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BSG, Urteil vom 19.09.2013 – B 3 KR 5/13 R

Die Einleitung eines Begutachtungsverfahrens durch den MDK nach § 275 Abs. 1 SGB V hemmt die Verjährung der Entgeltforderung eines Krankenhauses nicht.

Was war passiert?
Die Klägerin betreibt ein in den Krankenhausplan des Freistaates Sachsen aufgenommenes Krankenhaus.

Sie rechnete die Krankenhausbehandlung eines Versicherten der beklagten Krankenkasse vom 28.01.2004 bis 09.02.2004 auf der Grundlage der Fallpauschale für die Diagnosis Related Group (DRG) F60A (in Höhe von 3.593,89 € abzüglich Verlegungsabschlag von 474,74 €) ab. Mit Schreiben vom 22.10.2008 zeigte der Medizinische Dienst des Bundeseisenbahnvermögens (MD-BEV) der Klägerin eine Überprüfung der Kodierung der Nebendiagnosen an und bat um Übersendung der Behandlungsunterlagen.

Mit Schreiben vom 13.03.2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, nach dieser gutachterlichen Stellungnahme des MD-BEV sei die Krankenhausbehandlung mit der DRG-Fallpauschale F60B (in Höhe von 2.395,33 € ohne Verlegungsabschlag) abzurechnen, und kündigte die Verrechnung mit dem sich daraus ergebenden Differenzbetrag von 723,21 € an.

Am 20.04.2009 erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit einer anderen Vergütungsforderung der Klägerin (über 2.047,08 € für eine Krankenhausbehandlung vom 08.04.2009 bis 10.04.2009).

Die Klägerin hat am 07.10.2009 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage auf Zahlung dieses Differenzbetrages erhoben. Der von der Beklagten geltend gemachte Rückzahlungsanspruch sei im Zeitpunkt der Verrechnung bereits verjährt gewesen. Die Beklagte hat erwidert, die Einleitung des Begutachtungsverfahrens durch den MD-BEV habe den Eintritt der Verjährung gehemmt. Das SG Leipzig hat mit Urteil vom 21. April 2010, Az.: S 8 KR 381/09,  S 8 KR 382/09, S 8 KR 383/09, S 8 KR 384/09 und S 8 KR 385/09 die Klage abgewiesen  und die Berufung zugelassen.

Das Sächsische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 16.05.2012, Az.: L 1 KR 112/10,  L 1 KR 113/10, L 1 KR 114/10, L 1 KR 115/10 und  L 1 KR 116/10 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 21. April 2010 zurückgewiesen.

Was sagt das BSG dazu?

Die Revisionen der Klägerin waren erfolgreich, weil etwaige Ansprüche der Beklagten auf Erstattung von Rechnungsbeträgen aus dem Jahr 2004 verjährt waren und im Jahr 2009 nicht mehr zur Aufrechnung gestellt werden konnten.

Die Annahme des Landessozialgerichts, die Verjährung sei entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB durch die Einleitung der Prüfung des MD-BEV gehemmt gewesen, ist rechtsfehlerhaft; nicht nachvollziehbar ist vor allem die Annahme, die Prüfung durch die Medizinischen Dienste nach § 275 Abs. 1 SGB V weise mit einem vereinbarten Begutachtungsverfahren nach § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB so viel Ähnlichkeiten auf, dass eine Analogie gerechtfertigt sei. Im Übrigen hat die Beklagte auch gegen das allgemeine Beschleunigungsgebot verstoßen.

Was lernen wir daraus?

Dem BSG ist mit seiner Entscheidung in vollem Umfang zuzustimmen. Für eine entsprechende Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB ist schon angesichts seines eindeutigen Wortlauts kein Raum. Dies wurde auch bereits von anderen Gerichten, wie LSG Berlin-Potsdam, Az.: L 1 KR 278/10, und SG Duisburg, Az.: S 7 KR 112/09, so gesehen. Auch das SG Duisburg stellte in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG vom 08.09.2009, Az.: B 1 KR 11/09 R, einen Verstoß gegen das Beschleunigungsverbot fest.
(RH)