Das BSG hat am 30.11.2016, Az. B 6 KA 38/15, entschieden, dass Vertragsärzte kein Recht haben, ihre Praxis während der Sprechstundenzeiten zu schließen, um an einem „Warnstreik“ teilzunehmen.
Was ist passiert?
Mit der gesetzlichen Konzeption des Vertragsarztrechts seien derartige, gegen gesetzliche Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen gerichtete „Kampfmaßnahmen“ unvereinbar. Nach Ansicht des BSG sind entsprechende vertragsarztrechtlichen Bestimmungen seien auch verfassungsgemäß.
Der Kläger, zugelassen als Facharzt für Allgemeinmedizin, informierte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung im Herbst 2012 darüber, dass er zusammen mit fünf anderen Vertragsärzten „das allen Berufsgruppen verfassungsrechtlich zustehende Streikrecht“ ausüben und deshalb am 10.10. sowie am 21.11.2012 seine Praxis schließen werde. Dem Kläger erteilte die Beklagte einen Verweis als Disziplinarmaßnahme, da er durch die Praxisschließungen seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt habe.
Die hiergegen erhobene Klage hatte das Sozialgericht abgewiesen. Ein Streikrecht als Grund für eine Unterbrechung der Praxistätigkeit sei im Vertragsarztrecht nicht vorgesehen.
Was sagt das BSG dazu?
Das BSG hat die Sprungrevision zurückgewiesen.
Der Kläger hat seine vertragsärztlichen Pflichten nach Auffassung des BSG schuldhaft verletzt. Vertragsärzte müssten während der angegebenen Sprechstunden für die vertragsärztliche Versorgung ihrer Patienten zur Verfügung stehen (sog. „Präsenzpflicht“). Etwas anderes gelte etwa bei Krankheit oder Urlaub, nicht jedoch bei der Teilnahme an einem „Warnstreik“. Ein durch die Verfassung oder die Europäische Menschenrechtskonvention geschütztes „Streikrecht“ stehe dem Kläger nicht zu. Mit der gesetzlichen Konzeption des Vertragsarztrechts sei ein Recht der Vertragsärzte, Forderungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen im Wege von „Arbeitskampfmaßnahmen“ durchzusetzen, nicht vereinbar. Durch die Ausgestaltung des Vertragsarztrechts habe der Gesetzgeber die teilweise gegenläufigen Interessen von Krankenkassen und Ärzten zum Ausgleich gebracht, um auf diese Weise eine verlässliche Versorgung der Versicherten zu angemessenen Bedingungen sicherzustellen. Die gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen besitze ein hohes Maß an Autonomie bei der Regelung der Einzelheiten der vertragsärztlichen Versorgung. Dem entsprechend werde die ärztliche Vergütung zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen ausgehandelt. Den Kassenärztlichen Vereinigungen sei die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung als Körperschaften des öffentlichen Rechts übertragen worden. Der einzelne Vertragsarzt sei in diesen Sicherstellungsauftrag aufgrund seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung und seiner Mitgliedschaft bei der KÄV eingebunden. In diesem System würden Konflikte mit Krankenkassen um die Höhe der Gesamtvergütung nicht durch „Streik“ oder „Aussperrung“ ausgetragen, sondern durch zeitnahe verbindliche Entscheidungen von Schiedsämtern gelöst. Die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs werde im Streitfall durch unabhängige Gerichte überprüft.
Quelle: Pressemitteilung des BSG Nr. 24/2016 v. 30.11.2016 und Juris das Rechtsportal
RH