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LG Frankfurt, Urt. v. 25. September 2009 – 2-6 S 19/09

1.) Ein Hotelbetreiber, der seinen Gästen einen Internetzugang über ein marktüblich sicherheitsaktiviertes und verschlüsseltes Funknetzwerk (WLAN) anbietet, haftet nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen durch seine Gäste, wenn er die Gäste vor der Nutzung auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hinweist. Vor einer ersten Rechtsverletzung besteht für den Hotelbetreiber insoweit keine weitergehende Prüfungspflicht.
2.) Die unbegründete Abmahnung des Inhabers eines Geschäftsbetriebs wegen vermeintlicher Schutzrechtsverletzungen kann einen rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen. Ist dies der Fall, muss der Abmahner dem Abgemahnten dessen Kosten für die Verteidigung gegen die Abmahnung ersetzen.

(Leitsätze des Bearbeiters)

Der Fall:
Der Kläger betrieb ein Hotel. Zu seinen Serviceleistungen gehörte das Angebot eines Internetzugangs für Gäste über ein sicherheitsaktiviertes und verschlüsseltes Funknetzwerk (WLAN). Bevor ein Gast dieses Netzwerk nutzen konnte, wies der Kläger den Gast auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften hin.

Im August 2008 erhielt der Kläger eine urheberrechtliche Abmahnung. Gegenstand war die urheberrechtswidrige Verbreitung eines Werkes über den Internetanschluss des Hotels. Weder der Kläger selbst noch dessen Angestellte hatten jedoch ein Werk der Beklagten auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer einer Tauschbörse bereitgestellt und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht noch dieses unterstützt.

Der Kläger widersprach der Abmahnung mit anwaltlichem Schreiben. Zugleich forderte er die Beklagte zum Ersatz der damit verbundenen Kosten in Höhe von 1.049,00 € auf.

Das Amtsgericht hat die Klage zunächst abgewiesen.

Die Entscheidung:
Die Berufung vor dem LG Frankfurt hatte jedoch Erfolg. Das LG Frankfurt hat die Beklagte zur Erstattung verurteilt.

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Abmahnung zu Unrecht erfolgt war.

Eine Haftung des Klägers als Täter oder Teilnehmer komme nicht in Betracht. Unstreitig hatten weder der Kläger selbst noch dessen Angestellte ein Werk der Beklagten in einem Filesharing-System bzw. einer so genannten Tauschbörse der Öffentlichkeit angeboten.

Auch eine Haftung des Klägers als Störer komme nicht in Betracht.

Seine Gäste, denen er Zugang zum Funknetzwerke ermöglicht hatte, habe der Kläger auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften hingewiesen. Eine weitergehende Prüfungspflicht vor einer ersten Rechtsverletzung bestehe für den Kläger – und zwar unabhängig von der Frage, ob sein Geschäftsmodell durch die Auferlegung präventiver Prüfpflichten nicht ohnehin gefährdet wäre (BGH, Urt. v. 19. April 2007 – I ZR 35/04) – aufgrund der Verschlüsselung nicht (BGH, Urt. v. 12. Mai 2010 – I ZR 121/08 „Sommer unseres Lebens“). Hinsichtlich Dritter ergebe sich dies ebenfalls aus der unstreitig erfolgten marktüblichen Verschlüsselung des Netzwerks.

Durch die unbegründete Abmahnung habe die Beklagte rechtswidrig in das Recht des Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen. Die Beklagte habe auch schuldhaft weil jedenfalls fahrlässig gehandelt. Sie den Kläger habe ohne die von ihr zu erwartende Prüfung der Sach- und Rechtslage den Kläger abmahnen lassen.

Nach einhelliger Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 12. Mai 2010 – I ZR 121/08 „Sommer unseres Lebens“; OLG Frankfurt, Urt. v. 01. Juli 2008 – 11 U 52/07) komme einer IP-Adresse keine mit einem eBay-Konto vergleichbare Identifikationsfunktion zu. Anders als letzteres sei sie keinem bestimmten Nutzer, sondern nur einem Anschlussinhaber zugeordnet. Dieser sei grundsätzlich auch berechtigt, beliebigen Dritten Zugriff auf seinen Internetanschluss zu gestatten. Die IP-Adresse gebe damit bestimmungsgemäß keine zuverlässige Auskunft über die Person, die zu einem konkreten Zeitpunkt einen bestimmten Internetanschluss nutzt. Damit fehle die Grundlage dafür, den Anschlussinhaber im Wege einer unwiderleglichen Vermutung so zu behandeln, als habe er selbst gehandelt (BGH, Urt. v. 12. Mai 2010 – I ZR 121/08 „Sommer unseres Lebens“). Da der Kläger auch nicht per se für Rechtsverletzungen seiner Gäste oder Dritter hafte, könne ohne Kenntnis der Sachlage im konkreten Fall der Anschlussinhaber gerade nicht einer Urheberrechtsverletzung bezichtigt werden, ohne dass sich der Bezichtigende zumindest Fahrlässigkeit vorwerfen lassen müsse.

Dies gelte jedenfalls dann, wenn es sich bei dem Bezichtigten um einen Hotel-Betrieb handelt, zu dessen Serviceleistungen es unproblematisch erkennbar gehört, Hotelgästen den Zugang zum Internet mittels Funk-Netzwerk zu ermöglichen. Die Beklagte hätte sich vor der Abmahnung sichere Kenntnis der Sachlage verschaffen können – und müssen.

Der Beklagten wäre es insbesondere ohne Probleme möglich gewesen, den Kläger unter Hinweis auf ihre Rechte und den vermeintlichen Veröffentlichungstatbestand zur Äußerung bzw. konkreten Darlegung seiner Berechtigung zur Vornahme der beanstandeten Handlung aufzufordern (so genannte „Berechtigungsanfrage“). So hätte sie ohne Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die starke Unsicherheit über den Verletzungstatbestand beseitigen oder – falls der Kläger sich nicht geäußert hätte – danach unverschuldet eine Abmahnung aussprechen können.

Der dem Kläger danach dem Grunde nach zustehende Schadensersatzanspruch erstrecke sich auf die mit der Abwehr der Abmahnung verbundenen Kosten eines Rechtsanwalts. Deren Höhe sei nicht zu beanstanden.

Konsequenzen für die Praxis:
Zumindest für Hotelbetreiber hat das LG Frankfurt nunmehr die Haftung für das Verhalten von Gästen eingeschränkt. Verhalten sie sich entsprechend, haften sie nicht für Urheberrechtsverletzungen durch ihre Gäste.

Hinzuweisen ist darauf, dass das Landgericht Hamburg mit Urt. v. 25. November 2010 – 310 O 433/10 einen kommerziellen WLAN-Betreiber dazu verurteilt, für Filesharingaktivitäten seiner Kunden zu haften. Dort war es allerdings so, dass der Betreiber eines Internetcafés keine Schutzmaßnahmen getroffen hatte.

Anbieter von Netzwerken, seien es kabelgebundene oder drahtlose, sollten ihre Angebote auf jeden Fall vor Missbrauch schützen. Neben einer Verschlüsselung kann dies zum Beispiel auch durch Sperrung entsprechender Ports erfolgen.
(LH)