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BSG, Urt. vom 7. Dezember 2006 – B 3 KR 4/06 R und B 3 KR 5/06 R

Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen den Abschluss eines Versorgungsvertrages über häusliche Krankenpflege mit einem Leistungserbringer verweigern, wenn die leitende Pflegefachkraft nicht eine abgeschlossene Ausbildung in der Krankenpflege, sondern nur eine abgeschlossene Ausbildung nach Landesrecht in der Altenpflege sowie als Arzthelferin aufzuweisen hat.

Dies hat das Bundessozialgericht mit zwei Urteilen entschieden.

Die 1958 geborene Klägerin hatte in den Jahren 1980 bis 1982 eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Altenpflegerin und in den Jahren 1986 bis 1989 eine Ausbildung zur Arzthelferin absolviert. Sie verfügte über langjährige Berufserfahrung sowohl im Bereich der stationären und der ambulanten Pflege als auch der Krankenpflege. Ferner hatte die Klägerin an einer Weiterbildung für Leitungskräfte in der ambulanten Pflege mit 600 Unterrichtsstunden teilgenommen.

Nachdem die beklagten Kranken- bzw. Ersatzkassen sich geweigert hatten, die Eignung der Klägerin als verantwortliche Pflegefachkraft für häusliche Krankenpflege (PDL) anzuerkennen, erhob sie Klage gerichtet auf die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet waren, sie als PDL anzuerkennen.

Das Sozialgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, das Verhalten der Beklagten sei vor dem Hintergrund der einschlägigen Regelungen in den seinerzeit gültigen einheitlich formulierten Versorgungsverträgen nicht zu beanstanden gewesen. Das Landessozialgericht hat die dagegen erhobene Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, die Klage sei unzulässig. Eine Anerkennung einer natürlichen Person als PDL sehe das Gesetz nicht vor, sodass eine Leistungsklage nicht statthaft sei. Das Feststellungsbegehren sei unzulässig, weil zwischen der Klägerin und den Beklagten keinerlei rechtliche Beziehungen bestünden. Solche ergäben sich auch nicht aus den zwischen einem Pflegedienst und den Beklagten geschlossenem Vertrag über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege. Die vertraglichen Regelungen hätten keinen drittschützenden Charakter. Schließlich sei die Klägerin auch lediglich wirtschaftlich und nicht in der erforderlichen rechtlichen Weise betroffen. Die Frage, ob die Regelung in den Versorgungsverträgen über die Anforderungen an die PDL gegen höherrangiges Recht verstoße, könne im Wege der Feststellungsklage nicht entschieden werden. Das sozialgerichtliche Verfahren kenne keine abstrakte Normenkontrolle.

Die Revision hatte keinen Erfolg.

Das Bundessozialgericht hat zunächst klargestellt, das für die Feststellungsklage der Sozialgerichtsweg eröffnet und die Klage damit zulässig war. Mit dem Antrag auf Feststellung, dass sie die fachlichen Voraussetzungen für die Leitung eines ambulanten Pflegedienstes erfülle, habe die Klägerin die Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses zwischen dem Pflegedienst und den Beklagten begehrt. Daran habe die Klägerin auch ein rechtliches Interesse gehabt. Die begehrte Feststellung habe zum Ziel gehabt, Rechtssicherheit darüber zu schaffen, dass der Einsatz der Klägerin als PDL nicht zur Kündigung des Versorgungsvertrages bzw. der Einsatz in einem einen Versorgungsvertrag erst anstrebenden Krankenpflegedienst nicht zur Ablehnung des Vertragsschlusses berechtige. Es sei damit um rechtliche Klarstellung gegangen, dass ein bestimmtes arbeitsrechtliches Rechtsverhältnis der Klägerin zu einem potenziellen Arbeitgeber/Leistungserbringer das leistungserbringerrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber/Leistungserbringer und den beklagten Kranken- bzw. Ersatzkasse nicht berühre. Dies genüge für ein festzustellendes Rechtsverhältnis.

In der Sache hat das Bundessozialgericht die faktische Einschränkung der Berufsfreiheit der Klägerin durch das Verwaltungshandeln der Beklagten aber für rechtmäßig erachtet.

Die Vorgabe in den einheitlich formulierten Versorgungsverträgen, wonach die PDL, neben weiteren Voraussetzungen, die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Krankenschwester oder Krankenpfleger, Kinderkrankenschwester oder Kinderkrankenpfleger entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen in der jeweils gültigen Fassung besitzen musste, hat das Bundessozialgericht mit den Vorgaben des Grundgesetzes und des SGB V für vereinbar gehalten.

Zwar enthalte § 132a Abs. 1 S. 1 SGB V die Bestimmung, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich und die für die Wahrnehmung der Interesse von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abgeben sollen. Auch bestimme § 132 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 SGB V, dass die Rahmenempfehlungen auch die Eignung der Leistungserbringer zu regeln habe.

Doch fehle es einem Versorgungsvertrag, der eine Regelung über die Eignung der Leistungserbringer treffe, gleichwohl nicht schon an einer gesetzlichen Grundlage. Zumindest solange, wie es, was bislang der Fall ist, keine Rahmenempfehlung auf Bundesebene gebe, müssten solche Verträge geschlossen werden. Dies rühre daher, dass es konkrete Regelungen über die Versorgung geben müsse, um die tägliche Arbeit durchführen und Streitfälle vermeiden zu können. Der Gesetzgeber weise schließlich auch nur auf Rahmenempfehlungen hin, die erlassen werden „sollen“, ohne hierfür eine Frist zu setzen. Deshalb seien die Parteien der Versorgungsverträge zur Lückenfüllung befugt.

Die Regelung in den einheitlichen Versorgungsverträgen verstoße zudem auch materiell nicht gegen Vorschriften des SGB V. In § 132a Abs. 2 SGB V wie auch in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V sei keine Aussage zu den Anforderungsmerkmalen an die PDL getroffen. Allerdings habe der Gesetzgeber auf dem eng mit der Krankenversicherung verflochtenen Gebiet der Pflegeversicherung die maßgeblichen Voraussetzungen für die Anerkennung als PDL, dort verantwortliche Pflegefachkraft genannt, näher umschrieben. Die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft im Bereich der Pflegeversicherung setze dabei nach § 71 Abs. 3 SGB XI eine abgeschlossene Ausbildung als Kranken- oder Kinderkrankenschwester, Kranken- oder Kinderkrankenpfleger nach dem Krankenpflegegesetz oder als Altenpfleger(in) nach Landesrecht voraus. Da das Gesetz in § 132a SGB V jedoch nicht auf § 71 Abs. 3 SGB XI verwiesen habe, könne letztere Norm jedoch zur Auslegung des § 132a Abs. 2 SGB V nicht herangezogen werden. Der fehlende gesetzliche Verweis lasse vielmehr nur den Schluss zu, der Gesetzgeber habe für den Bereich der häuslichen Krankenpflege den Spitzenverbänden bzw. den Parteien der Versorgungsverträge eine eigenständige Regelung der „Eignung der Leistungserbringer“ und der Anforderungen an die PDL überlassen wollen. Wenn der Gesetzgeber mit der Regelung des § 71 Abs. 3 S. 1 SGB XI akzeptiert habe, dass auch nach Landesrecht ausgebildete Altenpfleger(innen) trotz ihres Defizits an krankenpflegerischen Ausbildungsinhalten als verantwortliche Pflegefachkräfte auf dem Gebiet der gesetzlichen Pflegeversicherung fungieren dürften, so beruhe dies darauf, dass Schwerpunkt der Pflege dort, auch wenn Aufgaben der Behandlungspflege anfallen, immer noch die Grundpflege, die hauswirtschaftliche Versorgung sowie die soziale Betreuung sei (§§ 43, 84, SGB XI). Dafür seien Altenpfleger(innen) ausgebildet und qualifiziert. Dies gelte auch für in diesem Rahmen ausgeübte Leitungsfunktionen. Aus der Regelung im Bereich der gesetzlichen Pflegeversicherung sei deshalb lediglich zu schließen, dass in diesem Bereich ausgebildete Krankenpfleger und Altenpfleger gleichgestellt würden. Auch aus der Übergangsregelung in § 29 AltPflG ergebe sich lediglich, dass die nach altem Recht ausgebildeten Altenpfleger weiterhin ihren Beruf ausüben und ihre Berufsbezeichnung weiter tragen dürften. Eine Aussage über die Qualifikation für eine Leitungsfunktion in einem ambulanten Pflegedienst sei damit nicht verbunden.

Ausdrücklich dahinstehen lassen hat das BSG die Frage, ob wegen der langjährigen Berufspraxis und der Zusatzausbildung in tatsächlicher Hinsicht eine ausreichende Qualifikation vorlag. Insbesondere in seinem Urteil vom 21. November 2003, B 3 KR 14/02 R, betreffend eine Rettungsassistentin, habe der Senat bereits hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass die Krankenkassen auf formalen Ausbildungs- und Weiterbildungsqualifikationen bestehen dürften. Der Senat habe auch nicht etwa – direkt oder indirekt – Altenpfleger als generell für die Position der PDL in ambulanten Krankenpflegediensten geeignete Personen anerkannt. Vielmehr seien die Ausführungen ersichtlich nur so zu verstehen, dass die Krankenkassen nicht verpflichtet sind, pflegerische Qualifikationen anhand von Arbeitgeberbescheinigungen u.ä. zu prüfen, sondern sich darauf beschränken dürften, sich diese Qualifikationen anhand formaler Kriterien in Form von Ausbildungs- und Prüfungszeugnissen sowie Weiterbildungszertifikaten nachweisen zu lassen. Die formalen Abschlüsse als Altenpfleger/in seien dabei nur beispielhaft genannt worden.
(LH)