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I. Problemstellung

Nach der Behandlung eines Patienten, der Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII bezieht, stellt sich heraus, dass dieser nicht gegen Krankheit versichert ist.

Es stellt sich damit die Frage, wer in diesem Fall für die Behandlungskosten aufkommen muss. In diesem Zusammenhang taucht auch die Frage auf, welche Bedeutung der Vorlage der Krankenversicherungskarte zukommt und wie eine durch die Krankenkasse erteilte Kostenübernahmeerklärung einzuordnen ist. Von Interesse ist ferner, ob die Kostenübernahmeerklärung nachträglich von der Krankenkasse zurückgenommen werden kann. Weiterhin ist zu klären, ob und ggf. wie bereits mit Beginn der Behandlung eine Möglichkeit zur Überprüfung des Bestehens von Versicherungsschutz besteht.

II. Rechtliche Beurteilung

1.) Leistungen zur sozialen Sicherung im Krankheitsfall richten sich insb. nach den §§ 32 und 48 SGB XII – Sozialhilfe –. Es besteht daher grds. eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers bzw. der Krankenkasse. Dies betrifft jedoch nur das Verhältnis zwischen dem Patienten und dem Leistungsträger. Seine Leistungspflicht erfüllt der Sozialleistungsträger dabei dadurch, dass er dem Patienten die Möglichkeit gibt, sich an einer Behandlungsstelle versorgen zu lassen und den Patienten von den dadurch begründeten Vergütungsansprüchen der Behandlungsstelle freistellt.

Durch die Zuständigkeit eines Leistungsträgers der Sozialversicherung wird das Rechtsverhältnis zwischen Behandlungsstelle und Patient also nicht tangiert – es wird lediglich das Abrechnungsverhältnis vom Bereich Behandlungsstelle-Patient in den Bereich Behandlungsstelle-Leistungsträger verschoben.

Ist ein Leistungsträger nicht zuständig, was sich im Bereich der Sozialhilfe insb. dadurch ergeben kann, dass kein entsprechender Antrag beim Sozialhilfeträger gestellt worden ist, so hat führt dies nicht zum Entfall jeglichen Vergütungsanspruchs der Behandlungsstelle. Es besteht dann nur im Verhältnis zum Leistungsträger der Sozialversicherung kein Zahlungsanspruch.

Besteht demnach keine Leistungspflicht eines Sozialversicherungsträgers, so kann der Patient selbst auf Grundlage des mit ihm geschlossenen Behandlungsvertrages auf Zahlung der Behandlungskosten in Anspruch genommen werden.

Dabei dürfte auch unbeachtlich sein, dass der Wille bei Aufnahme bei der Behandlungsstelle regelmäßig dahin geht, einen für den Patienten nicht mit Zahlungspflichten verbundenen – privatrechtlichen – Vertrag über seine Behandlung zu schließen. Zwar kann in einem solchen Fall möglicherweise die Geschäftsgrundlage fehlen, doch würde sich dann bei der Heranziehung der Rechtsgrundsätze über das Fehlen der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) nichts anderes ergeben.

Die dann gebotene Vertragsanpassung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen führt nämlich dazu, dass die Behandlungsstelle die geltend gemachte Vergütung für die Behandlung des Beklagten verlangen kann (vgl. dazu insb. BGH, Urt. v. 28. April 2005, Az. III ZR 351/04).

Insbesondere auch das AG Halle (Saale) hat für einen solchen Fall entschieden, dass der Patient das Risiko des Bestehens eines Krankenversicherungsschutzes trägt. Es ist nicht Sache der behandelnden Stelle, für den Versicherungsschutz des Patienten Sorge zu tragen (AG Halle (Saale), Urt. v. 21. Februar 2008, Az. 93 C 2754/07).

Die behandelnde Stelle hat in der Regel keinen Einblick in die persönlichen und versicherungsrechtlichen Verhältnisse der Patienten. Auch ist es ihr schon aus rein praktischen Gründen kaum möglich, die Angaben der Patienten bzgl. der Krankenversicherung jeweils vor Beginn der Behandlung zu überprüfen. Deshalb darf die behandelnde Stelle grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Patient zutreffende Angaben macht (in diesem Sinne: BGH, Urt. v. 28.04.2005, Az. II ZR 351/04).

Die Vertragsanpassung selbst hat, sofern vorhanden, wiederum den gesetzlichen Vorgaben zu folgen. Dies führt dazu, dass z.B. das behandelnde Krankenhaus für seine Leistungen das nach Maßgabe der §§ 7 KHEntgG, 17 KHG zu ermittelnde Entgelt zu fordern kann. Von den danach zugrunde zu legenden Vergütungssätzen darf das Krankenhaus nicht abweichen; insbesondere ist eine Differenzierung nach der Einkommens- und Vermögenslage des Patienten nicht zulässig, vgl. §§ 8 Abs. 1 S. KHEntgG, 17 Abs. 1 S. 1 KHG.

2.) Da von Beziehern von Leistungen der Sozialhilfe regelmäßig nicht zu erwarten ist, dass diese finanziell zur Tragung von Behandlungskosten in der Lage sind, ergibt sich die Frage, ob eine Inanspruchnahme des Kostenträgers trotz fehlenden Versicherungsverhältnisses in Frage kommt.

a.) Hierzu könnte zum einen an eine Inanspruchnahme des Kostenträgers aus Rechtsscheinsgrundsätzen gedacht werden. Anknüpfungspunkt hierfür könnte die Vorlage der Krankenversicherungskarte durch den Patienten sein.

Hierzu haben das Bundessozialgericht (BSG) mit Urt. v. 12. November 2003, Az. B 3 KR 1/03 R und – darauf Bezug nehmend – auch das SG Duisburg mit Urt. v. 16. März 2007 jedoch ausgeführt, das die unberechtigte Inanspruchnahme der Krankenversicherungskarte durch den Patienten gegenüber dem Krankenhaus nicht zur Einstandspflicht des Kostenträgers nach Rechtsscheinsgrundsätzen führen soll.

Dies rührt nach Ansicht des BSG daher, dass eine Verpflichtung des Patienten zur Vorlage seiner Krankenversichertenkarte gemäß § 15 Abs. 2 SGB V nur im Rahmen der ambulanten ärztlichen Behandlung bestehe. Ferner gestatte § 291 Abs. 1 S. 3 SGB V die Verwendung der Krankenversicherungskarte, insbesondere zu Zwecken der Datenverarbeitung, nur im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sowie für die Abrechnung mit den sonstigen Leistungserbringern (§§ 132 – 134a SGB V). Es besteht damit kein Anspruch des Krankenhauses auf Vorlage der Krankenversichertenkarte.

b.) Als weiterer Anknüpfungspunkt für die Inanspruchnahme der Krankenkasse könnte die von ihr abgegebene Kostenübernahmeerklärung in Betracht kommen.

Die Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses für eine stationäre Behandlung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG in § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V i.V.m. dem aus § 39 Abs. 2 S. 2 SGB V folgenden Sachleistungsanspruch der Versicherten sowie den nach § 112 SGB V geschlossenen Verträgen, die u.a. auch die Voraussetzungen und Modalitäten der Zahlungspflichten der Krankenkassen regeln, zu sehen.

Die Landesverträge nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V enthalten regelmäßig Vorschriften über eine „Kostenzusage“ der Krankenkasse.
Nach den hier bekannten vertraglichen Vereinbarungen ist – vereinfacht dargestellt – so zu verfahren, dass das Krankenhaus innerhalb von 3 Tagen nach Aufnahme des Patienten der Krankenkasse den Beginn der Behandlung mitteilt. Die Krankenkasse muss dann innerhalb weiterer dreier Tage eine Kostenzusage abgeben. Eine einmal erteilte Kostenzusage kann den vertraglichen Regelungen nur dann zurückgenommen werden, wenn sie auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht.

Kommt es auf diesem Wege also zu einer Kostenübernahmeerklärung durch die Krankenkasse, so wäre zu überlegen, on die Krankenkasse daraus auf Zahlung in Anspruch genommen werden kann. Dieser Gedanke liegt insbesondere deshalb nahe, weil der Krankenkasse ohne Weiteres die Möglichkeit zusteht, den Versicherungsstatus zu überprüfen – und im Falle fehlender Mitgliedschaft die Kostenübernahme eben zu verweigern.

Dazu hat das BSG in seinem Urt. v. 12. November 2003, Az. B 3 KR 1/03 R, ausgeführt, dass die vorbehaltlose Kostenübernahmeerklärung die Wirkung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses habe. Nach Ansicht des BSG ist damit in der Regel auch die spätere Einwendung ausgeschlossen, ein Versicherungsverhältnis habe tatsächlich nicht bestanden. Gerade dies solle mit dem Instrument der Kostenzusagenämlich außer Zweifel gestellt werden und sei von der Krankenkasse vor Abgabe einer Kostenzusage zu klären. Vorausgesetzt wird dabei natürlich, dass vom Krankenhaus zu vertretende Gründe nicht vorliegen.

Sofern also eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse vorbehaltlos erklärt wird, führt dies regelmäßig zu einer Zahlungsverpflichtung seitens des Kostenträgers. Aus dieser kann sich der Kostenträger auch durch Rücknahme der Kostenzusage nicht wieder befreien.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn keine vorbehaltlose Kostenzusage abgegeben wurde. Die dem bereits erwähnten in seinem Urteil des  BSG v. 12. November 2003, Az. B 3 KR 1/03 R, zugrundeliegende Kostenzusage war unter dem Vorbehalt: „sofern und solange eine Mitgliedschaft bei der Kasse besteht“, abgegeben worden.

Dazu hat das BSG die Auffassung vertreten, dass der Kostenträger seine Kostenzusage zurückziehen könne, wenn sich nachträglich fehlende Mitgliedschaft des Patienten herausstellt.

c.) Speziell für das Land Sachsen-Anhalt wäre noch zu erwähnen, dass es im Gegensatz zu dem vom BSG mit Urt. v. 12. November 2003, Az. B 3 KR 1/03 R entschiedenen Fall in  diesem Bundesland keinen Sicherstellungsvertrag (Landesvertrag) nach § 112 SGB V gibt.

Ansätze zur Lösung in solchen Fällen hat das BSG in seinem Urt. v. 28. Mai 2003, Az. B 3 KR 10/02, angedeutet. Nach den Ausführungen des BSG ist in solchen Fällen anstelle des fehlenden Landesvertrages der Versorgungsvertrag in i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung mit dem betreffenden Haus Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch. Enthält der Versorgungsvertrag oder die Pflegesatzvereinbarung Regelungen zu einer Kostenübernahmeerklärung wir im vom BSG mit Urt. v. 12. November 2003, Az. B 3 KR 1/03 R, entschiedenen Fall, so dürften beide Konstellationen gleich zu behandeln sein. Sofern die Kostenübernahme vorbehaltlos erklärt worden ist, dürfte eine Inanspruchnahme der Krankenkasse Erfolg versprechend sein.

3.) An der bisher geübten Praxis, sich auch bei einer Krankenhausbehandlung sich zu einem möglichst frühen Zeitpunkt die Krankenversichertenkarte zeigen zu lassen, dürfte festzuhalten sein. Nur so wird das Krankenhaus in die Lage versetzt, überhaupt um Kostenzusage bei einem Kostenträger nachsuchen zu können.

Um problematische Fälle dabei möglichst rasch aufdecken zu können, könnte in Betracht gezogen werden, bei Beginn der Behandlung oder zumindest in unmittelbarer zeitlicher Nähe danach eine Nachfrage bei der aus der Versicherten-Karte ersichtlichen Krankenkasse anzustellen, um das Bestehen des Versicherungsschutzes abzuprüfen.
Ob eine unmittelbare telefonische Anfrage möglich ist, ggf. auch in Kooperation mit der Krankenkasse, erscheint jedoch schon aufgrund des damit verbundenen zusätzlichen Aufwands aus praktischen Gründen fraglich. Ratsam sein dürfte es aber in jedem Falle, wie dies nach hiesiger Kenntnis teilweise auch praktiziert wird, mit dem zuständigen Sachbearbeiter  der Krankenkasse zu vereinbaren, dass vorab eine telefonische Auskunft zum Versicherungsverhältnisses nach Vorliegen des über den DTA übersandten Antrags auf Kostenübernahme gegeben wird.

Soweit schließlich die Krankenkasse das Vorliegen eines Versicherungsverhältnisses verneint, käme u.U. noch ihre Inanspruchnahme nach §§ 19 Abs. 2 S. 1 oder 10 SGB V in Betracht. Möglicherweise hat der Patient der Krankenkasse nämlich insbesondere im Rahmen der Familienversicherung nach § 10 SGB V nicht die nach § 10 Abs. 6 S. 1 SGB V notwendigen Angaben gemacht. Die fehlenden Angaben könnten dann unter Mitwirkung des Patienten ggf. nachgeholt werden.
(RH/LH)