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Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Juli 2012 – VII R 29/11

Nach einer Entscheidung des (Bundesfinanzhofs) BFH vom 25. Juli 2012 – VII R 29/11 ist im Insolvenzverfahren eine Aufrechnung fortan nur dann zulässig, wenn der Berichtigungstatbestand schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist.

Das Problem:
Sobald ein Steuerpflichtiger in die Insolvenz gerät, kann das Finanzamt oftmals nur dann offene Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens realisieren, wenn es seine Forderungen gegen Zahlungsansprüche des Steuerpflichtigen aufrechnen kann. Grundsätzlich ist eine solche Aufrechnung nach der Insolvenzordnung (InsO) zulässig, soweit der Insolvenzgläubiger aber erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas schuldet, ist sie unzulässig. Nach langjähriger Rechtsprechung des BFH war eine Aufrechnung dennoch zulässig, wenn der Anspruch des Steuerpflichtigen zwar steuerrechtlich erst während des Insolvenzverfahrens entstanden war, jedoch auf dem Ausgleich einer vor Verfahrenseröffnung erfolgten Steuerfestsetzung beruhte.

Im Streitfall erklärte das Finanzamt die Aufrechnung mit unbefriedigten Umsatzsteuerforderungen gegen eine zu Gunsten des Steuerpflichtigen vorgenommene Berichtigung der Umsatzsteuer.

Dagegen klagte der Steuerpflichtige mit der Begründung, dass die Umsatzsteuerforderung des beklagten Finanzamtes erst dann entstanden sei, wenn der volle steuerrechtliche Tatbestand verwirklicht sei. Dies sei hier erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall gewesen, so dass einer Aufrechnung § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegenstehe.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

Was sagt der Bundesfinanzhof dazu?
Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt. Der vom Finanzamt erklärten Aufrechnung stand § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen.

Eine Aufrechnung ist nach neuer Auffassung des BFH nur zulässig, wenn der Berichtigungstatbestand schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist, wie es bei der Berichtigung von Vorsteuerbeträgen zu Lasten des Insolvenzschuldners häufig der Fall sein wird. Im vorliegenden Fall wurde jedoch eine Berichtigung der Umsatzsteuer zu Gunsten des insolventen Unternehmers erforderlich, weil dessen Geschäftspartner (nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Unternehmers) ebenfalls in Insolvenz geraten und das von diesem geschuldete Leistungsentgelt uneinbringlich geworden war. Gegen den dadurch ausgelösten Umsatzsteuererstattungsanspruch des Unternehmers durfte das Finanzamt Insolvenzforderungen somit nicht verrechnen.

Was lernen wir daraus?

Seitens des Finanzamtes erklärte Aufrechnungen mit Umsatzsteuerforderungen sind nunmehr nur dann zulässig, wenn der Berichtigungstatbestand vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist. Ansonsten kann eine Aufrechnung mit einem möglichen Umsatzsteuererstattungsanspruch nicht vorgenommen werden und der entsprechende Betrag ist an den Steuerpflichtigen bzw. den Insolvenzverwalter auszuzahlen.
(RH)