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Viele Menschen setzen die Begriffe Erbe und Vermächtnis gleich – im juristischen Sinne liegen jedoch klare Unterschiede vor. Während Erben den gesamten oder einen Anteil am Nachlass des Erblassers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) übernehmen – einschließlich möglicher Schulden –, erhält der Vermächtnisnehmer nur einen sogenannten Vermögensvorteil (§ 1939 BGB) in Form eines bestimmten Gegenstandes, einer Geldsumme oder ein Recht aus dem Vermögen.

Diese Unterscheidung ist nicht nur für die rechtliche Gestaltung eines Testaments entscheidend, sondern auch für steuerliche Fragen und die Durchsetzung eigener Ansprüche im Erbfall. Dieser Ratgeber zeigt verständlich, wie sich Erbschaft und Vermächtnis unterscheiden, welche Folgen die jeweilige Anordnung hat und worauf man bei der Formulierung im Erbrecht achten sollte. Bei der Regelung des Nachlasses ist die Zielsetzung, Orientierung zu geben und Fehlentscheidungen zu vermeiden, bevor ein Testament, auch als Berliner Testament, aufgesetzt oder ausgelegt wird.

Im folgenden Ratgeber erklären wir Ihnen, wann Erbe oder Vermächtnis die richtige Wahl ist. Außerdem schlüsseln wir Ihnen die verschiedenen Vermächtnisarten auf, zeigen auf, wie Sie ein Vermächtnis formulieren und geben Ihnen Praxisbeispiele an die Hand.

Erbe: von Gesetzes wegen oder aufgrund Testament oder Erbvertrag

Ein Erbe ist die Person, die im Erbfall den gesamten oder einen Bruchteil des Nachlasses des Erblassers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) übernimmt. Der Erblasser kann durch einseitige Verfügung von Todes wegen (Testament, letztwillige Verfügung) den Erben bestimmen (§ 1937 BGB) oder durch Erbvertrag einen Erben einsetzen (§ 1941 BGB). Die gesetzliche Erbfolge gilt, wenn im Testament oder Erbvertrag eindeutig darauf verwiesen wird oder wenn weder Testament noch Erbvertrag vorhanden sind.

Erben treten in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Das bedeutet: Sie erhalten dessen Vermögen, Immobilien oder Gegenstände, übernehmen aber auch eventuelle Schulden. Die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten beschränkt sich auf den Nachlass, wenn eine Nachlassverwaltung zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist (§ 1975 BGB).

Neben den Erben können weitere Personen im Testament oder Erbvertrag bedacht werden, zum Beispiel durch Vermächtnisse oder einen Pflichtteil. In einer Erbengemeinschaft müssen sich mehrere Erben gemeinsam um die Verwaltung und Aufteilung des Nachlasses kümmern, was in der Praxis häufig zu Konflikten führt.

Vermächtnis: gezielte Zuwendung im Testament oder Erbvertrag

Ein Vermächtnis im Testament ist eine Anordnung des Erblassers, mit der dieser einer bestimmten Person – dem Vermächtnisnehmer – einen Vermögensvorteil in Form eines klar definierten Gegenstandes, einer Geldsumme oder eines anderen Rechts aus dem Nachlass zuwendet. Anders als der Erbe wird der Vermächtnisnehmer nicht Teil der Erbengemeinschaft und haftet auch nicht für mögliche Schulden des Nachlasses. Im Gegensatz zum Erben, der in alle Rechte und Pflichten des Erblassers als dessen Gesamtrechtsnachfolger eintritt, bekommt der Vermächtnisnehmer “nur” einen Vermögensvorteil zugewendet. Beispiele für Vermächtnisse sind etwa ein bestimmtes Schmuckstück, ein Kunstwerk, eine Immobilie oder auch ein Geldbetrag.

Beim Vermächtnis nur ein Anspruch auf Erfüllung

Der Vermächtnisnehmer hat einen Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses und dementsprechend auf Übertragung eines solchen, ihm zugewandten Gegenstandes. Der Vermächtnisnehmer wird mit Eintritt des Erbfalls auch nicht originär Eigentümer des ihm zugewandten Gegenstandes. Er erhält vielmehr “nur” einen Anspruch gegen denjenigen, der nach dem Willen des Erblassers das Vermächtnis erfüllen muss. Dies ist in der Regel der Erbe. Im Zweifel muss dann der Vermächtnisnehmer zur Realisierung seines Anspruchs auf Erfüllung des Vermächtnisses gerichtlich durchsetzen.

Vermächtnisarten: Vorausvermächtnis, Nachvermächtnis usw.

Solche Zuwendungen im Wege eines Vermächtnisses können sowohl als Vorausvermächtnis oder Nachvermächtnis gestaltet werden.

Bei einem Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) erhält der Erbe zusätzlich zu seinem Erbteil einen bestimmten Gegenstand oder Geldbetrag ohne Anrechnung auf seinen Erbteil vorab aus dem Nachlass. Und zwar werden dann die Erbquoten nach dem verbleibenden Nachlass ohne den vermächtnishalber zugewandten Gegenstand berechnet. Das Vorausvermächtnis bekommt der betreffende Erbe auch dann, wenn er die Erbschaft im Übrigen ausschlägt.

Wenn der Erblasser einem Vermächtnisnehmer einen Gegenstand nur für eine begrenzte Zeitdauer überlässt und bestimmt, dass dieser Gegenstand nach Ablauf dieser Zeitdauer an eine andere Person, den sogenannten Nachvermächtnisnehmer, herauszugeben ist, spricht man von einem Nachvermächtnis (§ 2191 BGB).

Der Erblasser kann auch mehrere mit einem Vermächtnis in der Weise bedenken, dass der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, wer von den mehreren das Vermächtnis erhalten soll (§ 2151 BGB).

Außerdem benannt werden sollen noch das Verschaffungsvermächtnis (§ 2170 BGB) bei dem der Beschwerte den Gegenstand dem Bedachten nach Anordnung des Erblassers zu verschaffen hat und das Ersatzvermächtnis (§ 2190 BGB) bei dem der Erblasser für den Fall, dass der zunächst Bedachte das Vermächtnis nicht erwirbt, den Gegenstand des Vermächtnisses einem anderen zugewendet

Erbe oder Vermächtnis: Das sind die entscheidenden Unterschiede

Der Vermächtnis-Erbe-Unterschied lässt sich einfach zusammenfassen: Erben treten in die gesamte Rechtsposition des Erblassers als dessen Rechtsnachfolger ein. Sie übernehmen den gesamten oder einen Anteil am Nachlass – und damit nicht nur das Vermögen und wertvolle Gegenstände, sondern auch mögliche Schulden. Sie sind zudem Teil einer möglichen Erbengemeinschaft und müssen sich gemeinsam mit den Miterben um die Verwaltung und Aufteilung kümmern (§ 2038 BGB).

Der Vermächtnisnehmer hingegen wird nicht Erbe, sondern erhält nur den Vermögensvorteil, der ihm mit Testament oder Erbvertrag ausdrücklich als Vermächtnis zugewandt wurde. Das kann ein bestimmter Gegenstand, ein Geldbetrag oder ein anderes Recht sein. Er hat lediglich einen Anspruch auf Erfüllung dieser Anordnung, trägt aber keine Verantwortung für Nachlassverbindlichkeiten.

Auch steuerlich gibt es Unterschiede: Für den Erben richtet sich die Erbschaftssteuer nach dessen Erbanteil richtet. Dagegen ist für den Vermächtnisnehmer der Wert des Vermächtnisses für die Bestimmung der Erbschaftsteuer maßgebend. Eine klare Formulierung im Testament ist daher entscheidend, um Missverständnisse und rechtliche Streitigkeiten zu vermeiden.

Lassen Sie sich bei der Erstellung eines Testaments oder eines Erbvertrags von dem Anwalt für Testamente in unserer Kanzlei beraten. Ebenso unterstützen wir Sie bei der Auslegung von Formulierungen in einem Testament oder Erbvertrag, bei der Durchsetzung von Vermächtnisansprüchen oder auch bei der Frage der Anrechnung von Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers auf ein mögliches Erbe. Möchten Sie ein Erbe ausschlagen, ist unser Anwalt ebenfalls für Sie da.
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Vermächtnis formulieren: rechtssicher und eindeutig

Wer ein Vermächtnis formulieren möchte, sollte vor allem auf klare Begriffe und eindeutige Anordnungen achten. Unklare oder widersprüchliche Formulierungen im Testament können dazu führen, dass das Vermächtnis nicht wie gewünscht umgesetzt wird oder sogar unwirksam ist. Wichtig ist, den Vermächtnisnehmer, den genauen Gegenstand oder Geldbetrag sowie eventuelle Bedingungen präzise zu benennen.

Häufige Fehler entstehen, wenn nicht klar erkennbar ist, ob jemand als Erbe oder als Vermächtnisnehmer bedacht wird. Auch ungenaue Beschreibungen von Gegenständen – etwa „mein Schmuck“ ohne nähere Bestimmung – führen oft zu Streit in der Erbengemeinschaft. Zudem sollte man prüfen, ob die gewünschte Zuwendung zusätzlich zum Erbteil als Vorausvermächtnis gedacht ist.

Die richtige Formulierung im Testament ist entscheidend, damit das Erbrecht klar geregelt und die Erfüllung später reibungslos möglich ist.

Beispiel für eine rechtssichere Formulierung:

„Ich ordne an, dass meine Nichte Anna Müller als Vermächtnisnehmerin meine goldene Armbanduhr der Marke XY aus meinem Nachlass erhält. Die Erfüllung des Vermächtnisses obliegt meinen Erben.“

Eine solche klare und vollständige Formulierung stellt sicher, dass der Wille des Erblassers rechtlich eindeutig ist und der Anspruch des Vermächtnisnehmers problemlos erfüllt werden kann.

Praxisbeispiele

Beispiel 1: Klassische Erbeinsetzung

Der Erblasser setzt in seinem Testament seine beiden Kinder als gleichberechtigte Erben ein. Sie bilden im Erbfall eine Erbengemeinschaft, übernehmen den gesamten Nachlass, einschließlich Immobilien, Bankguthaben und möglicher Schulden. Ein Vermächtnis wird nicht angeordnet.

Beispiel 2: Testament mit Vermächtnis

Die Erbin wird als Alleinerbin eingesetzt, erhält also das gesamte Vermögen. Gleichzeitig ordnet der Erblasser ein Vermächtnis zugunsten seines Patenkindes an: Es soll eine einmalige Zahlung von 10.000 Euro aus dem Nachlass erhalten. Das Patenkind ist damit Vermächtnisnehmer, nicht Erbe, und hat lediglich einen Anspruch auf Erfüllung dieser Anordnung.

Beispiel 3: Kombination von Erbe und Vermächtnisnehmer

Ein Testament bestimmt drei Erben zu gleichen Teilen. Zusätzlich erhält einer dieser drei Erben, der langjährige Freund des Erblassers, als Vermächtnisnehmer eine bestimmte wertvolle Münzsammlung. Dieses Vorausvermächtnis wird vor der Aufteilung des restlichen Nachlasses erfüllt, wodurch der Wert der Münzsammlung nicht auf die Erbanteile angerechnet wird.

Diese Beispiele zeigen, wie flexibel das Erbrecht mit Erbe und Vermächtnis umgehen kann – und wie wichtig eine klare Formulierung ist, um den Willen des Erblassers rechtssicher umzusetzen.

Erbe oder Vermächtnis: Fazit & rechtliche Beratung

Ob Erbe oder Vermächtnis – klare Formulierungen im Testament sind entscheidend, damit der Wille des Erblassers rechtlich eindeutig umgesetzt wird. Unpräzise Anordnungen führen schnell zu Streit in der Erbengemeinschaft und erschweren die Erfüllung von Vermächtnissen. Im schlimmsten Fall verklagt ein vermeintlicher Vermächtnisnehmer den oder die Beschwerten und verliert dann auch noch den Gerichtsprozess.
Wer seinen Nachlass regeln möchte, sollte deshalb nicht nur den Unterschied zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis kennen, sondern auch die steuerlichen und rechtlichen Folgen bedenken.

Bei Unsicherheiten ist es sinnvoll, sich frühzeitig anwaltlich beraten zu lassen. Der im Erbrecht erfahrene Anwalt in unserer Kanzlei kann Ihnen helfen, ein rechtssicheres Testament zu erstellen, individuelle Wünsche eindeutig zu formulieren und mögliche Konflikte unter Erben oder Vermächtnisnehmern zu vermeiden. So wird das Vermögen im Erbfall genau nach den eigenen Vorstellungen verteilt.