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Anscheinsbeweis bei EC-Kartenmissbrauch zu erschüttern? Dazu hat das Amtsgericht Bad Iburg am 31.03.2021, Az. 4 C 430/20, entschieden.

Und zwar ist ein gegen den Bankkunden sprechender Anscheinsbeweis, dass er die zur EC-Karte gehörende PIN nicht sorgfältig geheim gehalten hat, erschüttert, wenn feststeht, dass die Karte gestohlen und die persönliche Geheimzahl des Karteninhabers ausgespäht wurde, so das Amtsgericht Bad Iburg. Die Bank habe dann konkret nachzuweisen, dass der Bankkunde seine Pflicht, seine PIN vor unbefugtem Zugriff zu schützen, verletzt hat. Wenn ihr dieser Nachweis nicht gelinge, habe sie dem Kunden den abgebuchten Betrag zu erstatten, so das AG Bad Iburg.

Was ist passiert?

Der Kläger hatte auf der Reeperbahn in Hamburg gegen 3:42 Uhr morgens an einem Geldautomaten 100,00 EUR abgehoben. Auf dem Weg zum Taxi wurde er dort wohl ihrem Gewerbe nachgehenden Frau angesprochen, die dann weiterging. Danach stellte der Kläger fest, dass seine Jackentasche offen und seine EC-Karte verschwunden war.

Trotz Meldung des Vorfalls bei einer örtlichen Polizeiwache und Veranlassung der Sperrung der EC-Karte wurden um 3:53 Uhr mit der EC-Karte an einem anderen Geldautomaten in der Umgebung ein Barbetrag von 900,00 EUR abgehoben

Diesen Betrag verlangt der Kläger von seiner beklagten Sparkasse ersetzt. Die PIN habe er nirgendwo schriftlich festgehalten und niemandem mitgeteilt, so der Kläger. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass eine Ausspähung der PIN bei einem vorherigen Abbuchungsvorgang stattgefunden habe.

Anscheinsbeweis bei EC-Kartenmissbrauch zu erschüttern? Dazu das Amtsgericht Bad Iburg

Die Entscheidung

Und zwar hat das Amtsgericht Bad Iburg die Sparkasse antragsgemäß verurteilt. Der Kläger habe einen Anspruch auf Erstattung der 900,00 EUR aus § 675u S. 2 BGB. Danach sei der Zahlungsdienstleister im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs zur Erstattung des Zahlungsbetrages verpflichtet.

Anscheinsbeweis bei EC-Kartenmissbrauch zu erschüttern? Nicht autorisiert

Die Abhebung der 900,00 EUR sei „nicht autorisiert“ im Sinne von § 675u BGB. Es stehe fest, dass dem Kläger die EC-Karte abhandengekommen sei und er die am 15.09.2019 um 3:53 Uhr getätigte Barabhebung über 900,00 EUR nicht veranlasst oder genehmigt habe.

Anscheinsbeweis bei EC-Kartenmissbrauch zu erschüttern? Kein Beweis einer grob fahrlässigen Verletzung der Pflichten des Klägers als Kartennutzer

Eine grob fahrlässige Verletzung der Pflichten des Klägers als Kartennutzer habe die beklagte Sparkasse nicht beweisen können.

Anscheinsbeweis bei EC-Kartenmissbrauch zu erschüttern? Erschütterung des Anscheinsbeweises

Zwar spreche grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Karteninhaber die PIN auf der EC-Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat, wenn zeitnah nach dem Diebstahl einer EC-Karte unter Verwendung dieser Karte und Eingabe der PIN an einem Geldautomaten eine Abhebung entsprechender Barbeträge stattgefunden habe.

Im vorliegenden Fall sei es dem Kläger gelungen, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Er habe dargelegt und bewiesen, dass die Diebin vor Nutzung der EC-Karte die persönliche Geheimzahl des Karteninhabers ausgespäht hat.

Die EC-Karte sei zunächst in einem näheren zeitlichen Zusammenhang mit einer vorherigen Eingabe der PIN durch den Karteninhaber entwendet worden. Es  bestünden auch tatsächliche Umstände, die auf diese Ursache für die missbräuchliche Barabhebung schließen lassen. Es komme nämlich in dem betroffenen Bereich von Hamburg nach Bestätigung der dortigen Polizeibehörde allgemein häufiger vor, dass eine Beobachtung und Ausspähung von Personen bei ihrer PIN-Eingabe stattfinde. Und zwar, um dann die EC-Karte zu entwenden und missbräuchlich zu nutzen, was nicht immer zur Anzeige gelange.

Anscheinsbeweis bei EC-Kartenmissbrauch zu erschüttern? Stellungnahme zur Entscheidung des AG Bad Iburg:

Kritik an den vom Gericht angenommenen Umständen zur Entkräftung des Anscheinsbeweises

Ob die vom Gericht angenommenen Umstände zur Entkräftung des Anscheinsbeweises ausreichen, erscheint zweifelhaft. Das Gericht stützt sich bei der Annahme der Erschütterung des Anscheinsbeweises offensichtlich allein darauf, dass der Kläger die Barabhebung in einem „einschlägig gefährlichen“ Stadtgebiet vorgenommen hat und es dort häufiger vorkomme, dass Personen bei ihrer PIN-Eingabe dort beobachtet und ausgespäht werden.

Anscheinsbeweis bei EC-Kartenmissbrauch zu erschüttern? Vom AG Bad Iburg angenommene Umstände BGH – konform?

Eine Erschütterung des Anscheinsbeweises ist nach der Rechtsprechung des BGH dann möglich, wenn ein weiterer typischer Geschehensablauf in Betracht zu ziehen wäre. Und zwar dergestalt, dass die Eingabe der zutreffenden PIN durch den Dieb der ec-Karte dadurch ermöglicht wurde, dass dieser zuvor die persönliche Geheimzahl des Karteninhabers ausgespäht hat, als dieser sie bei Abhebungen an Geldausgabeautomaten oder beim Einsatz der ec-Karte an einem POS-Terminal zur Zahlung eines Geldbetrages eingab (BGH, Urteil vom 05.10.2004, XI ZR 210/03). Der durch den Anscheinsbeweis Belastete muss einen vom typischen Geschehensablauf abweichenden Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts mit einer nicht zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit darlegen (OLG Köln NVZ 2007, 141). Dafür ist die konkrete Darlegung und gegebenenfalls der Nachweis der Möglichkeit eines atypischen Verlaufs erforderlich (OLG Frankfurt, Urteil vom 17.06.2009, Az. 23 U 22/06).

Danach wäre nach diesseitiger Ansicht schon die Darlegung konkreter Umstände im Zusammenhang mit dem Abhebevorgang erforderlich gewesen (wie z.B. betreffende Person in kurzem Abstand hinter und die Möglichkeit, Kenntnis von der Eingabe der PIN zu erhalten).   

Quellen: Pressemitteilung des AG Bad Iburg v. 09.09.2021 und Juris das Rechtsportal

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

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Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Anscheinsbeweis bei EC-Kartenmissbrauch zu erschüttern? Dazu hat das Amtsgericht Bad Iburg am 31.03.2021, Az. 4 C 430/20, entschieden. Fragen Sie den Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in unserer Kanzlei