SG Münster, Urt. v. 10. Februar 2012 – S 6 P 135/10 (nicht rechtskräftig)
Über die Einstufung in die Pflegestufe III darf dem Urteil des SG Münster vom 10. Februar 2012 – S 6 P 135/10 zufolge nicht allein die Stoppuhr entscheiden.
Das Sozialgericht Münster korrigierte mit seinem Urteil eine Entscheidung der Pflegekasse. Die Kasse muss einem halbseitig gelähmten und blinden Mann Leistungen der Pflegestufe III bewilligen, obwohl er die für die höchste Stufe notwendige Pflegezeit von täglich 240 Minuten nicht erreicht hatte.
Ein Sachverständiger hatte für den Mann aus dem Kreis Warendorf einen täglichen Pflegeaufwand von 232 Minuten ermittelt. Eine solche „geringfügige Unterschreitung“ um acht Minuten dürfe nicht allein zum Scheitern der Pflegestufe führen, entschied das Gericht. Es verwies auf die Kritik von Pflegewissenschaft und Pflegepraxis, nach der die gesetzlich vorgesehene zeitliche Bemessung des Pflegeaufwands eine «scheinrationale Größe» sei. „Aus diesem Grund korrigierte die Kammer die Zeitbemessung des Sachverständigen zugunsten des Pflegebedürftigen durch eine eigene Schätzung des maßgeblichen Hilfebedarfs“, sagte ein Gerichtssprecher.
In den 240 Minuten soll die Grundpflege eine Schwertpflegebedürftigen möglich sein. Dazu gehören 15 Tätigkeiten vom Waschen und Zähneputzen über den WC-Besuch bis zur Hilfe beim Treppensteigen. Hätte der Gutachter bei jeder Tätigkeit ungefähr eine halbe Minute mehr angesetzt, wäre er zu einem anderen Ergebnis gekommen, sagte der Justizsprecher. „Der Aufwand hängt auch von der Tagesform ab.“
(Quelle: Pressemitteilung des SG Münster vom 28. Februar 2012)