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BSG, Urteil vom 22. November 2012 – B 3 KR 1/12 R

Der 3. Senat des BSG entschied mit Urteil vom 22.11.2012 – B 3 KR 1/12 R, dass ein Krankenhaus seine ursprüngliche Rechnung vom 31.7.2006 über 1.780,94 Euro inhaltlich nachbessern und der beklagten Krankenkasse unter dem 20.2.2007 weitere 1.007,10 Euro in Rechnung stellen durfte, weil es bei der ersten Rechnungsstellung relevante Nebendiagnosen übersehen hatte.

Was war passiert?
Streitig war die nachträgliche Erhöhung einer Krankenhausrechnung um 1007,10 Euro.

Die Klägerin, eine in Schleswig-Holstein ansässige Stiftung, ist Trägerin eines zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugelassenen Krankenhauses in L./Rheinland-Pfalz. Dort wurde die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patientin B. in der Zeit vom 20. bis zum 29. Juli 2006 wegen nachhaltiger Beschwerden im Magen-Darm-Trakt vollstationär behandelt. Die als „Schlussrechnung“ bezeichnete Abrechnung vom 31.7.2006 endete mit einem Gesamtbetrag von 1780,94 Euro, den die Beklagte am 15.8.2006 überwies.

Mit Schreiben der Stabsstelle Medizincontrolling und Qualitätssicherung vom 20.2.2007 teilte das Krankenhaus mit, anlässlich einer internen Überprüfung sei festgestellt worden, dass die für die Abrechnung des Behandlungsfalls relevanten Nebendiagnosen E 87.6 (Hypokaliämie), R 15 (Stuhlinkontinenz) und R 32 (Harninkontinenz, ohne nähere Angaben) versehentlich nicht kodiert worden seien. Die Behandlung sei deshalb nicht nach der DRG G67C, sondern nach der DRG G48Z (Koloskopie mit äußerst schweren oder schweren CC oder komplizierendem Eingriff) abzurechnen.

Die Klägerin stornierte demgemäß die Rechnung vom 31.7.2006 und erteilte am 20.2.2007 eine neue Schlussrechnung über 2788,04 Euro.

Die Beklagte lehnte die Zahlung des Differenzbetrages von 1007,10 Euro ab, weil eine Rechnungskorrektur und Nachberechnung nach Ausgleich einer erteilten Schlussrechnung weder rahmenvertraglich noch einzelvertraglich vereinbart worden sei.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 1.007,10 Euro nebst Zinsen verurteilt. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wandte die Beklagte sich mit der Revision.

Was sagt der 3. Senat des BSG dazu?
Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Nach Auffassung des 3. Senates verstößt die Nachberechnung weder gegen § 9 des zugrundeliegenden Landesvertrages noch gegen das rankenversicherungsrechtliche Beschleunigungsgebot. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben steht der Abrechnungskorrektur vorliegend nicht entgegen.

Die Nachberechnung ist prinzipiell bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist denkbar; auf das Kriterium „Rechnungsjahr“ kommt es nicht entscheidend an (entgegen aber der 1. Senat des BSG, vgl. BSG-Pressemitteilung Nr. 59/12 Nr. 5). Allerdings darf die Nachberechnung nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen; dies wäre z.B. der Fall bei einer regelmäßigen, systematischen Rechnungsoptimierung (mehr als 10% des Erlösbudgets) oder wenn dem Anspruch des Krankenhauses das Rechtsinstitut der Verwirkung entgegenstehen würde. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Was lernen wir daraus?
Der 1. und der 3. Senat des BSG vertreten zur Frage der Rechtmäßigkeit von Nachberechnungen unterschiedliche Auffassungen.

So hat der 1. Senat in seiner letzten Entscheidung unter Az.: B 1 KR 6/12 R entschieden, dass die Nachberechnung mehr als 4 Jahre nach erteilter Schlussrechnung gegen Treu und Glauben verstößt. Nach Auffassung des 1. Senates könnten Krankenkassen von Krankenhäusern erwarten, dass sie jedenfalls innerhalb eines vollständigen Geschäftsjahres durch ihre Binnenkontrolle abklären, dass die erteilten Schlussrechnungen vollständig sind.

Es gibt jedoch Gemeinsamkeiten zwischen 1. und 3. Senat des BSG, die wie folgt anhand der Entscheidung des 1. Senates vom 08.09.2009, Az.: B 1 KR 11/09 R und des 3. Senates vom 17.12.2009, Az.: B 3 KR 12/08 R, skizziert werden sollen:
In der Zusammenschau dieser beiden BSG-Entscheidungen ist die Korrektur einer Schlussrechnung immer möglich
– bei offensichtlichen Schreib- und Rechenfehlern,
– bei zulässiger Zahlung „unter Vorbehalt“,
– solange das MDK-Prüfverfahren noch läuft („Prinzip der Waffengleichheit“),
– innerhalb von sechs Wochen seit Rechnungseingang bei der Krankenkasse und
– nach Ablauf von sechs Wochen nur noch bei Überschreitung der Bagatellgrenzen (Nachforderung über 300 Euro und mindestens 5% des Ausgangsrechnungswertes).
(RH)