Das LSG München hat am 14.07.2015, Az.: L 5 KR 461/13, entschieden, dass Aufrechnungserklärungen von Krankenkassen den Minimalanforderungen an die Bestimmtheit genügen müssen.
Was ist passiert?
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte V wurde im Juni 2007 in dem in Bayern zugelassenen Krankenhaus der Klägerin behandelt. Die Klägerin berechnete hierfür am 29.06.2007 einen Betrag in Höhe von 5.144,16 Euro. Die Beklagte beglich den gesamten Rechnungsbetrag am 16.07.2007. Nachdem zwischen der Klägerin und der Beklagten Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der zutreffenden Kodierung und damit der Höhe der tatsächlich geschuldeten Vergütung bestanden, kündigte die Beklagte entsprechend der nach ihrer Auffassung zutreffenden geringeren Vergütung an: „Den Differenzbetrag werden wir mit der nächsten Zahlung in Abzug bringen.“ In welcher Höhe der Abzug stattfinden sollte, wurde in diesem Schreiben ebenso wenig bestimmt wie die konkrete Rechnung, bei der der Abzug vorgenommen werden sollte. Mit dem nächsten Zahlungsavis in Form einer Sammelabrechnung wurde dann der nach Auffassung der Beklagten verminderte geschuldete Betrag angewiesen, der ursprünglich am 16.07.2007 überwiesene Betrag hingegen in Abzug gebracht.
Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Würzburg, Az. S 11 KR 616/11, war erfolgreich. Die Forderung der Klägerin sei nicht durch Aufrechnung erloschen, da nach den Regelungen der einschlägigen Pflegesatzvereinbarung bereits keine Aufrechnungslage bestanden habe.
Was sagt das LSG München dazu?
Das LSG München hat im Ergebnis die Entscheidung des Sozialgerichts bestätigt.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts müssen Aufrechnungserklärungen von Krankenkassen den Minimalanforderungen an die Bestimmtheit genügen. Hierzu sei zumindest konkludent eine Aufrechnungserklärung abzugeben. Die bloße Ankündigung, eine nicht bezifferte Summe „mit der nächsten Zahlung in Abzug“ zu bringen, genüge hierfür nicht. Insbesondere müsse auch die konkrete Gegenforderung erkennbar sein, welche durch eine Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden soll. Andernfalls könnten die Wirkungen der Aufrechnung i.S.v. § 389 BGB nicht festgestellt werden. Im Übrigen regeln die in Bayern bis 2010 gebräuchlichen Pflegesatzvereinbarungen eine zweistufige Fälligkeit: Die Anspruchsfälligkeit und die Zahlungsfälligkeit. Mangels Zahlungsfälligkeit der Rückforderung habe keine Aufrechnungslage bestanden.
Zu der in der Berufung erhobenen Eventualwiderklage der Beklagten hat das Landessozialgericht entschieden, dass der Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist eines eventuellen Rückforderungsanspruchs der Krankenversicherung nicht an die Zahlungsfälligkeit anknüpft, sondern an die ursprüngliche vollständige Begleichung der Schlussrechnung. Der Erstattungsanspruch entstehe bereits im Augenblick der Überzahlung.
Was lernen wir daraus?
Die Entscheidung des LSG München verdient volle Zustimmung.
Das dem Fall zugrundeliegende „Verrechnungsverfahren“ ist auf Krankenkassenseite wohl weit verbreitet. Es bleibt zu hoffen, dass diese Entscheidung bei den Sozialgerichten entsprechende Resonanz findet.
Quellen: Juris das Rechtsportal und Pressemitteilung des LSG München v. 01.09.2015
RH