten lassen könnte. Insbesondere gehören die den Versicherungsfall des § 27a SGB V prägenden Vorgaben des Abs. 1 Nr. 3 (nur verheiratete Paare) und Nr. 4 (nur homologe Insemination) zu dessen Kernbereich, der dem Satzungsgeber daher nicht zur Disposition steht. Der Gesetzgeber ist bei Regelung der Kostenübernahme für künstliche Befruchtung davon ausgegangen, dass die Ehe die Grundlage für eine erhöhte Belastbarkeit der Partnerschaft und eine Lebensbasis für ein Kind darstellt, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft.

Wegen des in § 11 Abs. 6 Satz 1 SGB V enthaltenen Qualitätsgebots dürfte für die übrigen Leistungsvoraussetzungen des § 27a SGB V Ähnliches gelten, was das BSG allerdings hier nicht zu entscheiden hatte.

Künstliche Befruchtung auf Kassenkosten nur für Eheleute? Nichtigkeit von Satzungen

Satzungen von anderen Krankenkassen, die den vom BSG erkannten gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechen, sind nichtig. Eine rückwirkende Aufhebung dort bereits erteilter Bewilligungen oder gar die Rückforderung von erbrachten Leistung scheitert wohl am Vertrauensschutz der Versicherten (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Die zuständigen Aufsichtsbehörden könnten nun möglicherweise nach § 194 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgehen.

Quelle: Vors. RiBSG a.D. Dr. Wolfgang Dreher in Juris das Rechtsportal

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

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Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Künstliche Befruchtung auf Kassenkosten nur für Eheleute? Dazu hat das BSG mit Urteil vom 18.11.2014, Az. B 1 A 1/14 R, entschieden. Fragen Sie Ihren Anwalt für Medizinrecht in unserer Kanzlei