Lehrerin in Teilzeit zu Vorgriffsstunde verpflichtet? Dazu haben das Arbeitsgericht Halle am 28.06.2024, 6 Ca 1173/23, und das ArbG Stendal am 11.01.2024, 1 Ca 417/23, entschieden.
Und zwar hat das Arbeitsgericht Halle die Klage einer teilzeitbeschäftigten Lehrerin abgewiesen, mit der sie festgestellt wissen wollte, keine wöchentliche Vorgriffsstunde leisten zu müssen. Dagegen hat in einem weiteren gleichgelagerten Verfahren das Arbeitsgericht Stendal bei einer ebenfalls teilzeitbeschäftigten Lehrerin mit Urteil vom 11.01.2024, 1 Ca 417/23, der dort klagenden Lehrerin stattgegeben.
Was ist passiert?
Die Sachverhalte
Lehrerin in Teilzeit zu Vorgriffsstunde verpflichtet? Dazu haben das ArbG Halle und das ArbG Stendal in gleichgelagerten Verfahren zu folgenden Sachverhalten unterschiedlich entschieden:
Die Klägerin in dem vom ArbG Halle entschiedenen Fall ist seit 1991 bei dem beklagten Land Sachsen-Anhalt als Lehrerin beschäftigt. Im Laufe ihrer Tätigkeit hat die klagende Lehrerin mehrerer Änderungsverträge bezüglich der Verringerung der Arbeitszeit abgeschlossen. Und zwar ist sie nach dem letzten Arbeitsvertrag mit einer wöchentlichen Arbeitszeit in Höhe von 20/27 Pflichtstunden beschäftigt. Die ihr angeordneten Vorgriffsstunden hat sie abgeleistet. Jedoch hat sie die Feststellung begehrt, dass die entsprechende Anordnung der wöchentlichen Vorgriffsstunde durch das beklagte Land unwirksam ist.
In dem vom ArbG Stendal entschiedenen Fall war in dem letzten Arbeitsvertrag der dort klagenden Lehrerin eine feste regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 18 Pflichtstunden vereinbart worden.
Die gesetzliche Regelung des § 4b ArbZVO-Lehr
Lehrerin in Teilzeit zu Vorgriffsstunde verpflichtet? Mit Wirkung vom 01.04.2023 bis 31.07.2028 sind unter § 4b Regelungen in die Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr) des Landes Sachsen-Anhalt neu eingefügt worden. Die Regelungen des § 4b Abs. 1 bis 3 haben folgenden Inhalt:
„§ 4b
Zusätzliche wöchentliche Pflichtstunde
(1) Vollzeitbeschäftigte und teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte haben vom 1. April 2023 bis 31. Juli
2028 über die jeweilige Unterrichtsverpflichtung nach § 4 Abs. 1 hinaus wöchentlich an allen
Schulformen des Landes zusätzlich eine zusätzliche wöchentliche Pflichtstunde
(Vorgriffsstunde) zu erteilen. Die Vorgriffsstunde wird dem Ausgleichskonto nach § 4a
zugeführt, solange ein Guthabenaufbau nach § 4a möglich ist.
(2) Auf Antrag kann die Vorgriffsstunde durch monatliche Ausgleichszahlung gemäß § 45a des
Landesbesoldungsgesetzes in Verbindung mit der Ausgleichszahlungsverordnung ausgezahlt
werden.
(3) Nur tatsächlich erteilte Vorgriffsstunden werden dem Ausgleichskonto gutschrieben oder
ausgezahlt. Vorgriffsstunden sind in der Schuljahreseinsatzplanung konkret zu kennzeichnen,
erteilte Vorgriffsstunden sind zu erfassen.“
Nach § 4b Abs. 4 gilt die Verpflichtung für Lehrkräfte zur Ableistung einer Vorgriffsstunde auch für Lehrkräfte mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 und für Lehrkräfte nach Vollendung des 62. Lebensjahres.
Das Normenkontrollverfahren
Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat mit Entscheidung vom 07.03.2024, 1 K 66/23, einen gegen § 4b Abs. 1 ArbZVO-Lehr gerichteten Normenkontrollantrag einer beamteten Lehrerin zurückgewiesen und die Wirksamkeit der Regelung festgestellt.
Lehrerin in Teilzeit zu Vorgriffsstunde verpflichtet? Dazu das ArbG Halle und das ArbG Stendal
Die Entscheidung des ArbG Halle
Das Arbeitsgericht Halle (Saale) hat die Klage abgewiesen.
Und zwar ist das ArbG Halle zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anordnung der Vorgriffsstunden zulässig ist und auch auf teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte Anwendung findet. Auch die Regelung im letzten Arbeitsvertrag, wonach die Klägerin wöchentlich 20/27 Pflichtstunden leisten muss, führe nicht dazu, dass sie die wöchentliche Vorgriffsstunde nicht leisten müsse.
Lehrerin in Teilzeit zu Vorgriffsstunde verpflichtet? Die Entscheidung des ArbG Stendal
Dagegen hat in einem weiteren gleichgelagerten Verfahren das Arbeitsgericht Stendal bei einer ebenfalls teilzeitbeschäftigten Lehrerin mit Urteil vom 11.01.2024, 1 Ca 417/23, der dort klagenden Lehrerin stattgegeben.
Und zwar hat das ArbG Stendal entschieden, dass die Weisung des beklagten Landes bezüglich des Ableistens einer Vorgriffsstunde pro Schulwoche ab April 2023 unwirksam ist. In dem dortigen Fall war in dem letzten Arbeitsvertrag eine feste regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 18 Pflichtstunden vereinbart worden. Das Arbeitsgericht hat den Arbeitsvertrag der Klägerin mit einer festen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 18 Pflichtstunden dahingehend ausgelegt, dass das beklagte Land nicht per Weisung von dieser vertraglich fest vereinbarten Stundenzahl abweichen dürfe.
Lehrerin in Teilzeit zu Vorgriffsstunde verpflichtet? Wie geht es weiter?
Und zwar sind beide Entscheidungen nicht rechtskräftig. Lehrerin in Teilzeit zu Vorgriffsstunde verpflichtet? Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stendal hat das beklagte Land Sachsen – Anhalt Berufung zum Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, 1 SLa 23/24, eingelegt.
Quellen: Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Halle: https://lag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/tsa_rssinclude/landesarbeitsgericht_03_07_2024_pressemitteilung_lag-arbeitsgericht-halle-teilzeitbeschaeftigte-lehrerin-ist-verpflichtet-woechentlich-eine-vorgriffsstunde-zu-leisten.pdf; https://mb.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Landesjournal/Bildung_und_Wissenschaft/Verordnungen/Arbeitszeitverordnung_Lehrkraefte.pdf
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Siehe auch:
Fristlose Kündigung eines Lehrers wegen Maskenpflichtprotest?
Schmerzensgeld wegen Kritik an Unterrichtsmethoden?
Ausbildungsunterhalt auch bei weiterem Studium?
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Lehrerin in Teilzeit zu Vorgriffsstunde verpflichtet? Dazu haben das Arbeitsgericht Halle am 28.06.2024, 6 Ca 1173/23, und das ArbG Stendal am 11.01.2024, 1 Ca 417/23, entschieden. Fragen Sie den Anwalt für Arbeitsrecht in unserer Kanzlei