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LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. V. 26. Juni 2008 – L 5 KR 19/07

1. Ein Krankenhaus kann, selbst wenn die außerhalb des Versorgungsauftrages erbrachten Leistungen ordnungsgemäß waren, nur für die von seinem Versorgungsauftrag gedeckten Leistungen eine Vergütung beanspruchen.
2. Die konkreten Behandlungsmöglichkeiten eines Plankrankenhauses richten sich primär nach dem Krankenhausplan in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Umsetzung sowie sekundär ggf. ergänzenden Vereinbarungen nach § 109 Abs. 1 S. 4 SGB V.
3. Die operative Behandlung einer Erkrankung des Gefäßsystems stellt keinen zur Grundversorgung gehörenden gefäßchirurgischen Eingriff im Sinne der Weiterbildung zum Chirurgen dar.

(Leitsätze des Bearbeiters)

Der Hintergrund:
Die Klägerin betrieb ein Plankrankenhaus, für das unter anderem die Abteilungen Geriatrie und – ohne besondere Schwerpunkte – Chirurgie ausgewiesen war.

Am 02. August 2004 wurde eine bei der Beklagten versicherte, 1928 geborene Frau (im Folgenden: Versicherte) zur geplanten Bypassoperation im Bereich des rechten Beines bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit im Stadium 3 nach Fontaine bei angiographisch nachgewiesenem Abgangsverschluss der rechten A. femoralis superficialis und distaler mittelgradiger Stenose der A. femoralis superficialis stationär aufgenommen. Es erfolgte die operative Anlage eines femoro-poplitealen P1-Dacron-Bypasses. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos und die Versicherte wurde am 18. August 2004 aus der Krankenhausbehandlung entlassen.

Die Klägerin stellte der Beklagten Behandlungskosten unter Heranziehung der Fallpauschale DRG F08A – große rekonstruktive Gefäßeingriffe ohne Herz-Lungen-Maschine mit äußerst schweren CC – in Rechnung. Nachdem die Beklagte die Rechnung zunächst beglichen hatte, holte sie ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zu der Frage, ob die ausgeführte Leistung zum Spektrum der Allgemeinchirurgie gehöre, ein. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass der durchgeführte femoro-popliteale P1-Bypass dem Schwerpunkt der Gefäßchirurgie zuzuordnen sei.

Daraufhin bat die Beklagte die Klägerin um Korrektur der Abrechnung und Stornierung der DRG F08A. Das Krankenhaus lehnte eine Gutschrift jedoch ab.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass kein Rückzahlungsanspruch der Beklagten besteht.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen, weil der durchgeführte Eingriff nicht dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses entsprochen habe.

Die Entscheidung:
Das Landessozialgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Zwar berühme die Beklagte sich eines Rückzahlungsanspruchs, sodass das notwendige Feststellungsinteresse zu bejahen sein. Doch sei die Feststellungsklage in der Sache unbegründet.

Der Behandlungspflicht des Krankenhauses aus § 109 Abs. 4 S. 2 SGB V stehe zwar ein Vergütungsanspruch gegenüber. Indes bestehe dieser nur für Behandlungen, die vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses gedeckt seien. Über diesen Rahmen hinaus sei ein Krankenhaus nicht zur Behandlung verpflichtet und könnten Versicherte gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 SGB V Leistungen in dem Krankenhaus nicht beanspruchen. Die mit der Zulassung eines Krankenhauses nach § 108 SGB V erlange Befugnis zur Teilnahme an der Versorgung gesetzlich Versicherter werde durch den Versorgungsauftrag im Einzelnen konkretisiert und zugleich begrenzt. Außerhalb des Versorgungsauftrages könne ein Krankenhaus selbst dann keine Vergütung für erbrachte Leistungen beanspruchen, wenn die Leistung ansonsten ordnungsgemäß gewesen sei. Für Plankrankenhäuser, wie die Klägerin es betrieb, richteten sich die konkreten Behandlungsmöglichkeiten nach der Art der Beteiligung an der Krankenhausversorgung, d.h. primär nach dem Krankenhausplan i.V.m. den Bescheiden zu seiner Durchführung sowie sekundär ggf. nach ergänzenden Vereinbarungen i.S.v. § 109 Abs. 1 S. 4 SGB V.

Die bei der Versicherten durchgeführte Operation falle in den Fachbereich der Gefäßchirurgie und gehöre damit nicht zum Bereich der (Allgemein-)Chirurgie.

Die Klägerin könne, so das Gericht weiter, sich auch nicht darauf berufen, bei der erbrachten Leistung handele es sich um einen zur Grundversorgung gehörenden Eingriff im Sinne der Weiterbildung zum Chirurgen. Es ergäbe sich nämlich aus der Richtlinie der zuständigen Ärztekammer über den Inhalt der Weiterbildung gerade, dass die streitige rekonstruktive Leistung nicht umfasst ist.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim BSG unter Az. B1 KR 18/08 R anhängig.

Konsequenzen für die Praxis:
Mit seinem Urteil hat sich das LSG im Wesentlichen der Linie des BSG ausweislich seines Urt. v. 24. Januar 2008 – B 3 KR 17/07 R angeschlossen. Auch das BSG vertritt in seinem Urteil die Ansicht, dass nur vom Versorgungsvertrag erfasste Leistungen eine Vergütungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auslösen.

Als Folge dieser Rechtsprechung dürfte es für die Krankenhäuser ratsam sein, den tatsächlich angebotenen Leistungsumfang strikt an dem gültigen Versorgungsauftrag zu orientieren. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Leistungen ohne Gegenleistung erbracht werden. Dies gilt umso eher, wenn „hochwertige Leistungen“ erfolgen, ohne dass ein entsprechender Versorgungsumfang gegeben ist..
(LH)