Der 12. Senat des BSG hat in seiner Sitzung am 29.06.2016, Az. B 12 KR 14/14 R, die Revision der Beklagten als unzulässig verworfen, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG entspricht.
Was ist passiert?
Bis 30.6.2002 war der 1942 geborene Kläger als Rentner freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Er begab sich ab 1.7.2002 nach Spanien, wo er in der privaten Krankenversicherung (PKV) versichert war, und kündigte in diesem Zusammenhang ‑ bestätigt durch die Beklagte ‑ seine freiwillige Versicherung. Der Kläger teilte der Beklagten im August 2007 mit, dass er ab 1.9.2007 wieder in Deutschland wohnen werde, und begehrte eine erneute Mitgliedschaft. Die Beklagte lehnte dies ab. Der Kläger hielt sich sodann ab 7.6.2008 wieder in Spanien auf. Unter Aufhebung ihrer Bescheide hat das SG für das Saarland, S 1 KR 122/08, die Beklagte verurteilt, den Kläger vom 1.9.2007 bis 7.6.2008 sowie bei einer weiteren künftigen ständigen Wohnsitznahme in Deutschland ‑ soweit kein anderweitiger Versicherungsschutz bestehe ‑ in der GKV zu versichern.
Das LSG für das Saarland, Az. L 2 KR 50/11, hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Die Klage sei hinsichtlich des zurückliegenden Zeitraums und sowie „einer ‑ konkret vom Kläger geplanten ‑ Rückkehr nach Deutschland in naher Zukunft“ zulässig. Er sei jeweils gem § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V Pflichtmitglied der Beklagten in der GKV; insbesondere sei er bei dieser „zuletzt“ in der GKV versichert gewesen. Der Wortlaut der Vorschrift deute darauf hin, dass damit nur die GKV nach dem SGB V, also im Inland gemeint sei. Für den Zeitraum 1.9.2007 bis 7.6.2008 greife zu Lasten des Klägers keine Gebietsgleichstellung aufgrund von EU-Recht ein. Eine solche allgemeine Gleichstellung habe die EWGV 1408/71 nicht enthalten. Auch bei der zukünftigen Rückkehr nach Deutschland gehe es allein um eine nach deutschem Recht zu beurteilende Frage.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision und rügt die Verletzung von § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V iVm dem allgemeinen europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art 3 EWGV 1408/71 bzw Art 5 Buchst b EGV 883/2004. Die SGB V-Regelung dürfe nicht isoliert anhand des deutschen Rechts ausgelegt werden. Nach dessen Sinn und Zweck sei unter „zuletzt gesetzlich krankenversichert“ der Versicherungsschutz als Pflichtversicherter, freiwillig Versicherter oder Familienversicherter zu verstehen, wobei ausländische Versicherungstatbestände mitberücksichtigt und gleichgestellt würden. Für die Mitberücksichtigung auch ausländischer Krankenversicherungstatbestände spreche auch die zu § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V ergangene BSG-Rechtsprechung (Hinweis auf BSGE 113, 134 = SozR 4-2500 § 5 Nr 17 und BSGE 113, 160 = SozR 4-2500 § 5 Nr 18).
Was sagt das BSG dazu?
Der 12. Senat hat die Beklagte vor dem Termin darauf hingewiesen, dass Bedenken im Hinblick darauf bestehen, ob ihre Revisionsbegründung den Anforderungen des § 164 SGG entspricht.
Die Revision der Beklagten wurde als unzulässig verworfen, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG entspricht. Eine Revision ist danach fristgerecht und unter Einhaltung bestimmter Mindesterfordernisse zu begründen: In der Revisionsbegründung muss im Falle der ‑ hier vorliegenden ‑ Rüge der Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts (§ 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V iVm dem allgemeinen europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz) ua sorgfältig sowie nach Umfang und Zweck zweifelsfrei dargelegt werden, weshalb diese Vorschrift im angefochtenen Urteil nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (stRspr, ua Senatsurteil vom 23.11.2005 – B 12 RA 10/04 R – Juris). Erforderlich sind insbesondere Ausführungen zu den für das Revisionsgericht bindenden Tatsachen, aus deren Beurteilung anhand der vermeintlich verletzten Norm erst die gerügte Rechtsverletzung folgen kann. Selbst wenn man insoweit eine kurze Wiedergabe des dafür entscheidungsrelevanten vom LSG festgestellten Sachverhalts in eigenen Worten genügen lässt (vgl BSG Urteil vom 24.2.2016 – B 13 R 31/14 R; weitergehend BSG Urteil vom 23.7.2015 ‑ B 5 R 32/14 R ‑ NZS 2015, 838), entspricht die Revisionsbegründung dem hier nicht: Sie enthält bereits keine zusammenhängende Darstellung des Sachverhalts. Die Begründung enthält lediglich punktuell einzelne tatsächliche Umstände, ohne insoweit kenntlich zu machen, inwieweit es sich dabei um vom LSG festgestellte Tatsachen handelt. Darüber hinaus lässt die Revisionsbegründung auch die Darstellung weiterer zentraler Sachverhaltselemente trotz deren Entscheidungserheblichkeit vermissen. So stellt die Revisionsbegründung insbesondere nicht die Versicherungsbiographie des Klägers und dessen krankenversicherungsrechtlichen Status als Rentner dar.
Quelle: Entscheidungen des Bundessozialgerichts: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2016&nr=14300&linked=pm
RH