Mehr Infos

BGH, Urteil vom 06. November 2013 – VIII ZR 353/12

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Online-Shops eines Möbelhauses, das auf Wunsch des Kunden auch den Aufbau der gekauften Möbel beim Kunden anbietet, hält die Regelung
„§ 4 Versand; Gefahrübergang; Versicherung
(1) Wir schulden nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen und sind für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich.“
der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, § 309 Nr. 7 lit. b BGB nicht stand. Sie ist daher unwirksam. Das hat der BGH mit Urteil vom 06.11.2013 – VIII ZR 353/12 entschieden.

Was war passiert?
In der Möbelbranche ist es üblich, dass der Käufer die Ware nicht nur beim Verkäufer abholt, sondern der Verkäufer die Ware zum Kunden liefert und dort auch aufbaut. Erfolgt die Auslieferung verspätet oder unsachgemäß, lehnen Verkäufer die Verantwortung für den Transport der Kaufsache ab mit Hinweis auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), in denen bestimmt ist, dass sie ihre Leistungspflicht durch Übergabe an den Transporteur erfüllt hätten und für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich seien. Der BGH (Urt. v. 16.07.2003 – VIII ZR 302/02) geht beim Versandhandel von einer Schickschuld aus, bei der mit Übergabe der Sache an den Transporteur die Gefahr auf den Käufer übergeht (§ 447 Abs. 1 BGB).

Der BGH hatte zu entscheiden, ob dies auch gilt, wenn das Möbel nicht nur versandt, sondern zum Käufer geliefert und dort noch aufgebaut werden muss. Auf die Klage eines Verbraucherverbands gegen eine Möbelhändlerin stellte sich die Frage, ob in diesem Fall eine Bringschuld vorliegt, bei der die Gefahr erst mit Übergabe der Sache an den Käufer auf diesen übergeht (§ 446 Abs. 1 BGB).

Im Einzelnen:

Der Kläger ist ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UklaG eingetragener Verbraucherverband. Die Beklagte betreibt als Möbelhändlerin auch einen Online-Shop. In deren AGB ist geregelt:

„§ 4 Versand; Gefahrübergang; Versicherung
(1) Wir schulden nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen und sind für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich.“

Der Kläger hält § 4 Abs. 1 der AGB für unwirksam und nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung dieser Klausel gegenüber Verbrauchern in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Was sagt der BGH dazu?
Der BGH hat entschieden, dass eine AGB-Regelung, nach der die Beklagte nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen schulde und für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich sei, der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB nicht standhalte.

Zwar übernehme der Verkäufer bei Geschäften im Versandhandel in der Regel keine Bringschuld, sondern nur eine Schickschuld. Diese Vermutung greife nicht, wenn sich aus der Natur des Vertrages, in welchem sich die Beklagte zur Montage der vom Kunden online bestellten Möbel verpflichte, etwas anderes ergebe. Da die Beklagte die gekauften Möbel beim Käufer aufzubauen hatte, seien Lieferung und Montage der Kaufsache untrennbar miteinander verbunden. Die Montage der gekauften Möbel als vertraglich geschuldete Leistung des Verkäufers könne nur beim Kunden erbracht und nur dort als Leistungsort i.S.d. § 269 Abs. 1 BGB festgestellt werden, ob die Kaufsache vertragsgemäß geliefert und aufgebaut wurde. Deshalb handele es sich abweichend vom Regelfall des Versandhandels nicht um eine Schickschuld, sondern um eine Bringschuld der Beklagten.

§ 4 Abs. 1 der AGB sei dahin auszulegen, dass sich die Regelung auch auf Kaufverträge beziehe, die eine Bringschuld der Beklagten zum Gegenstand hätten. Es sei unerheblich, ob die Montage der online verkauften Möbel zusätzlich vereinbart werden musste. Die Regelung benachteilige den Kunden eines solchen Vertrages unangemessen, wenn die Verkäuferin nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen schulden soll. Damit weiche sie ohne sachlichen Grund von der gesetzlichen Regelung über den Leistungsort (§ 269 Abs. 1 BGB) ab und verändere dadurch den Gefahrübergang (§ 446 BGB) zum Nachteil des Kunden (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Soweit § 4 Abs. 1 der AGB darüber hinaus bestimme, dass die Beklagte für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich sei, schließe sie bei vereinbarter Bringschuld entgegen den §§ 278, 280 Abs. 1 BGB die Verantwortung der Beklagten für den Transport der Kaufsache in sachlich nicht gerechtfertigter Weise aus; auch insoweit sei § 4 Abs. 1 der AGB wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners der Beklagten unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB). Darüber hinaus verstoße der Haftungsausschluss gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 lit. b BGB.

Was lernen wir daraus?
Diese Entscheidung hat nicht nur Bedeutung für die Möbelbranche, sondern für den gesamten sich immer weiter zunehmenden Online-Versandhandel.

Der Senat hat Klarheit geschaffen in Fortführung seines Urteils vom 16.07.2003 (VIII ZR 302/02), wonach es sich beim bloßen Versand um eine Schickschuld handelt. Sind über den Versand hinaus beim überregionalen Kunden noch Serviceleistungen zu erbringen, ohne die der Kaufvertrag praktisch nicht erfüllbar wäre, dann liegt eine Bringschuld vor. Dann geht nach der gesetzlichen Regelung die Gefahr erst mit Übergabe der Sache an den Käufer auf diesen über (§ 446 Abs. 1 BGB). Der Verkäufer kann diese gesetzliche Gefahrtragungsregelung in seinen AGB nicht gegenüber Verbrauchern ausschließen.
(LHW)