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OLG München, Beschl. v. 16. September 2010 – 1 W 2046/10

Sachliche Mängel der Begutachten können im Rahmen eines Befangenheitsantrages gegen den Sachverständigen nur dann Bedeutung erlangen, wenn sie nach Art oder Häufung den Eindruck einer sachwidrigen Voreingenommenheit des Sachverständigen erwecken. Lässt die schriftliche Begutachtung insoweit noch Fragen offen, ist dies kein Fall der Befangenheit des Sachverständigen.
(Leitsätze des Bearbeiters)

Der Fall:
Die Klägerin nahm die Beklagten aus Arzthaftung in Anspruch.

Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2010 lehnte die Klägerin den Sachverständigen Prof. Dr. W. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit Beschluss vom 27. Juli 2010, zugestellt am 09. August 2010, wies das Landgericht den Antrag zurück.

Hiergegen richtet sich die am gleichen Tag eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin vom 23. August 2010, der das Landgericht mit Beschluss vom 27. August 2010 nicht abgeholfen hat.

Die Entscheidung:
Das Oberlandesgericht hat die zulässige Beschwerde für unbegründet erachtet.

Ein Sachverständiger könne, wie vom Landgericht ausgeführt, gemäß § 406 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO wie ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn vom Standpunkt der Partei aus objektiv und vernünftig betrachtet ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen.

Sofern die Partei sachliche Mängel der Begutachtung beanstandet, müsse sie ihre Bedenken allerdings über die §§ 411 Abs. 3, 412 Abs. 1 ZPO verfolgen.

Im Rahmen eines Befangenheitsantrages gegen den Sachverständigen könnten sachliche Mängel der Begutachtung nur dann Bedeutung erlangen, wenn sie, als gegeben unterstellt, nach Art oder Häufung den Eindruck einer sachwidrigen Voreingenommenheit des Sachverständigen erwecken. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Wenn, wie hier, Anknüpfungstatsachen für die Begutachtung zwischen den Parteien streitig sind, gerät der Sachverständige, der Arzt und nicht Jurist ist und an den folglich nicht die Maßstäbe, die für einen prozessgewandten Anwalt oder Richter angemessen wären, angelegt werden dürfen, in eine prozessual schwierige Situation. Dies gelte umso mehr, als dem Schverständigen vorliegend nicht eindeutig vorgegeben war, von welchem Sachverhalt er auszugehen hatte.

Lässt die schriftliche Begutachtung insoweit noch Fragen offen, ist dies kein Fall der Befangenheit des Sachverständigen. Vielmehr ist es dann angemessen und vernünftig, wie vom Landgericht auch bereits avisiert, dem im Wege eines Ergänzungsgutachtens und/oder einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen nachzugehen.
(LH)