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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. März 2011 – L 5 KR 50/10

1. Es muss sich nicht zwingend um eine ambulante Behandlung handeln, wenn sich die Behandlung nach dem Behandlungsplan der Krankenhausärzte zeitlich in der Vorschau bei Aufnahme des Patienten nicht über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckte und diese auch nicht auf einer Intensivstation stattfand.
2. Es kommt bei der Abgrenzung einer nichtoperativen stationären von einer ambulanten Behandlung entscheidend darauf an, in welchem Umfang die Infrastruktur des Krankenhauses neben der Dauer der Behandlung in Anspruch genommen wird.
3. Es liegt jedenfalls dann eine vollständige Eingliederung eines Patienten in einem Krankenhausbetrieb vor, wenn dieser
– an einer schweren Grunderkrankung leidet, die üblicherweise von Spezialisten behandelt wird,
– sich in einem potentiell lebensbedrohlichen Zustand befindet,
–    über mehrere Stunden durch das Krankenhauspersonal überwacht wird und
– nur eine sofortige Laboruntersuchung zur Klärung der Diagnose und des weiteren Vorgehens beitragen kann.

(Leitsätze des Bearbeiters)

Der Fall:
Zwischen den Beteiligten war streitig, ob das klagende Krankenhaus gegen die beklagte Krankenkasse einen Anspruch auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung hatte. Die bei der Beklagten Versicherte I. E. wurde beim klagenden Krankenhaus am 25. Juni 2005 behandelt. Die Rechnung des Krankenhauses in Höhe von 1.287,57 € bezahlte die Krankenkasse nicht. Begründet wurde dies damit, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v 04. März 2004 – B 3 KR 4/03 R) entgegenstehe.

Das Sozialgericht hat die Krankenkasse mit Urteil verurteilt, an das Krankenhaus 1.287,57 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. Dagegen hat die Krankenkasse Berufung eingelegt.

Die Entscheidung:
Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.

Das erstinstanzliche Urteil sei nicht zu beanstanden. Der Vergütungsanspruch des klagenden Krankenhauses stütze sich auf § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der entsprechenden Pflegesatzvereinbarung, die zwischen den Beteiligten abgeschlossen worden sei. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiere mit dem Anspruch der Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Voraussetzung sei, dass Krankenhausbehandlung tatsächlich stattgefunden habe (BSG, Urt. v. 10. April 2008 – B 3 KR 19/05 R) und bei der Versicherten die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Sinne von § 39 SGB V bestanden habe.

Eine Krankenhausbehandlung sei im vorliegenden Fall durchgeführt worden.

Bei der Frage, ob die besonderen Mittel des Krankenhauses für die Behandlung eingesetzt worden sind, sei zu beachten, dass die Mittel regelmäßig nicht alle zum Einsatz gebracht werden müssen. Es sei auch nicht erforderlich, dass die Mittel alle fortlaufend zur selben Zeit erbracht werden. Im Rahmen der Gesamtschau sei die durchgeführte Behandlung gegenüber den Möglichkeiten einer ambulanten Behandlung abzugrenzen. Die vom BSG mit Urt. v. 04. März 2004 – B 3 KR 4/03 R aufgestellten Abgrenzungskriterien seien im vorliegenden Fall weniger geeignet, da sie sich um die Abgrenzung einer stationären Behandlung vom ambulanten Operieren beziehen würden. Im vorliegenden Fall gehe es jedoch um die Abgrenzung einer nichtoperativen stationären Behandlung von einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus, wie bei einer Notfallbehandlung (§ 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V). Soweit Versicherte dabei einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus verbringen, handele es sich auch hier um eine stationäre Behandlung, weil damit die vollständige Eingliederung in den Krankenhausbetrieb augenfällig sei. Soweit dies, wie im vorliegenden Fall jedoch nicht der Fall sei, folge daraus aber nicht zwingend, dass es sich um eine ambulante Behandlung gehandelt habe. Entscheidend komme es insoweit darauf an, in welchem Umfang neben der Dauer der Behandlung die Versicherten die Infrastruktur des Krankenhauses in Anspruch nehmen. Nach den vom BSG entwickelten Abgrenzungskriterien könne eine stationäre Behandlung auch dann vorliegen, wenn der Behandlungsplan keine Behandlung von mindestens einem Tag und einer Nacht vorgesehen und die Behandlung nicht auf einer Intensivstation stattgefunden habe. Die Versicherte habe als Notfallpatientin gesundheitliche Beeinträchtigungen gehabt, deren Behandlung die zeitnah nur im Krankenhaus hätte durchgeführt werden können. Sie habe damit eine Infrastruktur in Anspruch genommen, wie sie nur im Krankenhaus vorgehalten werde. Deshalb gebe es keinen Zweifel an der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit und der Begründetheit des Sachleistungsanspruchs nach § 39 SGB V.

Konsequenzen für die Praxis:
Mit der vorliegenden Entscheidung wurde die Tragweite der Entscheidung des BSG vom 04. März 2004 – B B 3 KR 4/03 R, weiter verdeutlicht. Das Berufungsgericht stellte klar, dass das Abgrenzungskriterium des BSG, wonach nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes eine vollstationäre Behandlung nur gegeben sei, wenn sie sich in der Vorschau zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstrecke, in erster Linie nur zur Abgrenzung eines stationären Eingriffs von ambulanten Operationen geeignet sei. Bei der Abgrenzung einer nicht operativen stationären Behandlung von einer ambulanten Behandlung geht es nach Abklärung, welche konkrete Krankheit vorliegt und wie diese üblicherweise zu behandeln ist, im Wesentlichen darum, in welchem Umfang neben der Dauer die besonderen Mittel des Krankenhauses, wie sie nur im Krankenhaus vorgehalten werden, in Anspruch genommen worden sind. Soweit Versicherte nicht einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus verbringen heißt das nicht zwingend, dass es sich dann nur um eine ambulante Behandlung gehandelt hat.
(RH)