OLG Hamm, Urteil vom 12.08.2013 – 3 U 122/12
Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 12. August 2013 – 3 U 122/12 entschieden, dass ein Krankenhaus und der behandelnde Chefarzt haften, weil sie es versäumt haben einen Neurologen zur Beurteilung einer Computertomographie hinzuzuziehen. Darin liegt nach Ansicht des Gerichts ein Behandlungsfehler.
Was war passiert?
Eine Patientin wurde 2005 als Notfall mit einer Halbseitenlähmung in das beklagte Krankenhaus eingeliefert. Sie kam dort bewusstlos an und erlitt kurz darauf einen Krampfanfall. Am selben Tag veranlassten die Ärzte eine native Computertomographie. Deren Bildgebung beurteilten Sie allerdings ohne Hinzuziehen eines Neurologen.
Als Folge eines anfangs nicht erkannten massiven Hirnstamminfarkts zeigte die Patientin das Bild eines Locked-in-Syndroms: sie war wach, konnte hören, sehen und riechen, sich aber bis auf Augenbewegungen nicht bewegen. Dieser Zustand änderte sich bis zu ihrem Tod im Juli 2006 nicht mehr.
Ihr Sohn und Erbe hat Klage auf Schadensersatz gegen das Krankenhaus und den behandelnden Chefarzt erhoben.
Was sagt das OLG Hamm dazu?
Das Gericht hat der Klage stattgegeben und ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 € zugesprochen.
Nach Ansicht des Gerichts hätte noch am Aufnahmetag ein Neurologe zur Beurteilung der Bildgebung des CTs hinzugezogen werden müssen. Dieser hätte den massiven Hirnstamminfarkt erkennen und dessen Behandlung veranlassen müssen. Hätte der Neurologe dies unterlassen, läge ein grober Behandlungsfehler vor – dieser Verlauf begründet eine Beweiserleichterung zugunsten des Klägers. Die Beklagten haben nicht beweisen können, dass die Patientin bei rechtzeitiger richtiger Behandlung identische Beeinträchtigungen erlitten hätte.
Was lernen wir daraus?
In der Regel muss der Kläger die für ihn günstigen, die sog. anspruchsbegründenden Tatsachen vortragen und ggf. auch beweisen. In diesem Fall kam dem Kläger eine Beweiserleichterung zugute: er musste nicht beweisen, dass die Hinzuziehung eines Neurologen bereits im Anfangsstadium erforderlich gewesen ist.
Beweiserleichterungen sind im Medizinrecht bei Klagen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Behandlungsfehlern nicht unüblich. Patienten sollten sich umfassend rechtlich beraten lassen, um eine realistische Erfolgseinschätzung für einen Prozess zu erhalten.
(RH)