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Was ist eine angemessene Ausbildungsvergütung? Dazu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 29. April 2015 – 9 AZR 108/14 -entschieden. Und zwar sei die Ausbildungsvergütung dabei nur dann angemessen, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelte Ausbildungsvergtung um nicht mehr als 20 % unterschreite.

Was ist passiert?

Der Beklagte ist ein eingetragener Verein und nicht tarifgenunden. Nach § 2 seiner Satzung ist sein Zweck die Förderung der qualifizierten Berufsausbildung. Weiterhin ist zur Mitgliedschaft ist in § 4 der Satzung ua. nochfolgendes geregelt.

„Mitglied kann werden

… jedes Unternehmen, das selbst ausbildet oder ausbilden will, insbesondere Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie,Der Kläger war Auszubildender

… eine Ausbildungseinrichtung, in die der Verein Auszubildende zur Ausbildung entsenden will, wenn die Ausbildungskapazitäten der VBM-Mitgliedsfirmen vor Ort nicht ausreichen, um zusätzliche Ausbildungsverhältnisse einzurichten,

Unternehmen im Sinne von vorstehend lit. a) sind natürliche oder juristische Personen oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die eine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit ausüben.“

Der Beklagte schließt mit Auszubildenden Ausbildungsverträge. Und zwar wird die Ausbildung jeweils von einem der Mitgliedsunternehmen des Beklagten durchgeführt. Dazu werden die Auszubildendengestellung durch den Beklagten und die Ausbildungsübernahme durch die Mitgliedsunternehmen werden durch Ausbildungsübernahmeverträge geregelt. Dabei ist eines der Mitglieder des Beklagten die K SE, die in G und C die betriebliche Ausbildung der beim Beklagten angestellten Auszubildenden anbietet. Die beiden Vorstände dieses Unternehmens bilden den Vorstand des Beklagten. Die K SE stellt auch selbst Auszubildende ein.

Was ist eine angemessene Ausbildungsvergütung?

Der Beklagte schloss unter dem 11. Juni 2008 mit dem Kläger einen Berufsausbildungsvertrag für die Ausbildung zum Industriemechaniker. Dabei wurde als Ausbildungsort der Betrieb der K SE in C vereinbart. Zur Ausbildungsvergütung ist im Berufsausbildungsvertrag ua. geregelt, dass der Auszubildende erhält eine angemessene Vergütung erhält. Diese wurde angegeben – jeweils brutto – mit 385,00 € im 1. Lehrjahr, 405,00 € im 2. KLehrjahr, 430,00 € im 3. Lehrjahr und 450,00 € im 4. Lehrjahr.

Der Kläger fordert vom Beklagten erfolglos die Zahlung weiterer 21.678,02 Euro brutto.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Gegen das Urteil des LArbG hat der Kläger Revision zum BAG eingelegt.

Was ist eine angemessene Ausbildungsvergütung? Dazu das BAG:

Die Entscheidung

Das BAG hat die zulässige Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das BAG begründete seine Entscheidung wie folgt.

Funktionen der Ausbildungsvergütung

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG haben Auszubildende Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Die in § 17 BBiG geregelte Ausbildungsvergütung habe regelmäßig drei Funktionen. Und zwar solle sie den Auszubildenden und seine unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und die Leistungen des Auszubildenden in gewissem Umfang „entlohnen“. Entgegen der – unter Bezugnahme auf das in seinem Auftrag erstellte Gutachten – vertretenen Rechtsansicht des Beklagten seien bei der Ermittlung der angemessenen Vergütung alle drei Funktionen zu berücksichtigen. Die Ausbildungsvergütung sei nicht schon dann angemessen, wenn sie einen erheblichen Beitrag zum Lebensunterhalt des Auszubildenden leistet. Und zwar habe sie habe nach dem im Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers im Regelfall weitere Zwecke.

Die in § 17 BBiG geregelte Ausbildungsvergütung habe regelmäßig drei Funktionen. Diese seien bei der Ermittlung der Angemessenheit als unbestimmten Rechtsbgriff zu berücksichtigen seien. Und zwar solle die Ausbildungsvergütung den Auszubildenden und seine unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und die Leistungen des Auszubildenden in gewissem Umfang „entlohnen“.

Motive des Gesetzgebers

Und zwar müsse nach den Motiven des Gesetzgebers zur gesetzlichen Regelung einer „angemessenen Ausbildungsvergütung die Vergütung zum einen angemessen sein. Zum anderen müsse die Bemessung der Vergütung das Lebensalter des Auszubildenden berücksichtigen und mit fortschreitender Ausbildung – mindestens jährlich – ansteigen. Dieser Bemessungsgrundsatz gehe davon aus, dass mit fortschreitendem Alter des Auszubildenden sowie mit fortschreitender Ausbildung die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Auszubildenden steigen. Und zwar mit zunehmendem Alter und im Laufe der Ausbildung, insbesondere im Hinblick auf eine Abschlussprüfung. Außerdem würden die Arbeitsleistungen des Auszubildenden für den Ausbildenden wirtschaftlich wertvoller werden.

Einschlägige Tarifverträge

Wichtigster Anhaltspunkt für die Verkehrsanschauung seien die einschlägigen Tarifverträge. Und zwar berücksichtige das Ergebnis von Tarifverhandlungen hinreichend die Interessen beider Seiten und trage die Vermutung der Angemessenheit. Eine an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtete Ausbildungsvergütung gelte deswegen stets als angemessen. Demgegenüber sei eine Ausbildungsvergütungin der Regel nicht angemessen iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 vH unterschreite.

Das Landesarbeitsgericht habe bei der Beantwortung der Frage der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung zutreffend auf die Verkehrsanschauung abgestellt. Einschlägige Tarifverträge seien zwar mit der Verkehrsanschauung nicht gleichzusetzen. Allerdings würden sie für die Ermittlung der Verkehrsanschauung den wichtigsten Anhaltspunkt darstellen. Und zwar beruhe dies auf der besonderen Sachnähe der zuständigen Tarifvertragsparteien und auf der von der Rechtsordnung anerkannten Vermutung der Angemessenheit ihrer Verhandlungsergebnisse. Die einschlägigen Tarifverträge seien dabei auch zu beachten, wenn die Beteiligten nicht tarifgebunden seien.

Durch § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG werde keine Pflicht begründet, die tarifliche Vergütungshöhe vertraglich zu vereinbaren. Und zwar könnten die Parteien des Ausbildungsverhältnisses natürlich eine niedrigere oder höhere Vergütung vertraglich vereinbaren. Wenn allerdings die vereinbarte Ausbildungsvergütung die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 vH unterschreite, sei sie in der Regel nicht angemessen iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG.

Besondere Umstände

Besondere Umstände, die ein Unterschreiten der 80 v.H. Grenze rechtfertigen würden, seien vorliegend nicht ersichtlich. Wenn die Ausbildung beispielsweise teilweise oder vollständig durch öffentliche Gelder oder Spenden zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze finanziert werde, könne eine Ausbildungsvergütung auch bei deutlichem Unterschreiten dieser Grenze noch angemessen sein. Dabei sei der mit der Ausbildung verfolgte Zweck entscheident. Auch habe der Beklagte hat auf entsprechenden Vortrag des Klägers weder näher begründet, warum der Kläger ohne die Hilfe des Beklagten voraussichtlich keinen Ausbildungsplatz erhalten hätte, noch, dass der Kläger während der Ausbildung besonderer Unterstützung und Förderung durch den Beklagten bedurft hätte.

Quelle: Juris das Rechtsportal

Was ist eine angemessene Ausbildungsvergütung?

Siehe auch: https://raheinemann.de/diakonie-muss-ausbildungsverguetung-in-hoehe-von-34-000-e-nachzahlen/ und https://raheinemann.de/anspruch-auf-ausbildungsverguetung-in-der-pflege-bei-bafoeg-bezug/ und https://raheinemann.de/ist-ausbildungsverguetung-bei-insolvenzanfechtung-zurueckzuzahlen/ und https://raheinemann.de/auszubildender-zu-25-000-euro-schmerzensgeld-verurteilt/ und https://raheinemann.de/arbeitsvertragliche-ausschlussfrist-fuer-mindestentgelt-wirksam/ und https://raheinemann.de/ausbildungsvertrag-ohne-ausbildungsverguetung-wirksam/ und https://raheinemann.de/anspruch-eines-auszubildenden-auf-tarifentgelt-fuer-arbeitnehmer/ und https://raheinemann.de/diakonie-muss-28-000-euro-ausbildungsverguetung-nachzahlen/ und https://raheinemann.de/ausbildungskosten-bei-abbruch-der-bundeswehrzeit-zu-erstatten/ und https://raheinemann.de/vergabe-von-rettungsdienstleistungen-nur-bei-tarifbindung/

Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Was ist eine angemessene Ausbildungsvergütung? Dazu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 29. April 2015 - 9 AZR 108/14 -entschieden.
Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Was ist eine angemessene Ausbildungsvergütung? Dazu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 29. April 2015 – 9 AZR 108/14 -entschieden.