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BSG, Urteil vom 21.03.2013 – B 3 KR 28/12 R

Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. März 2013 – B 3 KR 28/12 R tritt keine Fälligkeit der Krankenhausrechnung ein und die Frist des § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V läuft nicht, wenn das Krankenhaus keine Angaben zum Grund der Aufnahme macht. Die erforderlichen Angaben zum Grund der Aufnahme können grundsätzlich im Rahmen des Datenträgeraustauschs nach § 301 Abs 1 Satz 1 SGB V erfolgen.

Was war passiert?
Der bei der Beklagten versicherte G.H. wurde vom 4. bis 6.3.2008 wegen einer coronaren Gefäßerkrankung im Hause der Klägerin stationär behandelt und einer Herzkatheteruntersuchung unterzogen. Die anschließend erstellte Rechnung über 1 347,89 Euro bezahlte die Beklagte nicht, sondern teilte der Klägerin nach Einschaltung des MDK (Gutachten vom 20.5.2008) mit, dass eine ambulante Behandlung möglich gewesen und kein Grund für eine stationäre Behandlung ersichtlich sei. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einer umfangreichen medizinischen Stellungnahme, die die Beklagte erneut dem MDK zuleitete; mit Gutachten vom 11.12.2008 kam dieser nun zu dem Ergebnis, dass eine stationäre Behandlung von einem Tag (DRG F66Z) nachvollziehbar sei. Die Beklagte erkannte die Richtigkeit der nunmehr vom MDK ermittelten Berechnungsgrundlagen an, zahlte jedoch nicht.

Das Sozialgericht hat die auf 1 347,89 Euro gerichtete Zahlungsklage abgewiesen: In Höhe von 896,85 Euro sei die Klage unzulässig, weil die Beklagte den Zahlungsanspruch in dieser Höhe anerkannt habe; im Übrigen sei die Klage unbegründet, weil nur ein stationärer Behandlungstag erforderlich gewesen wäre. Das Landessozialgericht (LSG) hat die nach angenommenem Anerkenntnis der Beklagten über 896,65 Euro reduzierte Berufung der Klägerin in Höhe des Restbetrages von 451,04 Euro zurückgewiesen: Die durchgeführte Herzkatheteruntersuchung werde in der Regel ambulant vorgenommen. Deshalb hätte die Klägerin der Beklagten gegenüber die Gründe angeben müssen, warum hier ausnahmsweise eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen sei. Dies sei nicht geschehen und die Rechnung der Klägerin darum gar nicht fällig geworden. Das Nachholen der Begründung – wie hier tatsächlich erfolgt – ändere an diesem Ergebnis nichts.

Hiergegen wendet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin.

Was sagt das BSG dazu?
Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung der LSG-Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits. Das LSG hat die Entscheidung des erkennenden Senats vom 16.5.2012 (B 3 KR 14/11 R) missverstanden und zu Unrecht ausgeführt, dass „eine Herzkatheteruntersuchung immer ambulant durchzuführen ist“ (richtig: Leistung nach Kategorie 2 des AOP-Vertrages idF vom 8.5.2012), dass die Beklagte „den MDK schon auf der 1. Stufe der Sachverhaltsermittlung eingeschaltet“ hat (richtig: sozialmedizinische Fallberatung – 2. Stufe der Sachverhaltsermittlung), dass „eine Nachholung des Grundes der stationären Aufnahme grundsätzlich nicht möglich“ und „trotz übereinstimmend festgestellter und vom MDK bestätigter Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung kein Anspruch der Klägerin begründbar“ ist.

Der Senat hat festgestellt, dass die Krankenhaus-Rechnung zunächst wegen fehlender Angaben zum Grund der Aufnahme nicht fällig gewesen ist. Die Rechtsprechung vom 16.5.2012, die bislang nur Behandlungen betraf, die in der Regel dem vertragsärztlichen Bereich zuzuordnen sind, hat er nun auch auf den AOP-Bereich übertragen, denn dort sind Leistungen bezeichnet, die in der Regel ambulant erbracht werden sollen (Kategorie 1), bzw solche, bei denen sowohl eine ambulante als auch eine stationäre Durchführung möglich ist (Kategorie 2). Dem Krankenhaus steht im Hinblick auf die Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 25.9.2007 (GS 1/96) indes kein Wahlrecht zu, ob eine im AOP-Vertrag aufgeführte Behandlung ambulant oder stationär durchgeführt wird; bei stationärer Leistungserbringung ist es vielmehr gehalten, die hierfür maßgeblichen Tatsachen der Krankenkasse mitzuteilen. Unterbleibt diese Mitteilung, tritt keine Fälligkeit der Krankenhausrechnung ein und die Frist des § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V läuft nicht. Holt das Krankenhaus die notwendige Begründung nach (wie hier mit Schreiben vom 3.12.2008), wird die Rechnung nachträglich fällig, so dass die Krankenkasse deren Überprüfung durch den MDK (3. Stufe der Sachverhaltsermittlung) nur innerhalb von sechs Wochen veranlassen kann. Nach Ablauf der Frist ist weder das Krankenhaus verpflichtet, Unterlagen an den MDK herauszugeben, noch das SG/LSG berechtigt, von sich aus Beweise zu erheben.

Die erforderlichen Angaben zum Grund der Aufnahme können im Rahmen des Datenträgeraustauschs nach § 301 Abs 1 Satz 1 SGB V erfolgen, soweit die Vertragsparteien des § 301 Abs 3 SGB V entsprechende elektronische Vorgaben vereinbaren, anlog § 301 Abs 1 Satz 2 SGB V in nicht maschinenlesbarer Form oder auf andere Weise. Da es um die Begründung der Fälligkeit der Krankenhausrechnung geht, dürfte aber gerade die Abrechnung der richtige Platz für die notwendigen ergänzenden Angaben sein. Diese Pflicht der Krankenhäuser, bei ambulant und stationär möglicher Leistungserbringung ergänzende Angaben zum Grund der Krankenhausaufnahme zu machen, beruht auf § 301 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V und bedeutet keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen, denn ob der angegebene Grund tatsächlich zutrifft, bleibt im Zweifelsfall der Prüfung durch den MDK vorbehalten.

Eine abschließende Entscheidung in der Sache war dem Senat nicht möglich, weil noch medizinisch zu klären ist, für welchen Zeitraum die Krankenhausbehandlung hier notwendig war. Dabei wird das LSG die oa Beweisbeschränkungen zu beachten und den Sachverhalt auf der Basis der bereits vorliegenden Unterlagen und Befunde zu bewerten haben.

Was lernen wir daraus?
Erst nach Fälligkeit der Krankenhausrechnung kann das Krankenhaus Zahlung beanspruchen und die Krankenkasse eine Überprüfung der Krankenhausrechnung durch den MDK innerhalb der 6 Wochenfrist des § 275 Abs. 1c  Satz 2 SGB V veranlassen. Vorher läuft die Krankenkasse nicht Gefahr, dass durch Fristversäumung der gerichtliche Untersuchungsauftrag beschränkt ist und infolge dessen die Verwertung gleichwohl erhobener Beweise verboten ist. Vielmehr besteht für das  Krankenhaus das konkrete Risiko der Klageabweisung wegen nicht fälliger Rechnung.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch auf das Urteil des BSG vom 12.05.2012 – B 3 KR 14/11 R. Bereits dort stellte der 3. Senat des BSG fest, dass der Lauf der Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c S 2 SGB V überhaupt in Gang gesetzt wird, wenn das Krankenhaus seinerseits die ihm obliegenden Mitteilungspflichten im Verhältnis zur Krankenkasse über Anlass und Verlauf der abgerechneten Krankenhausversorgung bis zur Vorlage der Abrechnung ordnungsgemäß erfüllt hat.
(RH)