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Der EuGH hat am 16.02.2017, Az. C-219/15, entschieden, dass Prüfstellen wie der TÜV bei Hinweisen auf Produktmängel „alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen“ müssten um ihren Verpflichtungen zur Qualitätssicherung nachzukommen. Sie seien aber nicht grundsätzlich verpflichtet, Medizinprodukte wie Implantate selbst zu prüfen oder unangekündigte Kontrollen bei den Herstellern vorzunehmen.

Was ist passiert?

Im Jahr 2008 ließ sich Frau S. in Deutschland Brustimplantate einsetzen, die in Frankreich hergestellt worden waren. Nachdem im Jahr 2010 die französischen Behörden festgestellt hatten, dass der französische Hersteller Brustimplantate unter Verwendung von Industriesilikon herstellte, das nicht den geltenden Qualitätsstandards entsprach, ließ sich Frau S. ihre Implantate entfernen. Inzwischen ist der Hersteller zahlungsunfähig geworden. Vor den deutschen Gerichten verlangt Frau S. vom TÜV Rheinland Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro. Der TÜV Rheinland ist die vom Hersteller im Rahmen der CE-Kennzeichnung mit der Überprüfung seines Qualitätssicherungssystems beauftragte benannte Stelle. Frau S. begehrt außerdem die Feststellung der Ersatzpflicht des TÜV für künftig entstehende materielle Schäden und macht geltend, dass der TÜV durch Einsichtnahme in Lieferscheine und Rechnungen hätte erkennen können, dass der Hersteller nicht das genehmigte Silikon verwendet habe.

Was sagt der BGH dazu?

Eine Haftung des TÜV Rheinland setzt nach Auffassung des BGH (EuGH-Vorlage vom 09.04.2015 – VII ZR 36/14) voraus, dass er gegen ein Schutzgesetz oder eine Vertragspflicht verstoßen hat. Der BGH ersucht vorab den EuGH, die einschlägigen europarechtlichen Vorschriften auszulegen, d.h. die Richtlinie 93/42 über Medizinprodukte, um feststellen zu können, ob ein solcher Verstoß vorliegt. Diese Richtlinie dient der Harmonisierung der Anforderungen, die Medizinprodukte wie etwa Brustimplantate erfüllen müssen, damit sie in den Verkehr gebracht werden dürfen. U.a. das Verfahren der EG-Konformitätserklärung sowie die Aufgaben und Verpflichtungen der benannten Stellen, die im Rahmen dieses Qualitätssicherungssystems tätig werden,.werden in der Richtlinie geregelt.

Was sagt der EuGH dazu?

Gemäß dieser Richtlinie obliegt nach Auffassung des EuGH einer benannten Stelle, die – wie der TÜV – im Rahmen eines Verfahrens der EG-Konformitätserklärung tätig wird, keine generelle Pflicht, unangemeldete Inspektionen durchzuführen, Produkte zu prüfen und/oder Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten. Die benannte Stelle müsse jedoch alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ihren Verpflichtungen aus dieser Richtlinie nachzukommen, wenn Hinweise darauf vor- lägen, dass ein Medizinprodukt die Anforderungen der Richtlinie möglicherweise nicht erfülle. U.a. gehöre zu diesen Verpflichtungen, dass die benannte Stelle sich davon überzeuge, dass der Hersteller die Verpflichtungen, die sich aus dem genehmigten Qualitätssicherungssystem ergeben, ordnungsgemäß einhalte, und dass sie gegebenenfalls feststelle, ob die EG-Konformitätserklärung aufrechterhalten werden könne.

Im Rahmen des Verfahrens der EG-Konformitätserklärung zum Schutz der Endempfänger der Medizinprodukte werde die benannte Stelle tätig. Die Voraussetzungen, unter denen eine von einer benannten Stelle begangene schuldhafte Verletzung der ihr im Rahmen dieses Verfahrens gemäß der Richtlinie obliegenden Pflichten ihre Haftung gegenüber den Empfängern begründen könne, unterlägen jedoch vorbehaltlich der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität dem nationalen Recht.

 

Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 14/2017 v. 16.02.2017 und Juris das Rechtsportal

 

RH