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Haften Ärzte bei Lebenserhaltung mit Leidensverlängerung? Dazu hat am 02.04.2019 der BGH zu Az. VI ZR 13/18 entschieden. Und zwar haften Ärzte grundsätzlich nicht, wenn sie einen Patienten – zum Beispiel durch künstliche Ernährung – länger als medizinisch sinnvoll am Leben erhalten und damit sein Leiden verlängern, so der BGH. Das menschliche Leben sei ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Das Urteil über seinen Wert stehe keinem Dritten zu. Deshalb verbiete es sich, das Leben – auch ein leidensbehaftetes Weiterleben – als Schaden anzusehen. Aus dem durch lebenserhaltende Maßnahmen ermöglichten Weiterleben eines Patienten lasse sich daher ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld nicht herleiten. Schutzzweck etwaiger Aufklärungs- und Behandlungspflichten im Zusammenhang mit lebenserhaltenden Maßnahmen sei es nicht, wirtschaftliche Belastungen, die mit dem Weiterleben und den dem Leben anhaftenden krankheitsbedingten Leiden verbunden sind, zu verhindern. Insbesondere würden diese Pflichten nicht dazu dienen , den Erben das Vermögen des Patienten möglichst ungeschmälert zu erhalten.

Was ist passiert

Der Sachverhalt

Haften Ärzte bei Lebenserhaltung mit Leidensverlängerung? Zu dieser Frage hatte der BGH über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Als Alleinerbe seines am 19. Oktober 2011 verstorbenen Vaters (im Folgenden: Patient) macht der Kläger gegen den Beklagten Ansprüche auf materiellen und immateriellen Schadensersatz im Zusammenhang mit der künstlichen Ernährung des Patienten in den Jahren 2010 und 2011 geltend. Und zwar vertritt er die Auffassung, der Beklagte hafte für die durch die künstliche Ernährung bedingte sinnlose Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens des Patienten.

Die Vorinstanzen

Haften Ärzte bei Lebenserhaltung mit Leidensverlängerung? Und zwar hatte das Landgericht  diese Frage aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes verneint und die Klage abgewiesen. Dagegen hat das Oberlandesgericht auf die Berufung des Klägers diesem ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,00 € zugesprochen und die Abweisung der weitergehenden Klage bestätigt. Und zwar verfolgt der Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision das Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter wohingegen sich der Kläger mit seiner (Anschluss-)Revision gegen die Abweisung der Klage auf Ersatz des materiellen Schadens wendet.

Haften Ärzte bei Lebenserhaltung mit Leidensverlängerung? Dazu der BGH

Revision des beklagten Arztes in vollem Umfang begründet.

Und zwar stehe dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes zu. Es sei zweifelhaft, könne aber dahinstehen, ob mit der Begründung des Berufungsgerichts eine Verpflichtung des Beklagten zur Selbstbestimmungsaufklärung und eine Verletzung dieser Pflicht angenommen werden können, so der BGH.

Das menschliche Leben sei ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Deshalb stehe das Urteil über seinen Wert keinem Dritten zu. Und zwar verbiete sich, das Leben – auch ein leidensbehaftetes Weiterleben – als Schaden anzusehen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG).

Haften Ärzte bei Lebenserhaltung mit Leidensverlängerung? Das dem Leben anhaftende krankheitsbedingte Leiden, das durch lebenserhaltende Maßnahmen verlängert wird, könne schon deshalb nicht für sich genommen als Schaden angesehen werden, weil es sich nicht – wie etwa die Unterhaltspflicht der Eltern – vom Leben trennen lasse, so der BGH.

Auch ein Anspruch auf Ersatz der durch das Weiterleben des Patienten bedingten Behandlungs- und Pflegeaufwendungen stehe dem Kläger nicht zu. Es sei nämlich nicht Schutzzweck etwaiger Aufklärungs- und Behandlungspflichten im Zusammenhang mit lebenserhaltenden Maßnahmen, wirtschaftliche Belastungen, die mit dem Weiterleben und den dem Leben anhaftenden krankheitsbedingten Leiden verbunden seien, zu verhindern. Diese Pflichten dienten insbesondere nicht dazu, den Erben das Vermögen des Patienten möglichst ungeschmälert zu erhalten.

Auch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Patienten stehe dem Kläger nicht zu. Und zwar könne offenbleiben, ob ein solcher Anspruch auf eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten gestützt werden könnte, wenn lebenserhaltende Maßnahmen gegen dessen Willen aufrechterhalten würden  Denn ein solcher Fall liege hier nicht vor. Dass die Sondenernährung gegen den Willen des Patienten erfolgte, was vom Kläger zu beweisen wäre, hätte das Berufungsgericht nicht fesgestellt.

Haften Ärzte bei Lebenserhaltung mit Leidensverlängerung? Anschlussrevision des Klägers unbegründet

Und zwar könne offenbleiben, ob der Beklagte ihm obliegende Aufklärungs- oder Behandlungspflichten verletzt hat. Denn es fehle jedenfalls an dem erforderlichen Schutzzweckzusammenhang zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und dem geltend gemachten materiellen Schaden.

Quellen: Pressemitteilung des BGH Nr. 40/2019 v. 02.04.2019 und Juris das Rechtsportal (VI ZR 13/18 | BGH 6. Zivilsenat | Urteil | Kein Schadensersatz wegen unterlassenem Behandlungsabbruch bei krankheitsbedingtem Leiden)

Siehe auch:

Haften Ärzte bei Lebenserhaltung mit Leidensverlängerung? Fragen Sie Ihren Fachanwalt für Medizinrecht in unserer Kanzlei

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Haften Ärzte bei Lebenserhaltung mit Leidensverlängerung? Dazu hat am 02.04.2019 der BGH zu Az. VI ZR 13/18 entschieden. Fragen Sie Ihren Fachanwalt für Medizinrecht in unserer Kanzlei