Am 27.06.2017, Az. B 2 U 13/15 R, verurteilte das BSG die beklagte gesetzliche Unfallversicherung dazu, an den klagenden Klinikträger neben der zwischenzeitlich anerkannten Hauptforderung auch Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 288 Abs. 1 BGB zu zahlen.
Was ist passiert?
Die beklagte gesetzliche Unfallversicherung und der klagende Krankenhausträger streiten sich um einen Zinsanspruch auf die von der Beklagten zu leistende Vergütung. 2008 wurde die bei der Beklagten versicherte Patientin wegen eines Versicherungsfalles gemäß § 7 SGB VII im Klinikum der Klägerin stationär behandelt. Die Klägerin rechnete hierfür 3.628,84 Euro ab. Im Dezember 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nach ihrer Auffassung die Kodierung einer Nebendiagnose nicht zulässig sei und zahlte auf die klägerische Rechnung einen Betrag i.H.v. lediglich 2.361,13 Euro. Die Klägerin erhob im Jahre 2012 Klage zum SG Dessau-Roßlau auf Zahlung des offenen Restbetrages i.H.v. 1.267,71 Euro nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten seit dem 30.12.2008. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens erkannte die Beklagte über die Zulässigkeit der Kodierung der Nebendiagnose die Hauptforderung an; die Beklagte übernahm auch die Gerichtskosten sowie die auf die Hauptforderung bezogenen notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Ausdrücklich erkannte die Beklagte jedoch die geltend gemachte Zinsforderung nicht an. Das Anerkenntnis der Beklagten nahm die Klägerin an und erklärte den Rechtsstreit insoweit für erledigt. Explizit wurde der Zinsanspruch aufrechterhalten.
Das SG Dessau-Roßlau verurteilte daraufhin die Beklagte unter Az. S 23 U 104/12, an die Klägerin Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.267,71 Euro für den Zeitraum vom 30.12.2008 bis 02.07.2014 zu zahlen. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei für den geltend gemachten Vergütungs- und Zinsanspruch eröffnet. Aus den Vorschriften über eine Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) gemäß §§ 677 ff. BGB, welche im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden seien, ergebe sich der in der Hauptsache geltend gemachte Zahlungsanspruch, der inzwischen anerkannt worden sei. Auch die Verzinsungsvorschriften des BGB seien deshalb im Grundsatz anwendbar. Weshalb trotz des ausdrücklichen Rückgriffes auf die Regelungen der GoA die für dieses schuldrechtliche Rechtsinstitut anzuwendenden Verzinsungsvorschriften nicht gelten sollten, sei nicht ersichtlich. Aus § 288 Abs. 1 BGB folge die Höhe des Zinsanspruchs von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.
Gegen das Urteil des SG Dessau-Roßlau hat die Beklagte Sprungrevision eingelegt.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass eine (analoge) Anwendung der §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB nicht zulässig sei. Der anerkannte Hauptanspruch aus GoA sei öffentlich-rechtlicher Natur. Eine entsprechende (analoge) Anwendung der §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB würde voraussetzen, dass die Verzinsung im SGB nicht abschließend geregelt sei, vielmehr eine planwidrige gesetzliche Lücke vorliege. Nach überwiegender Rechtsprechung regele das SGB regele jedoch die Verzinsung abschließend.
Was sagt das BSG dazu?
Die statthafte und zulässige Sprungrevision der Beklagten hat das BSG zurückgewiesen.
Das SG Dessau-Roßlau hat die Beklagte nach Auffassung des BSG zu Recht verurteilt, an die Klägerin Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.267,71 Euro für den Zeitraum vom 30.12.2008 bis 02.07.2014 zu zahlen. Als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG war die Klage statthaft und zulässig. Die Hauptforderung der Klägerin resultierte aus einem Anspruch auf Aufwendungsersatz aus öffentlich-rechtlicher GoA. Auch im öffentlichen Recht gelten hierfür die §§ 677 ff. BGB entsprechend. Für den seitens der Beklagten anerkannten Zahlungsanspruch und damit einer Geldschuld ist Rechtsgrundlage die Vorschrift des § 683 BGB, die nach der ständigen Rechtsprechung des BSG für den Bereich der Sozialversicherung jedenfalls dann entsprechend anzuwenden ist, wenn der Geschäftsführer – wie hier die Klägerin – kein Leistungsträger i.S.d. §§ 102 ff. SGB X ist, mithin ein Erstattungsanspruch nach diesen Bestimmungen ausscheidet, und der Geschäftsführer mit der Geschäftsführung eine Aufgabe eines sozialrechtlichen Leistungsträgers übernommen hat. Fr den Zinsanspruch ist § 288 Abs. 1 BGB Anspruchsgrundlage, der vorliegend ebenfalls Anwendung findet. Der Zinssatz einer während des Verzuges zu verzinsenden Geldschuld beträgt danach p.a. fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Im Rahmen der öffentlich-rechtlichen GoA findet § 256 BGB entsprechende Anwendung, nach dem der Aufwendungsersatz auch einen Zinsanspruch umfasst (4 C 5/86). Dies hat das BVerwG bereits entschieden.
Zunächst bestimmt sich die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes nach § 246 BGB, der den ausdrücklichen Vorbehalt der Geltung einer anderen Regelung enthält und somit die Anwendbarkeit des § 288 Abs. 1 BGB eröffnet. Die Beklagte befand sich mit dem fälligen Aufwendungswertersatz für die Behandlung der bei der beklagten Versicherten spätestens seit dem 19.12.2008 ohne vorherige Mahnung im Schuldnerverzug (§ 286 BGB), als sie die Kodierung der Nebendiagnose ablehnte und damit die Leistung „ernsthaft und endgültig“ i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB „verweigerte“ (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies hat das SG Dessau-Roßlau zutreffend erkannt. Auch durch speziellere Zinsvorschriften wird die Anwendbarkeit des § 288 BGB nicht d ausgeschlossen; mangels Vorliegens einer Sozialleistung ist insbesondere § 44 SGB I i.S.d. § 11 SGB I nicht anwendbar. Mit der Rechtsprechung zum Leistungserbringerrecht des BSG steht dies im Übrigen im Einklang. In dieser Rechtsprechung bejaht das BSG eine entsprechende Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB, wenn die Geldleistungspflicht eine vertragliche Hauptleistungspflicht ist, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht. Auch mit der weiteren Rechtsprechung des BVerwG zur Verzinsung von Ansprüchen aus öffentlich-rechtlichen Forderungen die zur Anwendbarkeit des § 288 BGB auf die Verzinsung von Ansprüchen aus öffentlich-rechtlichen Forderungen eine vertragliche Leistungspflicht, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht, verlangt, ist die Entscheidung vereinbar. Die Anwendbarkeit auch des § 288 Abs. 2 BGB konnte dahingestellt bleiben, da ein höherer Zinsanspruch als fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nicht geltend gemacht war.
Quelle: Juris das Rechtsportal, Terminbericht des BSG
RH