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Zum Gesetzentwurf zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten hat der Deutsche Richterbund (DRB) hat eine Stellungnahme abgegeben.

Die Entkoppelung von Unterbringung und ärztlicher Zwangsmaßnahme im Betreuungsrecht durch Schaffung jeweils eigenständiger materiell-rechtlicher Normen mit jeweils eigenem richterlichem Genehmigungsvorbehalt, begrüßt der Deutsche Richterbund. Es erscheine jedoch nicht mehr vertretbar, dass verfahrensrechtlich die ärztliche Zwangsmaßnahme als Unterbringungssache definiert werde; dies stehe in direktem Widerspruch zu dem Anliegen des Gesetzentwurfs. Auszugsweise führte der Deutsche Richterbund  in seiner Stellungnahme aus:

„Die angesprochene Trennung der ärztlichen Zwangsmaßnahme von Unterbringung geschieht im materiellen Recht durch die Schaffung eines neuen § 1906a BGB-E. In der Folge werden im § 1906 BGB-E singulär die Unterbringung und die sogenannten unterbringungsähnlichen Maßnahmen sowie in der neu zu schaffenden Vorschrift ausschließlich die ärztliche Zwangsmaßnahme behandelt. Dies geht prinzipiell in die richtige Richtung, doch wäre eine Ansiedlung der Regelung in der Nähe von § 1904 BGB inhaltlich Stellungnahme sinnvoller gewesen, um die Trennung von Unterbringung und Behandlung deutlicher zu machen.

Diese Kritik wird fundamental im Hinblick auf die verfahrensrechtliche Ausgestaltung im vorgeschlagenen Entwurf. Nach dem Entwurf soll in § 312 FamFG-E, der bekanntlich einleitet „Unterbringungssachen sind“, weiterhin die ärztliche Zwangsmaßnahme verortet sein. Dies erscheint vor dem Hintergrund der genannten Prämisse der Trennung der beiden Institute nicht mehr vertretbar. Die ärztliche Zwangsmaßnahme muss nachgerade zwingend in einem eigenen Abschnitt des Dritten Buches des FamFG angesiedelt sein. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich der Begriff der ärztlichen Zwangsmaßnahme auseinanderdividiert,nämlich in einen entkoppelten Begriff der ärztlichen Zwangsmaßnahme (§ 1906a BGB-E) sowie in einen weiterhin unterbringungs-dominierten Begriff der ärztlichen Zwangsmaßnahme (§§ 312 ff. FamFG-E). Dieser Bruch kann zu weiteren Auslegungsschwierigkeiten in der Praxis führen.

 Längst überfällig war, dass die Regelung zur Bestellung eines Verfahrenspflegers im Verfahren über die Genehmigung der ärztlichen Zwangsmaßnahme aus der Vorschrift über die Begriffsbestimmung herausgenommen wurde. Die wesentlichen Voraussetzungen für die ärztliche Zwangsmaßnahme des neu zu schaffenden § 1906a BGB entsprechen der bisherigen Rechtslage und der dazu ergangenen Rechtsprechung und sind daher nicht durchgreifend zu kritisieren. Unglücklich ist aber, dass in § 1906a BGB zwar der Regelungsgehalt der bisherigen Absätze 3, 3a übernommen wird, dass allerdings die Reihenfolge der Ziffern gänzlich verändert wurde. Begrüßenswert ist die Konkretisierung der Voraussetzungen des Überzeugungsgesprächs in Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der neuen Vorschrift. Sie entsprechen wörtlich dem bereits 2013 in der amtlichen Begründung aufgeführten Charakter des Gesprächs und sind letztlich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2011 zurückzuführen. Entscheidungen des BGH (v. 04.06.2014 –XII ZB 121/14; v. 30.07.2014–XII ZB 169/14) zeigen indes, dass die Einhaltung dieser Vorgabe der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Im Besonderen sind die Schwierigkeiten in Verfahren über die Verlängerung einer genehmigten ärztlichen Zwangsmaßnahme zu beobachten. Des Weiteren sollte erwogen werden klarzustellen, dass aufgrund ihrer verfahrensrechtlichen Stellung weder das Betreuungsgericht noch gerichtlich bestellte Sachverständige Überzeugungsversuche durchführen dürfen.

 Die ambulante Zwangsmaßnahme wird weiterhin nicht eingeführt. Dies erscheint vor dem Hintergrund vertretbar, dass durch die neue Regelung etliche Fälle rein somatischer Erkrankung nunmehr in darauf spezialisierten Kliniken behandelt werden können, sodass sich der Anwendungsbereich einer eventuellen ambulanten Zwangsbehandlung gegenüber der jetzigen Gesetzeslage reduziert.

Sehr begrüßenswert ist, dass in § 1906 Abs. 4 BGB nunmehr der Genehmigungsvorbehalt für sogenannte unterbringungsähnliche Maßnahmen unabhängig davon besteht, dass die Betroffenen im technischen Sinne untergebracht sind oder nicht. Dies entspricht dem Stand der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (zuletzt vor allem BGH v. 28.7.2015–XII ZB 44/15). Eine aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes herrührende Unsicherheit wird so beseitigt.“

 

Quelle: Pressemitteilung des DRB v. 06.01.2017 und Juris das Rechtsportal

 

RH