Gesetzliche Bestimmungen auf vertragliches Widerrufsrecht anwendbar? Dazu hat das Amtsgericht Magdeburg am 29.08.2013 – 121 C 1287/12 – entschieden. Und zwar wird Beitretenden ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt, wenn eine Beitrittserklärung zur Kapitalbeteiligung an einer Kommanditgesellschaft eine Widerrufsbelehrung enthält, ohne dass ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht, so das AG.
Die Gestaltung der Belehrung richtet sich nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften. Und zwar hat dies zur Folge, dass die Beitrittserklärung bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung ohne zeitliche Beschränkung wirksam widerrufen werden kann.
Was ist passiert?
Gesetzliche Bestimmungen auf vertragliches Widerrufsrecht anwendbar?
Der Beklagte hatte sich mit Beitrittserklärung vom 04.11.2004 an der Klägerin mit dem Anlagemodell „Sprint“ mit einer Mindestvertragslaufzeit von 15 Jahren und einer Gesamtzeichnungssumme von 9.000,00 € zzgl. 5.040,00 € Agio beteiligt. Trotz Nichtbestehen eines gesetzlichen Widerrufsrechtes enthielt die Beitrittserklärung auszugsweise folgende Widerrufsbelehrung:
„Widerrufsrecht: … Widerrufsfolgen: Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben. Kann die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewährt werden, ist von Ihnen insoweit ggf. Wertersatz zu leisten.“
Die Widerrufsbelehrung wurde vom Beklagten gesondert unterzeichnet. Er leistete eine Einmalzahlung in Höhe von 1.550,00 €. Ab dem 01.12.2004 waren mtl. Raten in Höhe von 50,00 € zu zahlen. Zunächst bediente der Beklagte den Betrag. Seit dem 01.10.2008 leistete er keine Zahlungen mehr.
Die Klägerin hat den Beklagten sodann auf Zahlung der rückständigen monatlichen Raten für den Zeitraum vom 02.10.2008 bis 09.03.2012 nebst 12 % Zinsen verklagt. Mit der Klageerwiderung vom 25.09.2012 hat der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten die Beitrittserklärung widerrufen.
Gesetzliche Bestimmungen auf vertragliches Widerrufsrecht anwendbar? Dazu das AG Magdeburg:
Die Entscheidung:
Das Amtsgericht Magdeburg hat die Klage abgewiesen.
Vertragliches Widerrufsrecht
Die Beklagten hätten sich über ein Widerrufsrecht allein dadurch geeinigt, dass der Beklagte über ein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Und zwar hätte dies von einem objektiven Betrachter nur dahingehend verstanden werden können, dass ihm ein Widerrufsrecht eingeräumt werden soll.
Sofern die Belehrung nur für den Fall des Bestehens eines gesetzliches Widerrufsrecht gelten sollte, wäre entsprechend darauf hinzuweisen gewesen, so das AG. Anderenfalls ist für den Verbraucher nicht erkennbar, dass mit der Belehrung nur auf ein gesetzlich bestehendes Widerrufsrecht hingewiesen werden soll. Ohne entsprechende Klarstellung könne die Belehrung über einen Widerruf nur dahingehend verstanden werden, dass der Unterzeichner des Vertrages tatsächlich auch ein Widerrufsrecht haben soll.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für ein gesetzliches Widerrufsrechtes sei das eingeräumte Widerrufsrecht als ein vertragliches Widerrufsrecht einzuordnen.
Anwendbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen
Auf das vertraglich eingeräumte Widerrufsrecht seien die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen anwendbar.
Verstoß gegen AGB Recht
Danach verstoße die Belehrung über die Folgen des Widerrufs gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB. In der Belehrung werde nämlich nur auf die gesetzlichen Folgen eines wirksamen Widerrufs hingewiesen, wonach die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen herauszugeben sind.
Dadurch werde für den Zeichner der Eindruck erweckt, dass zumindest das eingezahlte Kapital zurückerstattet wird. Tatsächlich aber führt der Widerruf zur Anwendung der Regeln über den fehlerhaften Beitritt zu einer Publikumsgesellschaft. Und damit zu einer gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30.08.2004 – 8 U 15/04).
Dies wiederum kann im Ergebnis dazu führen, dass dem Widerrufenden ein geringerer Betrag zurückzugewähren ist, als er tatsächlich eingezahlt hat. Dazu schweige aber die Belehrung über die Folgen des Widerrufs. Deshalb sei die Widerrufsbelehrung unwirksam.
Folge der Unwirksamkeit
Der Widerruf erfolgte auch rechtzeitig. Folge der Unwirksamkeit einer Bestimmung sei gemäß § 306 Abs. 2 BGB, dass sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften richtet. Und zwar beginne gemäß § 355 Abs. 3 BGB die Widerrufsfrist erst mit einer ordnungsgemäßen Belehrung. Daran fehle es. Deshalb habe der Beklagte auch mit der Klageerwiderung den Vertrag noch wirksam widerrufen können.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beklagte hat Berufung beim Landgericht Magdeburg eingelegt.
Gesetzliche Bestimmungen auf vertragliches Widerrufsrecht anwendbar?
Dazu siehe auch: https://raheinemann.de/gleiche-anforderungen-an-gesetzliche-und-vertragliche-widerrufsrechte/
Tag Herr Kollege,
nun, der ständigen Rechtsprechung des BGH entspricht das Urteil des AG Magdeburg entgegen der Darstellung sicherlich nicht, jedenfalls insoweit nicht, als ein langfristiges vertragliches Widerrufsrecht vertreten wurde.
Der BGH hat hieran sehr enge Voraussetzungen geknüpft (vgl. etwa Urteil vom 22.05.2012, Az. II ZR 88/11, Urteil vom 06.11.2012, Az. II ZR 176/12), die hier nicht ersichtlich sind.
Wie lief denn das Berufungsverfahren?
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Stefan Schöne
Anwaltskanzlei Arnold