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AG Magdeburg, Urt. v. 04. August 2010 – 140 C 2640/09

1.) Bei einer urheberrechtlichen Abmahnung wegen des öffentlichen Zugänglichmachens einer Kraftfahrzeug-Diagnose-Software, hier: Bosch ESI[fusion_builder_container hundred_percent=“yes“ overflow=“visible“][fusion_builder_row][fusion_builder_column type=“1_1″ background_position=“left top“ background_color=““ border_size=““ border_color=““ border_style=“solid“ spacing=“yes“ background_image=““ background_repeat=“no-repeat“ padding=““ margin_top=“0px“ margin_bottom=“0px“ class=““ id=““ animation_type=““ animation_speed=“0.3″ animation_direction=“left“ hide_on_mobile=“no“ center_content=“no“ min_height=“none“][tronic], über ein Filesharing-System im Internet ist ein Gegenstandswert in Höhe von € 20.000 als Grundlage des Kostenerstattungsanspruch nicht zu beanstanden.
2.) Die Häufigkeit von Rechtsverletzungen in Form des öffentlichen Zugänglichmachens  in einem Filesharing-System über das Internet und die sich daraus ergebende Routine bei der Rechtsverfolgung ist kein Argument für die Annahme eines einfach gelagerten Falles im Sinne von § 97a Abs. 2 UrhG. Eine Beschränkung der Rechtsanwaltsgebühren auf € 100,00 kommt daher nicht in Betracht.

(Leitsätze des Bearbeiters)

Der Fall:
Die Parteien stritten um Abmahnkosten.

Die Klägerin war Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an der Kfz-Diagnose-Software „Bosch ESI[tronic]“. Sie hatte mit Hilfe der von ihr beauftragten Logistep AG festgestellt, dass über den Internet-Anschluss der Beklagten eine Datei, die diese Software beinhaltete, im Rahmen der Beteiligung an einem so genannten Filesharing-System über das Internet („Internet-Tauschbörse“) andere Computer-Nutzern zum Download angeboten worden war.

Nach Ermittlung der Adresse der Beklagten unter Inanspruchnahme der Staatsanwaltschaft mahnte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte ab. Sie forderte zum einen die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Zum anderen beanspruchte sie die Zahlung der Kosten für die anwaltliche Bearbeitung der Abmahnung in Höhe von € 1.059,80 sowie Schadensersatz in Höhe von € 5.000,00. Die Anwaltskosten berechnete sie unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes in Höhe von € 20.000,00 sowie einer Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 1,3. Zu der sich danach ergebenden Gebühr zzgl. Kostenpauschale in Höhe von € 859,80 addierte die Klägerin noch Gebühren für das Tätigwerden ihrer Anwälte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens in Höhe € 150,00.

Die Beklagte räumte die Urheberrechtsverletzung ein und gab eine modifizierte Unterlassungserklärung ab. Eine Zahlung erfolgte nicht. Nachdem die Klägerin ihren Rechtsanwälten mitgeteilt hatte, dass sie auf die Weiterverfolgung von Schadensersatz verzichtete, machte die Klägerin nunmehr noch die Abmahnkosten in Höhe von € 1.059,80 vor Gericht geltend.

Die Entscheidung:
Das Amtsgericht Magdeburg hat der Klage in voller Höhe stattgegeben.

Der Anspruch dem Grunde nach ergebe sich unter Heranziehung der Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag aus §§ 683, 670 BGB. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts für die Vornahme der Abmahnung sei schon deshalb erforderlich gewesen, weil die Identität der Beklagten erst im Rahmen des Strafverfahrens im Wege der Akteneinsicht gemäß § 475 StPO möglich gewesen sei.

Die Höhe der entstandenen Abmahnkosten sei nicht zu beanstanden.

Für den der Abmahnung zugrunde zu legenden Streitwert sei gemäß § 3 ZPO auf die Beeinträchtigung durch das beanstandete Verhalten sowie die begehrte Maßnahme  abzustellen. Maßgeblich sei also der Wert des Unterlassungsbegehrens der Klägerin.

Die Klägerin hat im Rahmen des Abmahnschreibens einen Streitwert in Höhe von 20.000,00 € zugrunde gelegt. Dabei sei zu beachten gewesen, dass die Klägerin ein erhebliches Interesse daran hat, Rechtsverletzungen durch Filesharing-Systeme zu unterbinden. Insbesondere auch im Hinblick auf zu erwartende Umsatzrückgänge der Klägerin, wenn Dritte die Software kostenlos über das Internet herunterladen können.  Umstände, die eine  Herabsetzung des Streitwertes rechtfertigen könnten, seien weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen.

Auch das Ansetzen einer 1,3 fachen Gebühr sei nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte, die eine Herabsetzung vom Regelsatz rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.

Des Weiteren sei auch die Gebühr für das Tätigwerden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Rahmen des Ermittlungsverfahrens in Höhe von 70,00 € bzw. 150,00 € nicht zu beanstanden.

Entgegen der Ansicht der Beklagten komme auch eine Beschränkung der Rechtsanwaltsgebühren auf € 100,00 gemäß § 97a Abs. 2 UrhG nicht in Betracht. Ein einfach gelagerter Fall liege nicht vor. Insbesondere sei die Häufigkeit solcher Rechtsverletzungen und der sich hieraus ergebenen Routine bei der Rechtsverfolgung  kein Argument für die Annahme eines einfach gelagerten Falles. Auch der Hinweis der Beklagten, sie habe nicht gewerblich gehandelt, rechtfertige eine abweichende rechtliche Entscheidung nicht.

Konsequenzen für die Praxis:
Auf einige Verwunderung stößt zunächst, dass die Klägerin auf die Verfolgung von Schadensersatz für die urheberrechtswidrige Verbreitung selbst verzichtet und sich lediglich auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen für die Kosten ihrer Rechtsanwälte beschränkt hatte. Die Rechtsverfolgung durch die Klägerin hat daher, auch wenn sie letztlich erfolgreich war, keinerlei wirtschaftlichen Vorteil für die Klägerin gebracht, wenn sie sämtliche Anwaltskosten tatsächlich an ihre Anwälte gezahlt haben sollte.

Soweit sich das Urteil mit der Kostentragungspflicht dem Grunde nach befasst, sind die Ausführungen nicht zu beanstanden.

Allerdings überzeugt es kaum, wenn das Gericht zur Frage der Angemessenheit des Gegenstandswerts der Abmahnung lediglich ausführt, dass Umstände, die eine Herabsetzung rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich sind. Die Bemessung des Gegenstandswertes liegt nämlich nicht im freien Ermessens des Abmahners, dessen Entscheidung vom Gericht dann nur noch – und darauf würde die Ansicht des AG Magdeburg hinauslaufen – vom Gericht auf Billigkeit kontrolliert werden würde. Vielmehr sind im Rahmen einer Abmahnung lediglich die „erforderlichen Kosten“ zu erstatten. Dies macht eine eigene Befassung des erkennenden Gerichts mit der Höhe des vom Abmahner angesetzten Gegenstandswerts notwendig.

Zu kurz greift ferner die Begründung des Gerichts, aufgrund der Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zur Feststellung der Identität der Beklagten ergebe sich auch die Erforderlichkeit der Kosten für die Abmahnung. So kann zwar im Strafverfahren gemäß § 475 StPO nur ein Rechtsanwalt Akteneinsicht erhalten. Doch folgt daraus allein nur die Notwendigkeit der Beauftragung des Abmahn-Anwalts im Ermittlungsverfahren. Dennoch sind ist das vom Gericht gefundene Ergebnis kaum zu beanstanden, da nach der Rechtsprechung selbst Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung sich zur Vornahme von Abmahnungen regelmäßig externer Anwälte bedienen dürfen.

Dass, wie das Gericht ausführt, allein die Häufigkeit von Urheberrechtsverletzungen in Filesharing-Systemen und die sich daraus ergebende Routine kein Argument für die Annahme eines einfach gelagerten Falles im Sinne von § 97a Abs. 2 UrhG sei kann, mag zutreffen. Allerdings gibt es weit mehr Anhaltspunkte, die für einen einfachen Fall sprechen könnten.

Hinsichtlich der Ausführungen des Gerichts zu einer fehlenden Gewerblichkeit sei schießlich lediglich bemerkt, dass in § 97a Abs. 2 UrhG ohnehin nicht von einem fehlenden gewerblichen Handeln spricht. Viemehr ist dort die Rede von einem Handeln „außerhalb des geschäftlichen Verkehrs“.
(LH)[/fusion_builder_column][/fusion_builder_row][/fusion_builder_container]