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BSG, Urt. v. 27. Oktober 2009 – B 1 KR 4/09 R

Aus § 2 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V sowie auch den Heilmittel-Richtlinien ergibt sich, dass der Heilmittelerbringer den Inhalt der ärztlichen Verordnung insoweit prüfen muss, als er Leistungen zu Lasten der Krankenkassen nur auf Basis einer gültigen Verordnung mit den für eine wirksame und wirtschaftliche Heilmitteltherapie notwendigen ärztlichen Angaben erbringen darf.
(Leitsatz des Bearbeiters)

Der Fall:
Die Beteiligten haben darüber gestritten, ob die beklagte Krankenkasse die Erbringung und Abrechnung von Leistungen der Physiotherapie an Versicherte von einer vorherigen Prüfung der entsprechenden vertragsärztlichen Verordnung durch die behandelnden Physiotherapeuten abhängig machen und behaupten durfte, dass solche vertragsärztlichen Verordnungen einer Überprüfung durch den Leistungserbringer bedürfen.

Die Beklagte erstellte eine „Prüfliste für Leistungserbringer“, um die Qualität der Versorgung der Versicherten zu verbessern, und vertrat die Ansicht, dass physiotherapeutische Leistungserbringer verpflichtet seien, die ihnen vorgelegten vertragsärztlichen Verordnungen auf Fehler zu überprüfen und diese Fehler nach Rücksprache mit dem verordnenden Vertragsarzt ggf. zu beheben. Um ihre Auffassung durchzusetzen, leitete sie ihre Prüfliste den Abrechnungszentren zu. Sie kürzte die von der Klägerin geltend gemachte Vergütung in 14 Fällen um einen Gesamtbetrag von € 1.189,92 Euro. Zur Begründung gab sie an, die Verordnungen enthielten einen offensichtlichen Verstoß gegen untergesetzliches Recht und/oder auf ihnen fehle die Frequenzempfehlung.

Das Sozialgericht hat in 1. Instanz der Beklagten unter Androhung von Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, untersagt, die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer abhängig zu machen und gegenüber Versicherten, Vertragsärzten und Leistungserbringern zu behaupten, dass ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Leistungen einer Vollständigkeitsüberprüfung durch den Leistungserbringer bedürften

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen: Klageart sei entweder die Feststellungs- oder die Unterlassungsklage. Eine Feststellungsklage sei unzulässig, da sie gegenüber einer auf Zahlung der Vergütung gerichteten Leistungsklage nachrangig sei. Die Unterlassungsklage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Es fehle an einer geschützten Rechtsposition des Klägers. Im Übrigen fehle es auch an einem drohenden Eingriff. Bei der umstrittenen „Prüfliste““ handele es sich um eine bloße Meinungsäußerung über die Auslegung von gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen.

Die Entscheidung:
Die Revision zum Bundessozialgericht ist erfolglos geblieben.

Das Gericht hat entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung hat, dass die Beklagte die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel nicht von einer vorherigen Prüfung der ärztlichen Verordnung durch den Heilmittelerbringer abhängig machen darf. Zwar betrifft dieses Rechtsverhältnis den Kernbereich des nach § 125 Abs. 2 SGB V abgeschlossenen Rahmenvertrags (RV) und damit auch eine im Klageweg durchsetzbare Rechtsposition des Klägers: Zu dem durch § 125 Abs. 2 SGB V begründeten Recht auf Gestaltung der Beziehungen von Hilfsmittelerbringern und Krankenkasse gehört als spiegelbildliche Kehrseite nach Abschluss eines Vertrages auch das Recht auf die Bewahrung des Kerns der Regelungen so, wie sie in dem Vertrag objektiv ihren Ausdruck gefunden haben; demgegenüber ist aus § 125 Abs 2 SGB V nicht die Befugnis der Vertragspartner abzuleiten, den Inhalt von Detailregelungen bei Auslegungsdifferenzen – wie etwa die Auslegung des § 4 RV – gerichtlich klären zu lassen.

Konkret wurden nach Ansicht des BSG Rechte des Klägers jedoch nicht verletzt. Bereits aus § 2 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V folge nämlich, dass der Heilmittelerbringer den Inhalt der ärztlichen Verordnung insoweit prüfen müsse, als er Leistungen zu Lasten der Krankenkassen nur auf Basis einer gültigen Verordnung mit den für eine wirksame und wirtschaftliche Heilmitteltherapie notwendigen ärztlichen Angaben erbringen dürfe. Diese grundsätzliche Überprüfungspflicht ergebe sich auch aus den Heilmittel-Richtlinien. Die Bindung der Heilmittelerbringer an diese Richtlinien sei inzwischen explizit in § 91 Abs. 6 SGB V in der ab 01. Juli 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbes in der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt; sie sei aber auch schon vorher in der von der Rechtsprechung des BSG angenommenen normativen Wirkung der Richtlinien auch für Leistungserbringer zum Ausdruck gekommen.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel nicht von einer vorherigen Prüfung der Verordnung des Vertragsarztes durch den Heilmittelerbringer dahingehend abhängig machen darf, ob eine Frequenzempfehlung ausgesprochen worden ist oder ein Heilmittel benannt wird, das nach den Heilmittel-Richtlinien bei der gewissen Indikation und der entsprechenden Leitsymptomatik im Regelfall verordnungsfähig ist. Insoweit begehre er Rechtsschutz lediglich für die Auslegung des RV im Hinblick auf zwei Detailfragen, die nicht geeignet seien, seine eigene, aus § 125 Abs. 2 SGB V abgeleitete Rechtsposition zu verletzen.
(LH)