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Das OVG Koblenz hat am 10.08.2016, Az. 6 B 10500/16.OVG, entschieden, dass die Behandlung von Menschen mit tiefgefrorenen Frischzellen (so genannte Gefrierzellentherapie) in der „Villa Medica“ unter strengen Auflagen vorläufig weiter angewendet werden darf.

Was ist passiert?

Der Antragsteller ist Chefarzt der „Villa Medica“ in Edenkoben und spezialisiert auf die Behandlung von Menschen mit Zellen tierischen Ursprungs, die aus Schafsföten gewonnen werden (sog. Frischzellentherapie). Diese werden den Patienten mit der Absicht injiziert, eine revitalisierende Wirkung zu erzielen. Der Antragsteller verwendet seit einiger Zeit nur noch eingefrorene Zellen (sog. Gefrierzellen).

Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung untersagte dem Antragsteller im Dezember 2015 die weitere Herstellung und Anwendung von Gefrierzellen bei Menschen und ordnete die sofortige Vollziehung des Verbots an. Es handele sich bei den vom Antragsteller hergestellten Gefrierzellen um bedenkliche Arzneimittel, weil dem nach derzeitigem Sachstand nicht nachweisbaren Nutzen bedeutende Risiken gegenüberstünden, insbesondere die Gefahr der Übertragung von tierischen Erregern und von massiven immunallergischen Reaktionen.

Der Antragsteller legte hiergegen Widerspruch ein und suchte beim Verwaltungsgericht um Eilrechtsschutz nach, weil aus seiner Sicht die von ihm hergestellten Gefrierzellen ein unbedenkliches Arzneimittel darstellten.

Dem Eilantrag hat das VG Neustadt mit bestimmten Maßgaben stattgegeben, weil die Frage, ob es sich bei den vom Antragsteller hergestellten Gefrierzellen um bedenkliche Arzneimittel handele, weiterer Aufklärung im Hauptsacheverfahren bedürfe.

Was sagt das OVG Koblenz dazu?

Die hiergegen vom Land Rheinland-Pfalz beim OVG Koblenz eingelegte Beschwerde hatte nur teilweise Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die bereits vom Verwaltungsgericht dem Antragsteller gemachten Auflagen um umfangreiche zusätzliche Verpflichtungen zur Aufklärung seiner Patienten ergänzt, die Beschwerde aber im Übrigen zurückgewiesen.

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, ob die angegriffene Verfügung rechtmäßig sei. Die Behörde sei zwar zum Erlass der Verfügung zuständig und verfüge auch über eine Ermächtigungsgrundlage im Arzneimittelgesetz. Ob es sich bei den vom Antragsteller angewendeten Gefrierzellpräparaten aber tatsächlich um bedenkliche Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes handele, bedürfe – wie vom Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt – weiterer Aufklärung im Hauptsacheverfahren. Hierzu sei die Einholung von ergänzenden Stellungnahmen des Paul-Ehrlich-Instituts sowie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erforderlich, zum einen zur Einschätzung des Risikos der Übertragung von Krankheitserregern tierischen Ursprungs, zum anderen zu der Frage, ob bei der vom Antragsteller konkret durchgeführten Gefrierzellentherapie ein bedenkliches Risiko allergischer sowie immunologischer Reaktionen bestehe. Die bei einer derartig offenen Sach- und Rechtslage im Eilverfahren vorzunehmende Interessenabwägung falle – unter der Voraussetzung zusätzlicher Aufklärungspflichten des Antragstellers gegenüber seinen Patienten – zu dessen Gunsten aus. Mit Rücksicht auf sein Grundrecht der Berufsfreiheit habe sein Interesse daran, die Therapie vorläufig weiter durchführen zu können, erhebliches Gewicht, weil er sich auf die Frisch- bzw. Gefrierzellentherapie spezialisiert habe und anderenfalls die Schließung der „Villa Medica“ drohe, mit mutmaßlich irreversiblen Folgen auch für die dort beschäftigten Arbeitnehmer.

Über die vom Verwaltungsgericht dem Antragsteller zur Qualitätssicherung des verwendeten Zellenmaterials bereits gemachten Auflagen hinaus sei es jedoch erforderlich, die Therapie zur weiteren Verringerung der vom Land Rheinland-Pfalz angenommenen Gefahrenlage nur bei umfassend informierten Patienten zuzulassen.

Hierzu wurde der Antragsteller verpflichtet, seine Patienten mindestens 18 Stunden vor Beginn der Behandlung im Rahmen des allgemeinen Aufklärungsgesprächs auch über die fachlichen Einschätzungen des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie über das anhängige Hauptsacheverfahren zu informieren. Den Inhalt der erfolgten Aufklärung habe er zudem schriftlich zu dokumentieren.

 

Quelle: Pressemitteilung des OVG Koblenz Nr. 22/2016 v. 17.08.2016 und Juris das Rechtsportal

 

RH