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BSG, Urt. v. 28. Februar 2007 – B 3 KR 12/06 R

Im vorliegenden Fall nimmt die Krankenkasse (Klägerin) das Krankenhaus (Beklagte) im Wege der Stufenklage auf Herausgabe von medizinischen Unterlagen in 8 Behandlungsfällen an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zwecks Prüfung der sachlichen Richtigkeit der erfolgten Abrechnung der Behandlungen anhand verschiedener Fallpauschalen (1. Stufe) sowie entsprechend dem Ergebnis der Prüfung ggf. auf die Erstattung überzahlter Rechnungsbeträge (2. Stufe) in Anspruch.
In der Revision ging es nur noch um die Herausgabe der Behandlungsunterlagen (1. Stufe).

Nach den Ausführungen des BSG ist die Klage auf Herausgabe der medizinischen Unterlagen an den MDK gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V begründet.

Das BSG führte hierzu aus, dass die Krankenkassen zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung im Wege erweiternder Auslegung des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V berechtigt wären. Zwar würde der Wortlaut des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V den Krankenkassen das Recht zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung nicht ausdrücklich einräumen, jedoch sei ihnen dieses Recht im Wege erweiternder Auslegung des Gesetzeswortlauts zuzubilligen. Hierzu könne dann die Krankenkasse auch eine gutachterliche Stellungnahme des MDK einholen. Die Klägerin sei auch für die Herausgabeklage selbst zur Prozessführung befugt, weil sie ein eigenes Recht verfolge. Die Krankenkasse sei Herrin des Begutachtungsauftrages an den MDK. Nur sie selbst könne im Rahmen einer beantragten Begutachtung den Anspruch gegenüber dem Leistungserbringer auf Herausgabe von Unterlagen an den zuständigen MDK aus eigenem Recht und im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, wenn die Aufforderungen des MDK zur Herausgabe ohne Erfolg waren und der Gutachterauftrag deswegen nicht erledigt werden konnte.

Es gehe im vorliegenden Fall auch nicht um die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen gemäß § 276 Abs. 4 SGB V, sondern um die Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung. Sofern es um Prüfungen im Sinne von § 276 Abs. 4 SGB V gehe, sei das Prüfungsverfahren in der Regel spätestens dann einzuleiten, wenn die Krankenkasse nach Vorlage der Rechnung über die geforderte Vergütung Zweifel an der Notwendigkeit oder Dauer der stationären Behandlung habe. Verstoße die Krankenkasse dagegen in gravierender Weise, so sei sie nach Treu und Glauben mit solchen Einwendungen ausgeschlossen, die bis dahin hätten geltend gemacht werden können (§ 242 BGB).

Die Klägerin habe bei der Einleitung des Prüfungsverfahrens auch eine vertragliche Ausschlussfrist versäumt. Eine solche gebe es zwar aktuell in dem einschlägigen Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V. Jedoch sei der Vertrag erst am 01.01.2006 in Kraft getreten und nicht auf einen Vorgang aus dem Jahre 2000 anwendbar.

Offen bleiben konnte die Frage, ob die Prüfung dieser Rechnung und abrechnungstechnischen Richtigkeit der Krankenhausrechnung in der hier maßgebenden Zeit bis Ende 2002 auf Einzelfälle beschränkt war, wie es in dem einschlägigen Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V geregelt war, da die Klägerin eine Auffälligkeitsprüfung vorgenommen habe und jeweils im Einzelfall dem konkreten Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung nachgegangen sei.

Des Weiteren ist nach Ansicht des BSG weder der Erstattungsanspruch noch der Herausgabeanspruch verjährt.

Bereits mit BSG-Urteil vom 12. Mai 2005, Az. B 3 KR 32/04 R, hat der erkennende Senat entschieden, dass auch nach der Neuregelung der Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern vom 01.01.2000 die Vergütungsansprüche der Krankenhäuser gegen die Krankenkassen für die Behandlung von Versicherten einer 4jährigen Verjährungsfrist unterliegen. Dieser Rechtssatz sei nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen über die Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer zu den Krankenkassen grundsätzlich auf alle gegenseitigen Rechte und Pflichten zu übertragen. Auch für den Erstattungsanspruch als Kehrseite des Leistungsanspruchs gelte daher – wie für den Vergütungsanspruch – die 4jährige Verjährungsfrist. Für den Anspruch auf Übermittlung von Sozialdaten an den MDK gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V gilt insoweit ebenfalls die allgemeine sozialrechtliche Verjährung von 4 Jahren. Der Hilfsanspruch könne nicht eher verjähren als der zu sichernde Hauptanspruch.
(RH)