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BSG, Urt. v. 08. September 2009 – B 1 KR 8/09 R

1.) Rückforderungsansprüche der Krankenkassen gegen Krankenhäuser sind grundsätzlich gemäß der gesetzlichen Regelung in § 288 Abs. 1 S. 2 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
2.) Der gesetzliche Zinssatz kann durch vertragliche Zinsregelung, etwa in einem Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V, verdrängt werden.

(Leitsätze des Bearbeiters)

Der Fall:
Die Beteiligten stritten darüber, in welcher Höhe der Anspruch der klagenden Krankenkasse (KK) gegen die beklagte Trägerin eines Krankenhauses (KH) auf Verzugszinsen wegen zurückzuzahlender Vergütung für KH-Behandlung zu verzinsen war.

Die im Land Nordrhein-Westfalen ansässigen Beteiligten schlossen zur Versorgung der Versicherten der Klägerin mit stationären KH-Leistungen einen Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Der Vertrag enthält u.a. folgende Regelung:

„§ 15 Zahlungsweise

(1) Die Rechnungen sind innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang zu begleichen. Als Tag der Zahlung gilt der Tag der Übergabe des Überweisungsauftrages an … Ist der Fälligkeitstag ein Samstag …, verschiebt er sich … Bei Überschreitung des Zahlungsziels kann das KH nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von 2 v.H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tag verlangen.“

Die Beklagte behandelte in ihrem KH die bei der Klägerin versicherte L. (im Folgenden: Versicherte) vom 29. November bis 21. Dezember 2005 stationär. Die Beklagte berechnete der Klägerin dafür € 23.637 (11. Januar 2006), die die Klägerin unter Vorbehalt bezahlte. Nach Beanstandungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung verlangte die Klägerin – erfolglos – die Rückzahlung von € 7.620,87 bis 2. Oktober 2006.

Mit ihrer Klage hat die KK beim Sozialgericht (SG) neben der Hauptforderung Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3. Oktober 2006 gefordert. Die Beklagte hat die Hauptforderung am 27. September 2007 erfüllt, sich aber nicht zu Zinszahlungen für verpflichtet gehalten. Das SG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben, weil der Zinsanspruch für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus § 288 Abs. 2 BGB i.V.m. § 69 SGB V resultiere. Die Anwendung der Verzugsvorschriften des BGB sei mit dem Krankenversicherungs- und KH-Finanzierungsrecht sowie mit Aufgaben und Pflichten von KK und KH vereinbar.

Auf die – vom SG zugelassene – Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das SG-Urteil geändert und die Beklagte lediglich zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom 3. Oktober 2006 bis 26. September 2007 verurteilt: Der Zinsanspruch dem Grunde nach folge aus der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Hinsichtlich der Höhe der Verzugszinsen sei indessen – abweichend vom SG – nach § 15 Abs. 1 Sicherstellungsvertrag im Rahmen einer „ergänzenden Vertragsauslegung“ davon auszugehen, dass jeglicher Verzugszinsanspruch zwischen den Beteiligten auf zwei Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beschränkt sei.

Mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 69 Satz 3 SGB V, §§ 286, 288 BGB. Auf der Grundlage des BSG-Urteils vom 19. April 2007 – B 3 KR 10/06 R (USK 2007-48) seien einem Leistungserbringer mit Blick auf diese Regelungen Verzugszinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zuzusprechen; nichts anderes könne bei einem Rückforderungsanspruch der KK gegen das KH wegen überhöhter Vergütungszahlungen gelten. Für die vom LSG vorgenommene Auslegung des Sicherstellungsvertrages sei kein Raum, weil die Beteiligten einen Zinssatz in Höhe von nur zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht explizit vereinbart hätten. Mangels getroffener abweichender Vereinbarung seien daher zwingend die gesetzlichen Regelungen anzuwenden. Das LSG habe den Sicherstellungsvertrag fehlerhaft ausgelegt und gegen das Gebot der wirtschaftlichen Leistungserbringung verstoßen: Die KKn hätten sich der äußerst kurz bemessenen Zahlungsfrist von 15 Kalendertagen nur unterworfen, um die Zahlungsfähigkeit des KH auch bei angezweifelter Richtigkeit der Abrechnung zu gewährleisten. Zum Ausgleich dafür – und zur Kompensation des Forderungsausfall- und Insolvenzrisikos – sei die Zinshöhe bewusst nicht beschränkt worden.

Die Entscheidung:
Die Revision der klagenden KK ist erfolglos geblieben. Das BSG hat der KK nur Verzugszinsen auf die zurückzuzahlende Krankenhausvergütung in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zugesprochen.

Die Klägerin habe einen Anspruch gegen die – mit der Rückzahlung der unstreitigen Vergütungsteile im Verzug gewesene – beklagte Krankenhausträgerin auf Verzugszinsen dem Grunde nach aus § 69 S. 3 SGB V (hier noch anzuwenden in der ab 2004 geltenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes) i.V.m. § 286 BGB.

Der Senat hat sich dazu der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG angeschlossen.

Der Anspruch ergebe sich dem Grunde nach unter dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzuges. Die Voraussetzungen eines Verzugs der Beklagten lägen vor, da sie die der Höhe nach unstreitige Forderung nicht innerhalb der ihr für die Rückzahlung gesetzten, angemessenen Frist bis 2. Oktober 2006 ausgeglichen haben, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Hinsichtlich der Zinshöhe käme nach den gesetzlichen Regelungen allenfalls einen Zinssatz von 5 und nicht von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in Betracht (§ 288 Abs 1 Satz 2 BGB). Der höhere Zinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB sei lediglich für „Rechtsgeschäfte“ und „Entgeltforderungen“ vorgesehen, nicht aber für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche wegen irrtümlicher Überzahlung gesetzlich begründeter Krankenhausvergütung – wie vorliegend.

Der gesetzliche Zinssatz werde hier aber durch die vorrangige vertragliche Zinsregelung verdrängt. Nach der vom LSG vorgenommenen ergänzenden Auslegung des Sicherstellungsvertrages beschränkt er – revisionsrechtlich nicht zu beanstanden – die Verzugszinsen auch für Rückzahlungsansprüche auf nur 2 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Rechtmäßig habe die Klägerin bei der Zinsberechnung für ein Jahr taggenau 365 Tage angesetzt.

Konsequenzen für die Praxis:
Rückforderungsansprüche der Krankenkassen gegen Krankenhäuser sind bei Geltung der gesetzlichen Regelung gemäß § 288 Abs. 1 S. 2 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Bestehen jedoch vertragliche Vereinbarungen über Verzugszinsen, so gehen diese aber vor.

Nicht überzeugen können die Ausführungen des BSG zum Vorliegen der Voraussetzungen des Zahlungsverzuges gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Nach allgemeiner Ansicht genügt für eine Leistungszeit nach dem Kalender eine einseitige Bestimmung durch den Gläubiger nämlich nicht. Nur eine solche – für den automatischen Verzugseintritt also nicht ausreichende – einseitige Leistungsbestimmung hat die Krankenkasse aber durch die Setzung des Zahlungsziel getroffen. Die Anspruchsentstehung dem Grunde nach hätte also grds. zunächst eine Mahnung erfordert, vgl. § 286 Abs. 1 S. 1 BGB.
(LH)