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Sächsisches Landessozialgericht, Beschl. v. 25. April 2008 – L 1 B 198/08 KR-ER

Der Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V ist nur für Behandlungsfälle nach dem 01. April 2007 eröffnet. In allen anderen Fällen gilt die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist von 4 Jahren.
(Leitsätze der Bearbeiter)

Der Hintergrund:
Die Beschwerdegegnerin hatte in dem von ihr betriebenen Krankenhaus in der Zeit vom 17. Mai 2004 bis 26. Mai 2004 eine gesetzlich versicherte Patientin stationär behandelt.

Am 22. Juni 2004 hatte das Krankenhaus der Krankenkasse Rechnung über knapp € 5.000 gelegt. Die Krankenkasse hatte die Rechnung beglichen.

Mit Schreiben vom 31. Juli 2007, also mehr als ein Jahr nach der Behandlung und Rechnungslegung, forderte die Krankenkasse das Krankenhaus auf, dem Medizinischen Dienst die Unterlagen für den abgerechneten Behandlungsfall wegen Codierauffälligkeiten zur Verfügung zu stellen.

Das Krankenhaus berief sich auf § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V und äußerte die Ansicht, es bestehe wegen der dort normierten 6-Wochen-Frist keine Berechtigung zur Prüfung mehr.

Auf Antrag des Krankenhauses hat das Sozialgericht Leipzig mit Beschl. v. 31. Januar 2008 – S 8 KR 312/07 ER die Krankenkasse verpflichtet, den Antrag auf Vorlage der Unterlagen an den Medizinischen Dienst zurückzunehmen.

Hiergegen hat die Krankenkasse Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht erhoben.

Die Entscheidung:
Das Sächsische Landessozialgericht hat die Entscheidung des Sozialgerichts aufgehoben und den Antrag des Krankenhauses auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Nach Ansicht des Gerichts erstrecke der Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V nur auf Behandlungsfälle, in denen der Patient nach dem 01. April 2007 ins Krankenhaus aufgenommen worden sei.

Vor allem der Wortlaut des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V würde einem anderen Verständnis entgegenstehen. Danach sei für den Beginn der 6-Wochen-Frist auf den „Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse“ abzustellen – es lasse sich dem Gesetz jedoch nicht entnehmen, dass dies für sämtliche noch offenen Prüfverfahren vor dem 01. April 2007 gelten solle. Für eine derartig weite Rückwirkung, immerhin bis zu vier Jahren, hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft.
Im Übrigen ergebe sich aus der Gesetzesbegründung wie auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, dass der Gesetzgeber nur Fälle für die Zukunft habe regeln wollen.

Für Behandlungsfälle vor dem 01. April 2007 bleibe es daher, so das Gericht weiter, bei den vor diesem Zeitpunkt anwendbaren Grundsätzen. Danach würden Vergütungsansprüche der Krankenhäuser gegen die Krankenkassen für die Behandlung von Versicherten gemäß §§ 45 SGB I, 44 Abs. 4 SGB X der regelmäßigen 4-jährigen Verjährungsfrist des Sozialrechts unterliegen.

Auch aus dem am 01. Januar 2006 in Sachsen in Kraft getretenen Landesvertrag  gemäß § 112 SGB V ergibt sich nach Ansicht des Gerichts nichts anderes. Die Fußnote 6 zu dessen § 20 Abs. 1, der das Inkrafttreten bestimme, laute ausdrücklich:
„Der Vertrag gilt ab 01. Januar für alle Aufnahmen ab diesem Zeitpunkt.“ Daraus sei abzuleiten, dass Behandlungsfälle vor dem 01. Januar 2006 von der Vereinbarung überhaupt nicht erfasst werden würden. Eine vertragsergänzende Lückenfüllung sei ausgeschlossen, weil sich die Beteiligten des Landesvertrages erklärtermaßen nur über eine Geltung ab 01. Januar 2006 hätten verständigen können.

Konsequenzen für die Praxis:
Das Sächsische Landessozialgericht hat klargestellt, dass sich der Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V ausschließlich auf die Fälle der Überprüfung derjenigen Fälle bezieht, bei denen die Krankenhausbehandlung nach dem 01. April 2007 erfolgt ist. In allen anderen Fällen bleibt für ein Krankenhaus nur die Möglichkeit, sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach die Prüfung durch den Medizinischen Dienst zeitnah vorzunehmen ist (Beschleunigungsgebot), zu berufen.

Mit den Erwägungen des Sächsischen Landessozialgerichts dürfte schließlich auch die Vorschrift über die Pflicht zur Zahlung der Aufwandspauschale auf Altfälle vor dem 01. April 2007 nicht anwendbar sein.
(RH/LH)