Nachberechnung von Krankenhausbehandlungskosten zulässig? Dazu hat das LSG Schleswig-Holstein am 10.10.2007, L 5 KR 27/07, entschieden. Da sich das Erlöschen des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses gemäß § 69 S. 3 SGB V einzig nach der zivilrechtlichen Norm des § 362 Abs. 1 BGB richte, sei ein Krankenhaus auch nach Abrechnung einer stationären Behandlung eines Versicherten befugt, Entgelte gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse nachzuerheben, so das LSG. Dem würden auch Fristbestimmungen im Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für die Abrechnung und Bezahlung der Behandlungskosten nicht entgegen stehen.
Was ist passiert?
Das Krankenhaus des klagenden Trägers hatte der beklagten Krankenkasse für die unstreitig erforderliche stationäre Krankenhausbehandlung eines ihrer Versicherten Rechnung gelegt. Die Krankenkasse hatte diese Rechnung beglichen.
Aufgrund einer fehlerhaften Codierung rechnete der Kläger ca. drei Monate danach noch einen zusätzlichen Betrag von € 58,06 bei der Beklagten ab. Diese lehnte die Nachzahlung ab.
Gegen das der Klage stattgebende Urteil des Sozialgerichts Lübeck legte die Beklagte Berufung ein.
Zur Begründung verwies sie darauf, dass nach den Regelungen des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V die Schlussrechnung innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung der Behandlung zu legen sei. Mit Begleichung dieser Rechnung sei das Vertragsverhältnis zum Krankenhaus beendet. Eine Rechnungskorrektur sei deshalb ausgeschlossen. Zudem habe die Übersendung der Rechnung einen Vertrauenstatbestand geschaffen, an dem die Beklagte sich wegen ihrer Haushalts- und Beitragsplanungen habe ausrichten müssen. Da die nachträglich geänderte Hauptdiagnose bereits bei der Aufnahme bestanden habe und der Kläger dies von Anfang gewußt habe, wäre eine richtige Erstellung der ersten Rechnung ohne Weiteres möglich gewesen.
Nachberechnung von Krankenhausbehandlungskosten zulässig? Dazu das LSG Schleswig-Holstein:
Die Entscheidung
Das LSG Schleswig-Holstein hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen und die Krankenkasse zur Zahlung verurteilt.
Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch ihren Versicherten
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch ihren Versicherten entstehe. Die Krankenkasse sei im Gegenzug zu der dem Krankenhaus obliegenden Behandlungspflicht verpflichtet, die für die Durchführung der Behandlung normativ festgelegten Entgelte zu zahlen.
Keine Regelungen in Verträgen nach § 112 Abs. 2 SGB V, oder im KHG oder im KHEntgG oder in den in § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V erwähnten Pflegesatzvereinbarungen
Weder die Verträge nach § 112 Abs. 2 SGB V, noch das KHG oder das KHEntgG oder die in § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V erwähnten Pflegesatzvereinbarungen enthielten Regelungen darüber, unter welchen Voraussetzungen der Vergütungsanspruch getilgt werde oder erlösche. Deshalb sei diese Frage gemäß § 69 Sa. 3 SGB V anhand der zivilrechtlichen Vorschriften zu beantworten.
Zahlung nur des mit der ersten Rechnung berechneten Teilbetrages führt nicht zum Erlöschen des gesamten Schuldverhältnisses
Nach § 362 Abs. 1 BGB erlösche ein Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt werde.
Der Anspruch des Krankenhauses dem Grunde nach entstehe bereits unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Da die Höhe der Forderung dabei durch ein vertragliches Regelungswerk vorbestimmt sei und nicht der Disposition der Vertragspartner unterliege, entstehe in diesem Augenblick aber zugleich der Anspruch auch bereits der Höhe nach.
Die Zahlung nur des mit der ersten Rechnung berechneten Teilbetrages führe daher nicht zum Erlöschen des gesamten Schuldverhältnisses.
Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes schliesst eine Nachforderung nicht aus
Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes sei eine Nachforderung nicht ausgeschlossen.
Zivilrechtliche Entgeltforderungen könnten selbst dann abgeändert werden, wenn eine Rechnung ausdrücklich als Schlussrechnung bezeichnet sei. Die Berechtigung zu einer Nachforderung sei nach Vertrauensschutzgesichtspunkten gemäß § 242 BGB zu ermitteln. Nachdem bereits die Formulierung des einschlägigen Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V den Grundsatz enthalte, dass eine Rechnungsübersendung „in der Regel“ innerhalb von 14 Tagen nach Entlassung erfolgen solle, wären bereits von vornherein Ausnahmen von dieser Regel zulässig. Außerdem sehe der Vertrag auch an anderer Stelle ausdrücklich vor, Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art noch nach Bezahlung geltend zu machen. Somit beinhalte auch der Vertrag selbst die Möglichkeit, ein bereits abgeschlossenes Abrechnungsverhältnis nochmals aufzugreifen.
Das Krankenhaus könne deshalb eine Nachforderung auch dann erheben, wenn bereits eine Kostenrechnung übersandt worden ist.
Konsequenz:
Mit der Entscheidung ist bundesweit erstmalig entschieden worden, dass den Krankenhäusern ein Recht zur Überprüfung ihrer eigenen Abrechnungen sowie ggf. darauf basierender Nachforderungen zusteht. Dieses Recht besteht damit nicht nur ausschließlich zu Gunsten der gesetzlichen Krankenkassen, sondern wechselseitig.
In der Praxis wird die Entscheidung insbesondere vor dem Hintergrund bedeutsam, dass seitens der Krankenkassen nahezu flächendeckend versucht wird, den Krankenhäusern dieses Recht abzusprechen. Dem hat das LSG Schleswig-Holstein eine deutliche Absage erteilt und die Position der Krankenhäuser erheblich verbessert.
Dazu siehe auch: https://raheinemann.de/ersatz-von-verzugsschaden-bei-verspaeteter-zahlung-von-krankenhausrechnung/