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SG Aurich, Urt. v. 07. Juni 2011 – S 12 P 34/09 (rechtskräftig)

Gemäß § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI können einer Pflegeeinrichtung lediglich die konkret angefallenen Kosten der Wiederholungsprüfung auferlegt werden. Die Geltendmachung von Pauschalen oder Durchschnittswerten ist nicht zulässig.
(Leitsätze des Bearbeiters)

Der Fall:
Die Klägerin wandte sich gegen einen Kostenerstattungsbescheid der Landesverbände der Pflegekassen.

Die Beklagten hatten die von der Klägerin betriebene stationäre Pflegeeinrichtung nach vorangegangner Prüfung im Mai 2008 und Erlass eines Mängelbescheides nach § 115 Abs. 2 SGB XI im September 2008 einen weiteren Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) unterzogen. Nach dem Verwaltungsvorgang des MDK sollte es sich um eine so genannte Wiederholungsprüfung handeln. Über die Prüfung wurde ein Bericht erstellt. Dieser trägt die Überschrift: „Prüfbericht, Qualitätsprüfung gemäß § 112 ff. SGB XI.“ In dem Bericht heißt es, es handele sich „um eine Wiederholungsprüfung“. Als „Ziel der Prüfung“ war die „Feststellung, ob die im Bescheid der Verbände der gesetzlichen Pflegekassen benannten unmittelbaren Verbesserungspotenziale im Bereich der Ergebnisqualität fachgerecht, systematisch, fristgerecht und nachhaltig umgesetzt werden.“

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2008 stellte der MDK der Klägerin für die Wiederholungsprüfung 21,47 Gutachterstunden in Rechnung. Der Stundensatz betrug € 116,88. Die Rechnung belief sich damit auf € 2.509,09. Die Klägerin wandte ein, der MDK könne die Kosten nicht beanspruchen.

Darauf erteilten die Beklagten am 31. August 2009 einen Kostenbescheid. Hierin gaben sie der Klägerin gemäß § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI die Kosten der Prüfung in Höhe von € 703,50 auf. Die Summe errechneten die Beklagten aus einem Anteil des MDK in Höhe von € 579,00. Dabei setzten sie 300 Minuten zu einem Minutensatz von € 1,93 an. Ferner wurde ein Verwaltungsanteil in Höhe von € 124,50 abgerechnet. Dazu wurden 150 Minuten zu je € 0,83 angesetzt.

Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben.

Die Entscheidung:

Die Klage hatte Erfolg. Das Gericht hat den Kostenbescheid als rechtswidrig bewertet und ihn aufgehoben.

Zwar sei § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage, um die Kosten einer Wiederholungsprüfung durch Bescheid festzusetzen. Nach dem Gesetz könnten der Pflegeeinrichtung jedoch lediglich die konkret angefallenen Kosten der Wiederholungsprüfung auferlegt werden. Die Geltendmachung von Pauschalen oder Durchschnittswerten sei, wie auch das SG Darmstadt mit Urteil vom 24. Januar 2011 – S 18 P 25/10 entschieden hat, nicht erlaubt. Dies folge aus dem aus im Gesetzeswortlaut verankerten Veranlassungsprinzip.

Aus dieser Anlehnung an das Veranlassungsprinzip folge, dass nur diejenigen Kosten auferlegt werden können, die von der Pflegeeinrichtung konkret veranlasst worden sind. Denn für die Kostenauferlegung sei maßgeblich, ob ein Veranlassungszusammenhang für die konkret abgerechneten Kosten herzustellen ist.

Dies sei, so das Gericht weiter, nicht der Fall für Kosten, die auch ohne eine Wiederholungsprüfung anfallen würden – wie zum Beispiel Verwaltungskosten. Einen Nachweis, dass die Verwaltungskosten ohne eine Wiederholungsprüfung nicht angefallen wären, hätten die Beklagten jedenfalls nicht erbracht. Indem sie eine Pauschale angesetzt haben, die sich aus dem hälftigen Prüfaufwand des MDK berechnet (150 Minuten), sei nicht einmal behauptet worden, dass überhaupt zusätzliche Kosten angefallen sind.

Ebenso verhalte es sich mit dem Kostenanteil des MDK. Diese Kosten ergeben sich nach dem Vorbringen der Beklagten aus einer bundesweiten Verständigung der Medizinischen Dienste vom 17./18. September 2008. Diese wiederum basieren auf bundesweiten Durchschnittswerten. Durch den Ansatz dieser sich aus einer Verständigung der Medizinischen Dienste ergebenden Stundensätze seien auch für diesen Teil der in Ansatz gebrachten Kosten weder von den Beklagten behauptet noch nachgewiesen worden. Die Medizinischen Dienste hätten sich, so das Sozialgericht, mit der genannten Vereinbarung eine eigene Gebührenordnung gegeben. Für deren Anwendung sei die Rechtsgrundlage des § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI jedoch nicht ausreichend.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Konsequenzen für die Praxis:
Pflegedienste und Heime, die nach einer Wiederholungsprüfung Kostenforderungen ausgesetzt sind, erhalten mit dem Urteil eine gute Verteidigungsmöglichkeit dagegen.

Die Entscheidung ist überzeugendend begründet. Sie findet eine weitere Stütze in der Gesetzesbegründung zu § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI. Darin (BT-Drs. 16/8525, S. 103) heißt es:

„Pflegeeinrichtungen, in denen Wiederholungsprüfungen … aufgrund gravierender Qualitätsmängel veranlasst werden, sollen finanziell nicht besser gestellt werden als Pflegeeinrichtungen, die in eigener Initiative eine Wiederholungsprüfung beantragen, um den Nachweis zu erbringen, dass möglicherweise auch weniger gravierende Mängel zeitnah behoben worden sind.“

Nach Sinn und Zweck des § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI sollen Pflegeeinrichtungen also nur an den Kosten von ihnen durch vorhandene Mängel verursachten Wiederholungsprüfungen beteiligt werden.

Unter diesem Gesichtspunkt kommt auch der Frage, ob ein Mängelbescheid gemäß § 115 Abs. 2 SGB XI ordnungsgemäß erlassen worden ist, ein ganz neues, zusätzliches Gewicht zu: nur wenn der Mängelbescheid ordnungsgemäß ergangen ist, kann eine Wiederholungsprüfung vom Pflegedienst oder Heim „veranlasst“ sein in diesem Sinne. Von daher lohnt eine genauer Prüfung von Mängelbescheiden jetzt noch mehr als früher.
(LH)