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Am 18.12.2017, Az. XI ZR 152/17, hat der BGH entschieden, dass die Bank bei einem Finanzierungsberatungsvertrag mit der Koppelung von Krediten an Wechselkurse gegenüber dem Darlehensnehmer die Verpflichtung zur Aufklärung über die spezifischen Nachteile und Risiken und die vertragsspezifischen Besonderheiten der empfohlenen Finanzierungsform hat.

Was ist passiert?

Klägerin ist eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen mit rund 18.000 Einwohnern. Zur Ablösung eines noch laufenden Darlehens schlossen die Klägerin und die beklagte Bank im Juni 2007 einen Darlehensvertrag über etwas mehr als 3 Mio. Euro bei einer Laufzeit von 38 Jahren ab. Der Zinssatz sollte in den ersten 20 Jahren 3,99% p.a. betragen, wenn der Wechselkurs des Euro zum Schweizer Franken (CHF) größer oder gleich 1,43 war. Der jährliche Zinssatz sollte 3,99% zuzüglich der Hälfte der Wechselkursänderung zu 1,43 betragen, sobald der Euro unter diese Grenze fiel. Dabei sollte sich nach den vertraglichen Vereinbarungen die „Wechselkursänderung, dargestellt in Prozent, … aus der Division des Referenzwechselkurses von 1,43 CHF für 1 Euro und dem am Feststellungstag veröffentlichten Wechselkurs des Euro in Schweizer Franken, minus 1“ errechnen.

Mehrere Beratungsgespräche zwischen den Parteien waren dem Vertragsschluss vorausgegangen, in denen die Beklagte der Klägerin als weitere Möglichkeiten einer Umschuldung eine Fortführung des bestehenden Darlehens zu aktuellen Konditionen und eine Finanzierung in Schweizer Franken zu etwas höheren festen Zinsen (als in dem letztendlich abgeschlossenen Darlehensvertrag) für die gesamte Laufzeit vorgestellt hatte. Die Beklagte wies in den Präsentationen für den streitgegenständlichen Darlehensvertrag unter anderem darauf hin, dass die Schweizerische Nationalbank bei einer Aufwertung des Schweizer Franken eine Nullzinspolitik verfolge und die Schwelle von 1 Euro zu 1,45 CHF deren Interventionspunkt sei. Die Präsentation enthielt außerdem eine Tabelle, die für Wechselkurse von 1,39 bis 1,65 den jeweiligen Zinssatz aufwies. Dieser war für Kurse von 1,43 bis 1,65 mit 3,99% angegeben und stieg ab einem Kurs von 1,42 bis zu einem Kurs von 1,39 schrittweise von 4,34% auf 5,43% an. Mit dem Hinweis „Barriere“ war zwischen den Kursen von 1,43 und 1,42 ein fettgedruckter Trennstrich eingezeichnet. Der Hinweis „Niedrigstes historisches Niveau“ erfolgte zu dem Wechselkurs von 1,44 erfolgte, der Hinweis „Untere Schwelle des Zielkorridors der SNB“ zu dem Wechselkurs von 1,45. Der Hinweis „Aktuelles Niveau“ befand sich über dem Wechselkurs von 1,64 befand sich. Der Schweizer Franken wertete in der Folgezeit stark auf, so dass die von der Klägerin zu zahlenden Zinsen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zuletzt 18,99% p.a. betrugen. Nach Ansicht der Klägerin ist der Darlehensvertrag sittenwidrig und damit nichtig. Außerdem sei sie von der Beklagten insbesondere im Hinblick auf das Wechselkursrisiko nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Die Klägerin verlangt mit der Klage die Rückzahlung der an die Beklagte geleisteten Zinsen und wendet sich gegen die weitere Inanspruchnahme aus dem Darlehensvertrag. Im Wege der Widerklage begehrt die Beklagte die Zahlung rückständiger Zinsen.

Die Klage wurde vom Landgericht Berlin mit Urteil v. 19.02.2015 – 37 O 24/14 –
abgewiesen und der Widerklage im Wesentlichen stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung ist beim KG, Urt. v. 08.02.2017, – 26 U 32/15 -,
ohne Erfolg geblieben.

Was sagt der BGH dazu?

Auf die vom KG zugelassene Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das KG zurückverwiesen.

Dem Berufungsgericht ist nach Auffassung des BGH darin zuzustimmen, dass der Darlehensvertrag nicht nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist. Zu dem für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe nach den unangegriffenen Feststellungen des Kammergerichts der vertragliche Zinssatz unterhalb des Marktzinses gelegen; bei anderer Entwicklung des Wechselkurses hätte sich die Klägerin besser gestellt als bei Fortführung des umgeschuldeten Darlehens.

Anders als die Vorinstanzen hat dagegen der BGH eine zum Schadensersatz verpflichtende Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten bejaht. Die Bank treffe nach der Rechtsprechung des BGH bei einem – wie hier zustande gekommenen – Finanzierungsberatungsvertrag gegenüber dem Darlehensnehmer die Verpflichtung zur Aufklärung über die spezifischen Nachteile und Risiken und die vertragsspezifischen Besonderheiten der empfohlenen Finanzierungsform. Die Beklagte habe diese Pflicht verletzt. Zwar sei aus dem Vertrag die Abhängigkeit von Wechselkurs und Zinshöhe ohne weiteres erkennbar gewesen. In den Präsentationsunterlagen habe die Beklagte aber die Risiken der von der Klägerin übernommenen wechselkursbasierten Zinszahlungsverpflichtung nicht hinreichend deutlich gemacht, indem sie weder auf das Fehlen einer Zinsobergrenze ausdrücklich hingewiesen noch im Hinblick auf die lange Laufzeit des Darlehens die zinsrelevanten Folgen einer nicht nur unerheblichen Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber dem Euro ausreichend deutlich beschrieben habe. Sie habe das Wechselkursrisiko ganz im Gegenteil durch die deutlich hervorgehobenen Hinweise auf die Politik der Schweizerischen Nationalbank und das Wechselkursniveau der vergangenen Jahre im Hinblick auf die lange Laufzeit des Darlehens verharmlost und diesen Eindruck durch die einseitige Darstellung der Vorteile des empfohlenen Darlehens im Vergleich zu einer Fortführung des bestehenden Darlehens noch verstärkt.

Das Berufungsgericht werde nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache auf der Grundlage der Rechtsausführungen des BGH die erforderlichen weiteren Feststellungen zu treffen haben. Insbesondere gelte dies auch im Hinblick auf die Schadenshöhe. Eine Rückabwicklung des Darlehensvertrags rechtfertige entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts eine Aufklärungspflichtverletzung aus einem Finanzierungsberatungsvertrag grundsätzlich nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH führe eine Aufklärungspflichtverletzung hier vielmehr lediglich zu einem Anspruch auf Ersatz der durch die gewählte Finanzierung entstandenen Mehrkosten.

 

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 197/2017 v. 19.12.2017 und Juris das Rechtsportal

RH