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Betreuungsunterhalt auch nach drittem Lebensjahr eines Kindes? Dazu hat der XII. Zivilsenat des BGH hat am 16.12.2009, Az. XII ZR 50/08, entschieden, dass einem Unterhaltsberechtigten wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes jedenfalls ein Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums zusteht, der dem notwendigen Selbstbehalt eines nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen entspricht und gegenwärtig 770 € monatlich beträgt.

Was ist passiert?

Betreuungsunterhalt auch nach drittem Lebensjahr eines Kindes? Der Sachverhalt

Die Parteien lebten von September 1995 bis März 2006 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Im November 1995 wurde der erste Sohn der Klägerin geboren, der aus einer anderen nichtehelichen Beziehung hervorgegangen war. Im August 2000 wurde der gemeinsame Sohn der Parteien geboren, der seit August 2006 die Schule besucht.

Die im Jahre 1968 geborene Klägerin war nach Abschluss ihres Studiums der Archäologie lediglich im Rahmen einiger zeitlich befristeter Projekte des Landesamtes für Archäologie erwerbstätig und erzielte daraus Einkünfte, deren Höhe nicht festgestellt ist. Während des Zusammenlebens mit dem Beklagten war sie nicht erwerbstätig. Seit dem Jahre 2006 erzielt sie geringfügige Einkünfte, die sich monatlich auf rund 200 € netto belaufen.

Die Vorinstanzen

Die Klägerin begehrt unbefristeten Betreuungsunterhalt für die Zeit ab Mai 2006 in Höhe von monatlich 908 €. Das Amtsgericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage für die Zeit von Mai 2006 bis Januar 2007 überwiegend stattgegeben. Für die Folgezeit hat es ihr einen Unterhaltsanspruch versagt, weil sie ihren Unterhaltsbedarf durch Einkünfte aus einer zumutbaren eigenen Erwerbstätigkeit decken könne. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Betreuungsunterhalt auch nach drittem Lebensjahr eines Kindes? Dazu der BGH:

Betreuungsunterhalt auch nach drittem Lebensjahr eines Kindes? Unterhaltsbedarf gemäß § 1610 Abs. 1 BGB

Der Unterhaltsbedarf der Klägerin bestimmt sich gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach ihrer Lebensstellung bei der Geburt des gemeinsamen Kindes. Damit kommt es ausschließlich darauf an, welchen Lebensstandard sie vor der Geburt des Kindes erreicht hatte. Denn der Unterhaltsanspruch soll sie nur so stellen, wie sie stünde, wenn das gemeinsame Kind nicht geboren wäre. Anders als beim nachehelichen Unterhalt, bei dem sich der Bedarf des geschiedenen Ehegatten auch nach dem bisherigen Einkommen des anderen Ehegatten bemisst, kann die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes ihren Lebensbedarf nicht vom – ggf. höheren – Einkommen ihres Lebenspartners ableiten, und zwar auch dann nicht, wenn sie längere Zeit mit ihm zusammenlebte (vgl. BGH Urteil vom 16. Juli 2008 – XII ZR 109/09 – FamRZ 2008, 1739).

Betreuungsunterhalt auch nach drittem Lebensjahr eines Kindes? Die Höhe des Betreuungsunterhalts

Da der Betreuungsunterhalt ihr eine notwendige persönliche Betreuung des Kindes ermöglichen soll, ohne dass sie in dieser Zeit gezwungen ist, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, ist ihr allerdings ein Unterhaltsbedarf zuzubilligen, der nicht unter dem Existenzminimum liegen darf. Dieses Existenzminimum als unterste Grenze des Unterhaltsbedarfs darf nach der Entscheidung des BGH in Höhe des nur wenig darüber hinausgehenden notwendigen Selbstbehalts eines Unterhaltspflichtigen pauschaliert werden, der gegenwärtig 770 € monatlich beträgt.

Betreuungsunterhalt auch nach drittem Lebensjahr eines Kindes? Betreuungsunterhalt erste drei Lebensjahre

Diesen Mindestbedarf kann die Klägerin ab Februar 2007 in voller Höhe durch zumutbare eigene Erwerbstätigkeit decken. Denn die Klägerin ist ab dieser Zeit – nach der ab Januar 2008 geltenden Neufassung des § 1615 l BGB und erst Recht auf der Grundlage der bis Ende 2007 geltenden früheren Fassung des § 1615 l BGB – jedenfalls zu einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit in der Lage. Nach § 1615 l BGB darf sich der betreuende Elternteil nur in den ersten drei Lebensjahren für eine vollzeitige persönliche Betreuung des gemeinsamen Kindes entscheiden.

Betreuungsunterhalt auch nach drittem Lebensjahr eines Kindes? Anspruch der Klägerin

Verlangt er für die Folgezeit weiterhin Betreuungsunterhalt, hat er weitere Darlegungspflichten. Und zwar muss er im Einzelnen darlegen, dass und in welchem Umfang neben den vorhandenen Möglichkeiten der Betreuung in einer kindgerechten Einrichtung noch eine weitere persönliche Betreuung erforderlich ist. Kindbezogene Gründe, die eine weitere persönliche Betreuung des dann 6 1/2 –jährigen Sohnes erfordern, hatte die Klägerin nicht vorgetragen. Und zwar auch auf ausdrücklichen Hinweis des Oberlandesgerichts nicht.

Im Revisionsverfahren war deswegen davon auszugehen, dass neben dem Schulbesuch auch eine Nachmittagsbetreuung in Betracht kommt. Die Klägerin hatte über die Dauer des gemeinsamen Zusammenlebens hinaus auch keine elternbezogenen Verlängerungsgründe vorgetragen. Daher ist sie zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet, die deutlich über eine halbschichtige Tätigkeit hinausgeht.

Das Oberlandesgericht hatte ihr eine halbschichtige Tätigkeit als Archäologin zugemutet. Dies bleibt nach der Rechtsprechung des BGH sogar hinter der Erwerbspflicht zurück.

Ob die an MS erkrankte Klägerin aus gesundheitlichen Gründen erwerbsfähig ist oder ob sie einen Arbeitsplatz in ihrem erlernten Beruf als Archäologin finden kann, ist im Rahmen des Unterhaltsanspruchs wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes unerheblich. Und zwar, weil der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB ihre Lebensstellung nur wegen der notwendigen Kindesbetreuung sichern will. Einen Krankheitsunterhalt oder einen Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, wie sie die §§ 1572 und 1573 BGB für den nachehelichen Unterhalt zusätzlich vorsehen, kennt § 1615 l BGB nicht.

Quellen: Pressemitteilung des BGH Nr. 259/2009 und Juris das Rechtsportal

Betreuungsunterhalt auch nach drittem Lebensjahr eines Kindes?

Siehe auch: https://raheinemann.de/olg-hamm-unterhaltspflicht-des-gesetzlichen-vaters/ und https://raheinemann.de/bmf-genehmigt-mehrausgaben-fuer-unterhaltsvorschuss/ und https://raheinemann.de/milliardenpaket-fuer-familien-vom-bundesrat-gebilligt/ und https://raheinemann.de/erstattungsanspruch-sozialhilfetraeger-gegen-unterhaltspflichtiges-kind/ und https://raheinemann.de/entlastung-fuer-unterhaltsverpflichtete-angehoerige/ und https://raheinemann.de/unterhaltsvorschuss-wenn-mitwirkung-zur-kindesvaterbestimmung-fehlt/ und https://raheinemann.de/unterhaltsvorschuss-auch-bei-schulbesuch-im-ausland/ und https://raheinemann.de/entlastung-fuer-unterhaltsverpflichtete-angehoerige/ und https://raheinemann.de/ausbildungsunterhalt-auch-nach-3-jaehriger-verzoegerung-der-ausbildung/ und https://raheinemann.de/minderjaehrige-kinder-erhalten-ab-2022-hoeheren-mindesunterhalt/

Marko Rummel

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Familienrecht

Betreuungsunterhalt auch nach drittem Lebensjahr eines Kindes?  Dazu hat der  XII. Zivilsenat des BGH hat am 16.12.2009, Az. XII ZR 50/08, entschieden.
Rechtsanwalt Marko Rummel: Betreuungsunterhalt auch nach drittem Lebensjahr eines Kindes? Dazu hat der XII. Zivilsenat des BGH hat am 16.12.2009, Az. XII ZR 50/08, entschieden.