Krankenkasse für 1964 ausgeschiedenes Mitglied vergütungspflichtig? Dazu hat das Halle hat am 27.01.2016, Az. S 35 KR 521/13, entschieden. Und zwar habe das klagende Krankenhaus habe gegen die beklagte gesetzliche Krankenkasse Anspruch auf Vergütung der Krankenhausbehandlung. Insbesondere sei die Beklagte für den Beigeladenen zuständig. Er sei bis 21.02.1964 dort gesetzlich krankenversichert gewesen und danach sei für ihn keine anderweitige Absicherung gegen das Risiko der Krankheit erfolgt. Aus dem Sinn und Zweck der Auffangversicherung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und der Systematik der gesetzlichen Regelung folge eine Beweislastumkehr zu Lasten der beklagtenKrankenversicherung (SG Berlin, Urteil vom 01.10.2015, Az. S 72 KR 2210/13).
Was ist passiert?
Die Parteien streiten um die Vergütung von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 21.444,84 €, sowie außergerichtlichen Anwaltskosten.
Der Beigeladene wurde vom 11.06.2010 bis zum 17.06.2010 in der Klinik für Intensiv- und Notfallmedizin des Krankenhauses der Klägerin behandelt. Nachdem dem Kläger keine Krankenversicherung bekannt war, stellte er zunächst am 29.07.2010 eine Rechnung in Höhe von 21.444,84 € als Selbstzahler an den Beigeladenen.
Die Klägerin ermittelte, dass der Beigeladene als angestellter Schlosser zuletzt bei der Firma Felten und Guillaume Carlswerk Eisen- und Stahl AG in Köln-Mühlheim bis zum 21.02.1964 beschäftigt und bei der BKK des Carlswerks gesetzlich krankenversichert war. Danach war der Beigeladene nach einer Bescheinigung der LVA Rheinprovinz nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt. Der Beigeladene bezieht seit 1998 Altersrente, wobei keine Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner abgeführt wurden und werden.
Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der BKK Carlswerk.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sich die Zuständigkeit der Beklagten aus Versicherungspflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB Vi.V.m. § 186 Abs. 11 SGB V ergebe. Die Klägerin habe ausreichende Tatsachen dafür dargelegt, dass eine anderweitige private oder gesetzliche Krankenversicherung nach Ausscheiden bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht bestanden habe. Es sei Sache der Beklagten dagegen konkrete Einwendungen vorzutragen. Die Beklagte trage die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer anderweitigen krankenversicherungsrechtlichen Zuständigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V i.V.m. § 186 Abs. 11 SGB V.
Die Beklagte meint, dass keinerlei Versicherungsverhältnis bestanden habe. Ohne Antrag des Beigeladenen sei weder die Versicherung zu prüfen noch eine Versicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V durchzuführen.
Krankenkasse für 1964 ausgeschiedenes Mitglied vergütungspflichtig? Dazu das SG Halle:
Die Entscheidung
Das SG Halle hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
§ 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V
Es sei davon auszugehen, dass nach der unstreitig bis 21.02.1964 bestehenden Zuständigkeit der Beklagten für den Beigeladenen keine anderweitige Absicherung gegen das Risiko der Krankheit erfolgte und der Beigeladene gemäß der am 01.04.2007 in Kraft getretenen Regelung des § 5 Absatz 1 Nummer 13 lit. a SGB V i.V.m. § 186 Abs. 11 SGB V zuletzt gesetzlich pflichtversichertes Mitglied der Beklagten gewesen sei.
Keine Anhaltspunkte für eine anderweitige Absicherung ium Krankheitsfall
Nach den möglichen Ermittlungen gebe es keine Anhaltspunkte für eine anderweitige Absicherung des Beigeladenen im Krankheitsfall oder dafür, dass er nicht zuletzt bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert i.S.d. § 5 Absatz 1 Nummer 13 lit. a SGB V gewesen wäre.
Die Klägerin hätte auch keinen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger gem. § 25 SGB XII gehabt, da der Beigeladene nicht leistungsberechtigt gewesen sei.
Zudem sei nicht ersichtlich, dass der Beigeladene aus sonstigem Grunde anderweitig gegen das Risiko der Krankheit abgesichert gewesen wäre, auch nicht durch eine private Krankenversicherung.
Umkehr der Beweislast
Unter den dargelegten Umständen liege die Beweislast für eine anderweitige Absicherung bei der Beklagten. Und zwar gehe nach den Grundsätzen der Verteilung der objektiven Beweislast, die die Rechtsprechung des BSG entwickelt habe, die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel grundsätzlich zulasten des Beteilgten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleite (BSG, Urteil vom 14.10.2014, Az. B 1 KR 27/13R). Dies wäre hier die Klägerseite. Das Gericht gehe aber davon aus, dass vorliegend aus dem Sinn und Zweck der Auffangversicherung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V und der Systematik der gesetzlichen Regelung eine Beweislastumkehr folge (SG Berlin, Urteil vom 01.10.2015, Az. S 72 KR 2210/13). Ansonsten liefe die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V in Leere. Auch die Regelung des § 5 Abs. 8a SGB V spreche für eine Beweislastumkehr.
Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen (BSG, Urteil vom 27.01.2009, Az. B 1 KR 76/08 B). Und zwar würden allein der erhebliche Ermittlungsaufwand und die seinerzeit noch im wesentlichen ungeklärten Rechtsfragen würden die Einschaltung eines Rechtsanwaltes rechtfertigen. Dem Fall komme zudem auch eine wirtschaftlich hervorgehobene Bedeutung zu.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle: Urteil des SG Halle vom 27.01.2016, Az. S 35 KR 521/13
Dazu siehe auch: https://raheinemann.de/krankenkasse-traegt-beweislast-fuer-die-behauptung-dass-die-betroffene-person-gemaess-%c2%a7-5-abs-1-nr-13-sgb-v-einen-anderweitigen-anspruch-auf-absicherung-im-krankheitsfall-hat/ und https://raheinemann.de/krankenversichert-mit-auffangversicherung-bei-arbeitslosengeldbezug/
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