Mehr Infos

AG Elsmhorn, Urt. v. 19. Januar 2011 – 49 C 57/10

1.) Der Gegenstandswert für die Verteidigung gegen die erst- und einmalige Abmahnung wegen des Verbreitens des Musikalbums „Westernhagen – Williamsburg“ über eine Internet-Musiktauschbörse („Filesharing“) beträgt € 2.000,00. Allein die Tatsache, dass der Abmahner unvertretbar hohe Streitwerte in der Abmahnung aufführt, hat nicht zur Folge, dass dieser Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Abwehr von Abmahnungen zu Grunde zu legen ist.
2.) Die bloße Länge eines auf Basis von Textbausteinen gefertigten Schreibens führt ebensowenig wie die bloße thematische Zugehörigkeit zu einem Rechtsgebiet, das weit überwiegend von hierauf spezialisierten Anwälten bearbeitet wird, nicht zu einer Erhöhung des angemessenen Gebührensatzes.

(Leitsätze des Bearbeiters)

Der Fall:
Die Inhaberin der Urheber- und Leistungsschutzrechte an dem Musikalbum „Westernhagen – Williamsburg“ verlangte vom Beklagten mit einer Abmahnung die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung von Schadensersatz. In der Abmahnung hieß es, dass die dafür fälligen Rechtsanwaltsgebühren sich nach einem Streitwert von mindestens € 30.000,00 berechnen würden. Danach wäre allein für Rechtsanwaltskosten bereits ein Betrag in Höhe von € 1.005,45 fällig geworden. Gleichwohl wurde dem Beklagten das Angebot zu pauschaliertem Schadensersatz in Höhe von € 680,00 unterbreitet.

Der Beklagte beauftragte einen als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz zugelassenen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung. Der Rechtsanwalt wies die Forderungen der Rechteinhaberin zurück. Zugleich hinterlegte er bei 24 der 116 Landgerichte in Deutschland so genannte Schutzschriften. Diese haben allgemein den Zweck, den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung zu verhindern. Beim Landgericht des allgemeinen Gerichtsstandes des Beklagten an seinem Wohnsitz wurde keine Schutzschrift hinterlegt.

Schließlich nahm der Beklagte auf Rat seines Anwalts ein auf € 400,00 reduziertes Vergleichsangebot der Rechteinhaberin an.

Danach legte der Rechtsanwalt des Beklagten Rechnung über fast € 2.300. Der Rechnung lag ein Gegenstandswert von € 30.000,00 sowie eine Geschäftsgebühr mit einem Satz von 1,9 sowie eine Verfahrensgebühr mit einem Satz von 1,3 zu Grunde.

Die Entscheidung:
Das AG Elmshorm hat den Beklagten lediglich zur Zahlung von € 150,42 verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die anwaltliche Tätigkeit sei lediglich nach einem Gegenstandswert in Höhe von € 2.000,00 und mit einem Gebührensatz von 0,8 zu vergüten.

Die Abmahnung habe das Ziel verfolgt, ein weiteres Anbieten der geschützten Musiktitel zu verhindern. Dieses Interesse stehe nicht in mathematischer Abhängigkeit zur Zahl der ins Netz gestellten Titel. Vielmehr seien die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Dabei komme es insbesondere darauf an, ob es sich um einen erst- oder einmaligen Verstoß handele. Auch der Umfang und das Ausmaß der Rechtsverletzung sowie der mögliche Schaden, der bei Fortsetzung des abgemahnten Verhaltens drohe, sei einzubeziehen.

Eine abschreckende oder gar sanktionierende Wirkung komme der Streitwertbestimmung nicht zu. Diese orientiere sich einzig am Wertinteresse des Abmahners und an der Intensität der Rechtsverletzung.

Angesichts der Tatsache, dass vorliegend sich der Vorwurf auf das Online-Stellen von nur 12 Titeln eines Musikalbums, es sich andererseits aber um ein recht aktuelles Album gehandelt habe und somit die Gefahr höherer Download-Zahlen gegeben gewesen sei, sie der Streitwert auf € 2.000,00 zu schätzen. Es sei zu berücksichtigen, dass es sich um einen erst- und einmaligen Verstoß gehandelt habe. Dieser sei zudem nur von kurzer Dauer gewesen. Der Rechteinhaber habe den Verstoß nämlich nur für einen bestimmten Moment, nicht aber für eine bestimmte Dauer, dargelegt.

Allein die Tatsache, dass der abmahnende Rechteinhaber – vielleicht auch mit dem Ziel, mögliche Rechtsverletzer abzuschrecken oder durch die Nennung eines hohen Streitwerts zur Annahme des angebotenen pauschalen Schadensersatzes zu bewegen – unvertretbar hohe Streitwerte in der Abmahnung aufführt, führt nicht dazu, dass dieser mitunter wahllos gegriffene „angedrohte“ Streitwert auch als Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Abwehr von Abmahnungen zu Grunde zu legen ist.

Zudem sei lediglich ein Gebührensatz von 0,8 berechtigt. Der Rechtsanwalt betreibe die Abwehr von Abmahnungen in so großer Zahl, dass es sich bei der vorliegenden Verteidigung um ein routinemäßig, mit Textbausteinen erstelltes Schreiben einfacher Art handele. Die bloße Länge eines auf Basis von Textbausteinen gefertigten Schreibens führt ebensowenig wie die bloße thematische Zugehörigkeit zu einem Rechtsgebiet, das weit überwiegend von hierauf spezialisierten Anwälten bearbeitet wird, auch nicht zu einer Gebührenerhöhung auf den Satz von 1,9.

Der Beklagte schulde schließlich keine Vergütung für die Hinterlegung von Schutzschriften. Dafür habe keine Notwendigkeit bestanden. Es habe an einem über den Versuch der Verhinderung der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung hinausgehenden Nutzen daran für den Beklagten gefehlt. Der Auftrag habe lediglich beinhaltet, Schutzschriften zu hinterlegen, wenn und soweit dies für die Abwehr der Ansprüche erforderlich war.

Konsequenzen für die Praxis:
Interessant sind die Ausführungen zum Gegenstandswert der Verteidigung gegen eine Abmahnung. Hält man sich vor Augen, dass das Vornahmeinteresse des abmahnenden Rechteinhabers und das Abwehrinteresse des Abgemahnten nicht unterschiedlich hoch sein können, kommt der Entscheidung auch eine über den Einzelfall hinausgehende Relevanz zu. Jedenfalls finden sich gute Argumente, die auch überhöhten Streitwerten des Abmahners entgegengehalten werden können.

Einen ähnlich gelagerten Fall hat bereits auch das LG Magdeburg mit Urt. v. 08. September 2010 – 2 S 226/10 entschieden. Das LG Magdeburg hat einen außergerichtlichen Vergütungsanspruch in Höhe von € 603,93 für begründet erachtet. Basis bildete ein Gegenstandswert in Höhe von € 6.200,00.

Ob es in Elmshorn und Magdeburg um Vergütungsansprüche desselben Anwalts ging, ist uns nicht bekannt. Wir waren nur im Verfahren in Magdeburg tätig.
(LH)