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OLG Köln, Urteil vom 07.07.2013 – 5 U 92/12

Das OLG Köln hat mit Urteil vom 07.07.2013 – 5 U 92/12, eine bislang offene Haftungsfrage geklärt und entschieden: Gibt ein Apotheker in grob fehlerhafter Weise ein falsches Medikament an einen Patienten aus und bleibt unaufklärbar, ob ein gesundheitlicher Schaden des Patienten auf diesen Fehler zurückzuführen ist, muss der Apotheker beweisen, dass der Schaden nicht auf der Fehlmedikation beruht.

Was war passiert?
Der Kläger wurde im Juni 2006 mit einem Down-Syndrom (freie Trisomie 21) und einem Herzfehler geboren. Für September 2006 war eine Herzoperation geplant. Zur zwischenzeitlichen Behandlung sollte der Kläger ein digitalishaltiges, herzstärkendes Medikament erhalten. Aufgrund eines Versehens stellte der Arzt das Rezept in einer achtfach überhöhten Dosierung aus. Der Apotheker, der nach Ansicht des Gerichts angesichts des Alters des Patienten die Überdosierung hätte erkennen müssen, verkaufte dennoch das Medikament entsprechend der verschriebenen Rezeptur. Nach wenigen Tagen der Einnahme des Medikamentes erlitt der Kläger einen Herzstillstand und musste über 50 Minuten hinweg reanimiert werden. Zudem war der Darm des Klägers beschädigt.

Der Kläger (vertreten durch seine Eltern) nahm nun sowohl den Arzt wie auch den Apotheker auf Schadensersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 200.000 Euro in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage weit überwiegend stattgegeben. Gegen das Urteil hat der beklagte Apotheker Berufung eingelegt.

Was sagt das OLG Köln dazu?
Das OLG Köln hat die Verurteilung dem Grunde nach bestätigt. Lediglich die Höhe des Schmerzensgeldes ließ das OLG offen.

Fünf Jahre nach der Falschbehandlung habe der Kläger habe eine Hirnschädigung in Form eines erheblichen Entwicklungsrückstands aufgewiesen: Im Alter von fünf Jahren sei der Kläger noch nicht in der Lage gewesen, zu sprechen, zu laufen oder selbstständig zu essen. Ob der Entwicklungsrückstand auf die Falschmedikation und den Sauerstoffmangel nach dem Herzstillstand oder den angeborenen genetischen Defekt zurückzuführen sei, sei zwar unklar geblieben. Dies gehe hier jedoch nicht zu Lasten des Klägers. Der Arzt und der Apotheker müssten vielmehr beweisen, dass der Schaden nicht aufgrund der Überdosierung entstanden sei.
Dies sei ihnen nicht gelungen.

Seit langem sei für den Bereich der Haftung von Ärzten für Behandlungsfehler folgende Verteilung der Beweislast anerkannt: Liege nur ein sog. einfacher Behandlungsfehler vor, müsse der Patient beweisen, dass ein Schaden auf der fehlerhaften Behandlung beruhe. Bei einem groben Behandlungsfehler dagegen werde vermutet, dass der Schaden kausal auf den Fehler zurückgehe. Dies sei nun auch in dem seit 26.02.2013 geltenden Patientenrechtegesetz ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 630h Abs. 5 BGB).

Was lernen wir daraus?
Apotheker müssen sich zukünftig darauf einstellen, dass in einem gegen sie geführten Haftungsprozess vom Gericht dieselben Grundsätze zur Beweis-lastverteilung angewendet werden wie bei den Ärzten.
(RH)