Auf Grund der Verweisung in § 69 Abs 1 S 3 SGB V gilt Für Vergütungsforderungen von Krankenhäusern gegen Krankenkassen die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Gleiches gilt für Erstattungsansprüche von Krankenkassen gegen Krankenhausträger (Anschluss an SG Mainz vom 4.6.2014 – S 3 KR 645/13; entgegen ua BSG vom 12.5.2005 – B 3 KR 32/04 R und BSG vom 21.4.2015 – B 1 KR 11/15 R und BSG vom 23.6.2015 – B 1 KR 26/14 R)
Was ist passiert?
In der Zeit vom 14.09.2009 bis zum 19.09.2009 wurde der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte 1933 geborene Patient H. im Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt. Für diese Behandlung stellte die Klägerin der Beklagten auf Grundlage der DRG I32F (Eingriffe an Handgelenk und Hand ohne mehrzeitigen Eingriff, ohne Komplexbehandlung der Hand, ohne komplexen Eingriff, außer bei angeborener Anomalie der Hand, ohne komplexe Diagnose, mit mäßig komplexem Eingriff, Alter > 5 Jahre) unter dem 02.10.2009 einen Gesamtbetrag in Höhe von 2.581,30 Euro in Rechnung.
Am 28.10.2009 zahlte die Beklagte zunächst den gesamten Rechnungsbetrag.
Die Beklagte übersandte der Klägerin mit einem Schreiben vom 18.09.2013 eine Liste mit zwischen den Beteiligten abgerechneten Behandlungsfällen (u.a. den Behandlungsfall F…), die ihrer Auffassung nach routinemäßig ambulant durchgeführt würden. Die erforderlichen Angaben zum Grund der Aufnahme seien in den aufgeführten Fällen seien bisher nicht an die Beklagte übermittelt worden. Bei fehlender Begründung werde die Entgeltforderung des Krankenhauses nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht fällig. Dementsprechend forderte die Beklagte die Klägerin auf, bis zum 08.10.2013 in allen genannten Fällen eine entsprechende Begründung an die Beklagte zu übersenden oder eine Gutschrift per Datenträgeraustausch zu übermitteln. Wenn die Klägerin bis dahin keine entsprechende Begründung liefere, fehle es an der notwendigen Grundlage für die Abrechnungsprüfung und damit an einer Voraussetzung für den Lauf der Ausschlussfrist gemäß § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V.
Die Klägerin widersprach den Ausführungen der Beklagten woraufhin die Beklagte am 18.12.2013 eine behauptete Erstattungsforderung aus dem Behandlungsfall F. in Höhe von 773,54 Euro mit einer unstreitigen Vergütungsforderung der Klägerin gegen die Beklagte über insgesamt 4.349,80 Euro aus einer Behandlung des Versicherten C. vom 20.11.2013 bis zum 24.11.2013 in der Klinik der Klägerin verrechnete.
Am 09.12.2013 war dieser Behandlungsfall abgerechnet worden.
Die Beklagte verweist hinsichtlich der Frage der Verjährung auf die BSG-Entscheidungen vom 23.06.2015 (B 1 KR 26/14 R) und vom 21.04.2015 (B 1 KR 11/15 R), wo das BSG ausgeführt habe, dass bei Streitigkeiten über die Krankenhausvergütung die vierjährige Verjährungsfrist nach dem SGB gelte, nicht
dagegen die dreijährige Verjährungsfrist nach BGB. Daher sei zum Zeitpunkt der Aufrechnung keine Verjährung eingetreten.
Was sagt das SG Speyer dazu?
Das SG Speyer hat der Klage stattgegeben.
Nach den Ausführungen des SG Speyer ist der durch die Klägerin geltend gemachte restliche Vergütungsanspruch in Höhe von 773,54 Euro nicht nicht durch Aufrechnung der Beklagten erloschen.
Auszugsweise begründete das SG Speyer seine Entscheidung wortwörtlich oder sinngemäß wie folgt:
Es könne vorliegend offenbleiben, ob ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin bestanden hat, weil der Anspruch jedenfalls verjährt sei. Daher sei der durch die Klägerin geltend gemachte Restanspruch in Höhe von 773,54 Euro nicht durch Aufrechnung der Beklagten erloschen.
Eine Aufrechnung gemäß § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bewirke, dass Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Eine Forderung könne nach § 387 BGB gegen eine andere Forderung aufgerechnet werden, wenn zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind. Nach § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V seien die §§ 387 ff. BGB mangels entgegenstehender Spezialregelungen im Verhältnis zwischen Krankenhausträgern und Krankenkassen anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 02.07.2013 – B 1 KR 49/12 R –, Rn. 11). Dazu bedürfe es weder eines Rückgriffes auf „ungeschriebene“ Rechtsinstitute noch einer analogen Anwendung des BGB. Auch sei in § 9 Abs. 6 Satz 4 KBV-RP ausdrücklich geregelt, dass Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht und Differenzbeträge verrechnet werden können (SG Mainz, Urteil vom 11.01.2016 – S 3 KR 349/15 –, Rn. 23).
Für die seitens der Beklagten geltend gemachte Gegenforderung komme als Rechtsgrundlage ein Herausgabeanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB in Betracht. Über die Verweisung des § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V sei diese Anspruchsgrundlage bei Rechtsverhältnissen zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V anwendbar. Dazu bedürfe es keines Rückgriffes auf ein Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 – S 3 KR 645/13 –, Rn. 38 f.; SG Mainz, Urteil vom 11.01.2016 – S 3 KR 349/15 –, Rn. 23; SG Mainz, Urteil vom 01.03.2016 – S 14 KR 536/12 –, Rn. 26).
Ob ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin bestanden hat, könne vorliegend jedoch offenbleiben, weil der Anspruch jedenenfalls verjährt sei.
Nach Auffassung des SG Speyer verjähren Vergütungsforderungen von Krankenhäusern gegen Krankenkassen und Erstattungsansprüche von Krankenkassen gegen Krankenhausträger gem. § 195 BGB in drei Jahren. Damit stellt sich das SG Speyer gegen die ständige Rechtsprechung des BSG (BSG vom 12.5.2005 – B 3 KR 32/04 R und BSG vom 21.4.2015 – B 1 KR 11/15 R und BSG vom 23.6.2015 – B 1 KR 26/14 R) , dass von einer vierjährigen Verjährungsfrist gem. § 45 SGB I ausgeht. Das SG Speyer führt hierzu u.a. folgendes aus: Ohne dies auszuformulieren, ziehe das BSG der Sache nach in entsprechender Anwendung die nicht einschlägige vierjährige Verjährungsfrist des § 45 Abs. 1 SGB I und anderer Vorschriften heran, obwohl spätestens mit Einführung des § 69 Satz 3 SGB V a.F. (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V n.F.), wenn nicht bereits mit Einführung des § 61 Satz 2 SGB X, die Voraussetzung hierfür – das Bestehen einer Regelungslücke – weggefallen ist. Damit verstoße das BSG gegen das Gebot der Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz – GG -).
Gemäß § 195 BGB würde die Verjährungsfrist danach am 31.12.2012 enden. Hemmungstatbestände hätten nicht vorgelegen. Insbesondere hätte zwischen den Beteiligten keine Verhandlungen im Sinne des § 203 Satz 1 BGB stattgefunden.
Die Forderung der Beklagten gegen die Klägerin aus § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB sei daher zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vom 18.12.2013 demnach verjährt gewesen.
Die Aufrechnung mit einer Forderung, der eine Einrede entgegensteht, sei gemäß § 390 BGB ausgeschlossen. Dafür bedürfe es nicht der Erhebung der Einrede.
Die Aufrechnung sei auch nicht deshalb wirksam, weil sich Gegenforderung oder Hauptforderung zu einem bestimmten Zeitpunkt aufrechenbar gegenübergestanden hätten. Die Verjährung der Gegenforderung schließe nach § 215 BGB die Aufrechnung nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte. Die Verjährung der Gegenforderung der Beklagten sei zum Zeitpunkt der Entstehung der von der Klägerin erhobenen Hauptforderung im Dezember 2013 jedoch bereits eingetreten, so dass zu keinem Zeitpunkt eine Aufrechnungslage bestanden hätte.
Somit sei die am 18.12.2013 durch die Beklagte erklärte Aufrechnung unwirksam und die mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Vergütungsforderung nicht gemäß § 389 BGB erloschen. Der Anspruch der Klägerin selbst sei nicht verjährt. Die hierfür ebenfalls maßgebliche Verjährungsfrist von drei Jahren habe am 31.12.2016 geendet, sei jedoch durch Klageerhebung gehemmt.
Quelle: Juris das Rechtsportal
RH