Der EuGH hat entschieden, dass der einheitliche Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland gegen das Unionsrecht verstößt.
Die „Deutsche Parkinson Vereinigung“ ist eine Selbsthilfeorganisation. Sie möchte die Lebensumstände von Parkinson-Patienten und deren Familien verbessern und hat mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris ein Bonussystem ausgehandelt, das ihre Mitglieder in Anspruch nehmen können, wenn sie bei dieser Apotheke verschreibungspflichtige, nur über Apotheken erhältliche Parkinson-Medikamente kaufen. In Deutschland ist der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht mehr verboten.
Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ist der Auffassung, dass dieses Bonussystem gegen die deutsche Regelung verstößt, die einen einheitlichen Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel vorsieht (der Hersteller hat für sein Arzneimittel einen Preis festzusetzen, auf den ein Großhandelszuschlag und ein Apothekenzuschlag aufgeschlagen werden). Das LG Düsseldorf untersagte der Deutschen Parkinson Vereinigung auf Antrag der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, das Bonussystem bei ihren Mitgliedern zu bewerben. Konkret hat es ihr untersagt, dieses Bonussystem zu empfehlen, wenn dies in einer Art und Weise wie im Juli 2009 geschieht, nämlich mit einem an ihre Mitglieder versandten Anschreiben. Daraufhin wandte sich die Deutsche Parkinson Vereinigung an das OLG Düsseldorf, das seinerseits den EuGH mit der Frage befasst hat, ob die Festlegung einheitlicher Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel mit dem freien Warenverkehr vereinbar ist.
Der EuGH hat entschieden, dass die Festlegung einheitlicher Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel gegen das Unionsrecht verstößt.
Die betreffende Regelung stellt nach Auffassung des EuGH eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs dar. Auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken wirke sich nämlich die Festlegung einheitlicher Abgabepreise stärker aus, so dass der Zugang zum deutschen Markt für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert werden könnte als für inländische Erzeugnisse. Der Versandhandel für ausländische Apotheken stelle ein wichtigeres bzw. eventuell sogar das einzige Mittel dar, um einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt zu erhalten. Zudem könne der Preiswettbewerb für Versandapotheken ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor sein als für traditionelle Apotheken, die besser in der Lage seien, Patienten durch Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen.
Eine Beschränkung des freien Warenverkehrs könne zwar grundsätzlich mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden, doch sei die betreffende Regelung zur Erreichung dieser Ziele nicht geeignet. Es wurde insbesondere nicht nachgewiesen, inwiefern durch die Festlegung einheitlicher Preise eine bessere geografische Verteilung der traditionellen Apotheken in Deutschland sichergestellt werden könne. Einige eingereichte Unterlagen würden im Gegenteil nahelegen, dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln fördern würde, da Anreize zur Niederlassung in Gegenden gesetzt würden, in denen wegen der geringeren Zahl an Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten. Zudem lägen dem EuGH keine Belege dafür vor, dass sich die Versandapotheken ohne die betreffende Regelung einen Preiswettbewerb liefern könnten, so dass wichtige Leistungen wie die Notfallversorgung in Deutschland nicht mehr zu gewährleisten wären, weil sich die Zahl der Präsenzapotheken in der Folge verringern würde. Andere Wettbewerbsfaktoren wie die individuelle Beratung der Patienten durch Personal vor Ort könnten den traditionellen Apotheken nämlich eventuell dabei helfen, konkurrenzfähig zu bleiben.
Es könnte sich auch herausstellen, dass für die traditionellen Apotheken, wenn sie sich einem Preiswettbewerb der Versandapotheken gegenübersehen, sogar ein Anreiz dazu bestünde, mehr Leistungen im Allgemeininteresse wie die Herstellung von Rezepturarzneimitteln anzubieten. Den Patienten könnte ein Preiswettbewerb auch Vorteile bringen, da er es gegebenenfalls ermöglichen würde, verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland zu günstigeren Preisen anzubieten als sie derzeit festgelegt werden.
Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 113/2016 v. 19.10.2016 und Juris das Rechtsportal
RH