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Am 15.12.2017, Az. 26 U 74/17, hat das OLG Hamm entschieden, dass eine ärztliche Behandlung, die trotz Wahlleistungsvereinbarung mit dem Chefarzt – mit Ausnahme seiner unvohergesehenen Verhinderung – nicht von diesem durchgeführt wird, mangels wirksamer Einwilligung des Patienten rechtswidrig ist. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts werden diese Voraussetzungen allein mit seiner Anwesenheit, z.B. als Anästhesist während der Operation, nicht erfüllt.

Was ist passiert?

Die erstbeklagte Krankenhausgesellschaft aus Siegen sowie die bei diesen tätigen zweit- und drittbeklagten Ärzte wurden von der klagenden Krankenversicherungsgesellschaft aus Hamburg hat auf Ersatz von Aufwendungen i.H.v. 30.000 Euro in Anspruch genommen. Die Klägerin ist der gesetzliche Krankenversicherer der Anfang Januar 2012 im Alter von 93 Jahren verstorbenen Patientin. Im Dezember 2011 befand sich die Patientin in stationärer Behandlung im Krankenhaus der Erstbeklagten. Die zusatzversicherte Patientin hatte neben dem Krankenhausaufnahmevertrag eine Wahlleistungsvereinbarung während ihres stationären Aufenthaltes im Dezember abgeschlossen. Nach dieser war eine Chefarztbehandlung durch den Zweitbeklagten vereinbart, der im Verhinderungsfall u.a. von der Drittbeklagten vertreten werden konnte.

Die Drittbeklagte führte nach Abschluss der Zusatzvereinbarung eine Koloskopie durch, bei der es zu einem Einriss im Bereich der Rektumschleimhaut kam, der auf Scherkräfte im Rahmen der Koloskopie zurückzuführen war. Bei dem Eingriff war der Zweitbeklagte in der Funktion eines Anästhesisten anwesend. Nachdem postoperativ eine intensiv medizinische Behandlung der Patientin mit Beatmung erforderlich wurde und auch noch eine Sepsis auftrat, verstarb die Patientin wenige Tage später. Die Klägerin hat die infolge der Koloskopie für die Patientin aufgewandten Behandlungskosten (30.000 Euro) von den Beklagten ersetzt verlangt und gemeint, der Beklagte habe den Eingriff persönlich vornehmen müssen. Insbesondere habe ein Vertretungsfall nicht vorgelegen. Zudem sei Der Beklagte bei der Operation persönlich anwesend gewesen und habe diese ständig beobachtet und überwacht.

Das LG Siegen, Urt. v. 28.04.2017 – 2 O 329/14 – hatte der Klage stattgegeben und der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Aufwendungen zugesprochen.

Was sagt das OLG Hamm dazu?

Das OLG Hamm hat die vorinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Die Behandlung der Patientin ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts mangels wirksamer Einwilligung insgesamt rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen der Wahlleistungsvereinbarung seien nicht eingehalten worden. Der Patient müsse rechtzeitig aufgeklärt werden und zustimmen wenn, wie im vorliegenden Fall, der Eingriff durch einen bestimmten Arzt, regelmäßig den Chefarzt, vereinbart oder konkret zugesagt wurde und ein anderer Arzt an seine Stelle treten solle. Der Eingriff sei rechtswidrig, wenn diese wirksame Patienteneinwilligung in die Vornahme des Eingriffs fehle.

Der Zweitbeklagte habe nach der von der Patientin abgeschlossenen Wahlleistungsvereinbarung den Eingriff vornehmen müssen und sich nur im Falle einer unvorhergesehenen Verhinderung durch einen anderen Arzt vertreten lassen können. Der Patient schließe einen solchen Vertrag im Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene medizinische Kompetenz des von ihm gewählten Arztes, die er sich in Sorge um seine Gesundheit gegen Entrichtung eines zusätzlichen Honorars für die Heilbehandlung sichern wolle. Der Wahlarzt müsse demzufolge die seine Disziplin prägende Kernleistung persönlich und eigenhändig erbringen. Ein als Wahlarzt verpflichteter Chirurg müsse insbesondere die geschuldete Operation grundsätzlich selbst durchführen. Es handle sich bei der Koloskopie um eine die Innere Medizin prägende Kernleistung. Sie sei ein operativer Eingriff mit nicht unerheblichen Risiken und möglichen Schwierigkeiten, bei der es maßgeblich auf die Fähigkeiten des Operateurs ankomme. Deswegen habe der Zweitbeklagte die Koloskopie grundsätzlich selbst durchführen müssen.

Ein zulässiger Vertretungsfall habe nicht vorgelegen, zumal der Zweitbeklagte nicht unvorhergesehen verhindert, vielmehr während der Koloskopie als Anästhesist anwesend gewesen sei. Der Drittbeklagten habe durch seine Anwesenheit beim Eingriff des Zweitbeklagten keine persönliche Leistung im Sinne der Wahlleistungsvereinbarung erbracht. Er sei nicht für den Bereich der Chirurgie sondern für den Bereich der Anästhesie zuständig gewesen. Er habe deswegen das chirurgische Geschehen nicht so beobachten und beeinflussen können, als wenn er selbst die chirurgischen Instrumente geführt habe. Insbesondere gelte das bei einem Augenblicksversagen bei der chirurgischen Durchführung – etwa einer Extraktion von Polypen –, bei dem eine Schädigung schon passiert sein könne, wenn sie für einen beobachtenden Arzt gerade erst erkennbar werde. Deswegen sei eine Beobachtung und Überwachung des Eingriffs der Drittbeklagten mit dem eigenhändigen Eingriff des Zweitbeklagten nicht zu vergleichen gewesen. Auch sei die Fallgestaltung nicht vergleichbar mit der Operation durch einen Assistenzarzt unter Aufsicht des Oberarztes, da in diesem Falle beide Mediziner im selben Fachgebiet tätig seien.

 

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 07.02.2018 und Juris das Rechtsportal

 

RH