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LSG Hessen, Urteil vom 05. Februar 2013 – L 1 KR 391/12

Nach dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 05.02.2013 – L 1 KR 391/12 kann sich eine Krankenkasse zur Verweigerung der Kostenübernahme für eine Fettabsaugung nicht darauf berufen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss diese Behandlungsmethode nicht in Richtlinien empfohlen hat.

Der Fall:
Die 29-jährige Klägerin leidet an Armen, Beinen und Gesäß an einer schmerzhaften Fettgewebsvermehrung, einem sogenannten Lipödem. Nach Beantragung der Kostenübernahme für eine Fettabsaugung (Liposuktion) verwies die Krankenkasse darauf, dass die konservativen Therapiemöglichkeiten wie beispielsweise Gewichtsreduktion und Lymphdrainagen noch nicht ausgeschöpft seien. Die Klägerin war dagegen der Ansicht, dass die Fettgewebsvermehrung nicht durch Gewichtsreduktion verringert werden könne und Lymphdrainage und Kompressionsstrümpfe lediglich eine temporäre Linderung bewirken.

Das SG wies die Klage ab, da der Gemeinsame Bundesausschuss die Fettabsaugung nicht empfohlen habe. Dagegen ging die Klägerin in Berufung.

Die Entscheidung:
Die Berufung hatte Erfolg. Das LSG verurteilte die Krankenkasse zur Kostentragung einer stationäre Liposuktion.

Bei der Fettgewebsvermehrung der Klägerin handele es sich um eine erhebliche Fettmenge (u.a. Oberschenkelumfang von 80 Zentimetern), die eine stationäre Behandlung notwendig macht. Dies ergibt sich nach Ansicht des Gerichts sich aus den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie zur Liposuktion, die für die Abgrenzung zwischen ambulanter und stationärer Behandlungsbedürftigkeit heranzuziehen seien. Danach könnten im ambulanten Bereich maximal zwei Liter reines Fettgewebe abgesaugt werden; bei der Klägerin müssten hingegen drei bis vier Liter Fettmasse pro Behandlung entfernt werden. Dabei sei unbeachtlich, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Liposuktion nicht positiv bewertet habe. Denn dies sei nur für ambulante Behandlungen erforderlich. Für den stationären Bereich seien solche Behandlungsmethoden auf Kosten der Krankenkassen hingegen nur dann ausgeschlossen, wenn eine negative Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliege. Dies sei hinsichtlich der Liposuktion nicht der Fall. Zudem habe die Klägerin die konservativen Behandlungsmethoden ausgeschöpft. Dass eine Gewichtsreduktion die lipödem-typischen Fettansammlungen beeinflussen könne, sei wissenschaftlich nicht gesichert.

Folgen für die Praxis:
Keine Bikinifigur auf Kosten der Krankenkasse! Einen Termin beim Schönheitschirurgen sollten Menschen mit „Winterspeck“ trotz des Urteils nicht vereinbaren. Bei der Fettgewebsvermehrung der Klägerin handelte es sich um ein erhebliches Krankenbild und sie hatte bereits vorhandene Behandlungsmethoden ausgeschöpft!
(RH)