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LG Magdeburg, Urt. v. 08. Dezember 2010 – 7 O 1767/10

1.) Ein Zeitraum von 5 Wochen zwischen Kenntniserlangung vom Wettbewerbsverstoß und Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung lässt die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG nicht entfallen.
2.) Der Dringlichkeitsvermutung steht auch nicht entgegen, dass die einstweilige Verfügung erst 14 Tage nach Verstreichen einer auf einen Freitag, 12.00 Uhr gesetzten Frist bei Gericht eingereicht wird, auf eine Versendung vorab per Fax verzichtet wird und der Prozessgegner bereits vor Verstreichen der Frist die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ernsthaft und endgültig verweigert hat.

(Leitsatz des Bearbeiters)

Der Fall:
Die Parteien waren Wettbewerber im Bereich des Handels mit so genannten Absetzmulden, d.h. Containern zum Transport auf Lkws.

Die Verfügungsklägerin erlangte am 24. September 2010 Kenntnis von einem Verstoß des Verfügungsbeklagten gegen die Preisangabenverordnung (PangV) auf der Plattform mobile.de. Sie mahnte den Verfügungsbeklagten daraufhin mit Schreiben vom 05. Oktober 2010 ab. Dabei setzte sie Frist zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis Freitag, „15. Oktober 2010, 12.00 Uhr (eingehend)“. Der Verfügungsbeklagte antwortete mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 und lehnte eine Inanspruchnahme kategorisch ab.

Am 29. Oktober 2010, also erst 14 Tage nach fruchtlosem Verstreichen der Frist, beantragte die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Beklagten.

Die Entscheidung:
Das LG Magdeburg hat dem Antrag stattgegeben und den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt.

Die neben anderen Einwendungen erhobene Verteidigung des Beklagten, es fehle an einem Verfügungsgrund, weil die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt sei, hat das Gericht nicht gelten lassen. Der Antrag sei binnen 5 Wochen nach Kenntniserlangung bei Gericht eingereicht worden. Unter Berücksichtigung der Erforderlichkeit einer vorherigen Abmahnung sowie auch der Prüfung eines Verstoßes sei davon auszugehen, dass ein Zeitraum von 5 Wochen noch keine Verzögerung darstelle, die der Eilebdürftigkeit entgegenstehen würde.

Den Streitwert hat das Gericht auf € 7.500,00 festgesetzt.

Konsequenzen für die Praxis:
Die Entscheidung überzeugt im Hinblick auf die Kürze der Ausführungen zum Vorliegen der Eilbedürftigkeit nicht. Darüber hinaus hat das Gericht auch jegliche Ausführungen zu einem möglicherweise rechtsmissbräuchlichen Vorgehen missen lassen.

Die Vermutung der Dringlichkeit ist widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass es „ihm nicht so eilig ist“, so ist. Davon wird immer dann ausgegangen, wenn der Antragsteller längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt. Dies dürfte vorliegend anzunehmen gewesen sein.

In der Abmahnung hatte die Verfügungsklägerin ausdrücklich eine Frist bis „15. Oktober 2010, 12.00 Uhr (eingehend)“ gesetzt. Durch die Fristsetzung unter Benennung einer konkreten Uhrzeit, bis zu der die strafbewehrte Unterlassungserklärung einzugehen hatte, hat die Verfügungsklägerin dabei zu erkennen gegeben, dass aus ihrer Sicht eine ganz besondere Dringlichkeit vorlag. Andernfalls hätte es bei objektiver Würdigung keiner Fristsetzung unter Angabe einer Uhrzeit bedurft. Dies gilt umso mehr, als die Frist auf einen Freitag, 12.00 Uhr gesetzt worden ist.

Bei objektiver Betrachtung konnte und durfte die Fristsetzung unter Angabe einer Uhrzeit deshalb nur so verstanden werden, als das die Verfügungsklägerin umgehend nach Ablauf der Frist gerichtliche Schritte – und zwar insbesondere auch noch am Freitag, 15. Oktober 2010! – einleiten würde.

Tatsächlich hat die Verfügungsklägerin dann jedoch erst ganze 14 (!) Tage nach Ablauf der gesetzten Frist den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ausgefertigt. Eine Übersendung der Antragsschrift „vorab per Fax“ war dabei nicht erfolgt.

Zudem hatte der Verfügungsbeklagte die Erfüllung der von der Antragstellerin verfolgten Ansprüche bereits mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 – also vor Ablauf der gesetzten Frist – kategorisch abgelehnt. Vor diesem Hintergrund konnte der Verfügungsklägerin auch ein etwaiges Abwarten des Postlaufs nicht zupass kommen: jedenfalls bei Verstreichen der Frist am 15. Oktober 2010 war ihr bekannt, dass der Verfügungsbeklagte die Erfüllung der erhobenen Forderung endgültig und ernsthaft verweigerte

Insofern wäre bei verständiger Würdigung eine sofortige Reaktion der Antragstellerin auf das Schreiben des Antragsgegners vom 12. Oktober 2010 bzw. zumindest nach Ablauf der bis zum 15. Oktober 2010, 12.00 Uhr gesetzten Frist – und nicht erst eine Reaktion „ganze zwei Wochen später“ zu erwarten gewesen.

Für den – vom Amts wegen zu prüfenden Umstand der Rechtsmissbräuchlichkeit – sprach, dass die Verfügungsklägerin in gleicher Art und Weise unter Verwendung von Textbausteinen nicht nur gegen den Verfügungsbeklagten, sondern auch gegen andere Anbieter auf mobile.de vorgegangen war. Ferner war der in der Abmahnung angesetzte Gegenstandswert angesichts der Tatsache, dass die Gewerbeanmeldung der Klägerin aus dem Juli 2010 stammte, sie ihr Gewerbe lediglich im Nebenerwerb betrieb und überdies zudem eine Entfernung zum Ort des Verfügungsbeklagten von über 430 km Luftlinie lag, weit überzogen. Darüber hinaus hatte die Verfügungsklägerin die Frist für die Abgabe der Unterlassungserklärung und für die Erstattung der Abmahnkosten auf den gleichen Tag bestimmt wird. Dies stellt regelmäßig ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch dar. Nicht zuletzt waren die der Abmahnung beigefügten Rechnungen auf den Verfügungsbeklagten ausgestellt, was darauf schließen ließ, dass der Klägerin das wirtschaftliche Risiko der Rechtsverfolgung abgenommen werden sollte.
(LH)