LG Düsseldorf, Urt. v. 28. Juli 2011 – 7 O 311/10
1.) Ein „Internet-System-Vertrag Premium Plus CMS“ mit der Euroweb Internet GmbH ist ein Werkvertrag, den der Besteller jederzeit frei gemäß § 649 S. 1 BGB kündigen kann.
2.) Im Fall der Kündigung gemäß § 649 S. 1 BGB steht dem Unternehmer ein Vergütungsanspruch aus § 649 S. 2 BGB nur dann zu, wenn er die erbrachten und die nicht erbrachten Leistungen auf den Einzelfall bezogen darlegt und bezüglich letzterer die konkret ersparten Aufwendungen gegenüberstellt. Der Unternehmer muss konkret unter Offenlegung seiner Vertragskalkulation vortragen, welcher Anteil der für die Mindestvertragslaufzeit insgesamt vereinbarten Vergütung auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen entfällt (im Anschluss an Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Januar 2011 – VII ZR 133/10).
(Leitsätze des Bearbeiters)
Der Fall:
Die Klägerin machte nach Kündigung des Vertrages noch Entgelt aus einem so genannten Internet-System-Vertrag in Höhe von € 8.335,30 geltend.
Der Beklagte, Betreiber eines Handelsgewerbes, hatte im März 2088 bei einem Gespräch mit einem Mitarbeiter der Klägerin einen so genannten „Internet-System-Vertrag Premium Plus CMS“ abgeschlossen. Darin war ein monatliches Entgelt in Höhe von € 333,20 brutto = € 280,00 netto sowie eine Anschlussgebühr in Höhe von € 236,81 = € 199,00 netto vereinbart. Die Vertragslaufzeit betrug 36 Monate.
Im Mai 2008 fand eine Besprechung mit einem Webdesigner der Klägerin statt. Die Pläne wurden letztlich nicht umgesetzt. Die Klägerin zog dennoch das Entgelt für das erste Vertragsjahr in Höhe von € 3.998,40 brutto = € 3.360,00 netto ein.
Mit Schreiben vom 15. Mai 2009 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung des Entgelts für das zweite Vertragsjahr auf. Der Beklagte verweigerte jedoch weitere Zahlungen.
Mit Datum vom 19. Juni 2008 erklärte der Beklagte den „Ausstieg“ aus dem Vertrag. Mit Schriftsatz vom 05. Januar 2010 sprach der Beklagte schließlich vorsorglich auch erneut die Kündigung des Vertrages aus.
Die Entscheidung:
Das Landgericht hat die auf § 631 Abs. 1 BGB gestützte Klage abgewiesen. Zwar sei der Internet-System-Vertrag wirksam zustande gekommen. Der Beklagte habe jedoch gemäß § 649 S. 1 BGB die Kündigung erklärt, ohne dass die Klägerin einen Anspruch gemäß § 649 S. 2 BGB schlüssig dargelegt habe.
Mit Schreiben vom 19. Juni 2009 habe der Beklagte gegenüber der Klägerin die Kündigung erklärt. Aus dem als „Ausstieg“ aus dem Vertrag bezeichneten Schreiben werde der Wille des Beklagten, sich vom Vertrag zu lösen, deutlich.
Da der Internet-System-Vertrag nach der Rechtsprechung des BGH als so genannter Werkvertrag einzuordnen sei, stehe dem Beklagten auch grundsätzlich das Recht zur so genannten freien Kündigung gemäß § 649 S. 1 BGB zu.
Dieses Recht zur freien Kündigung sei auch nicht vertraglich abbedungen. Der Vertrag enthalte keine dahingehenden ausdrücklichen Abreden. Auch bei Auslegung der Vereinbarung einer Vertragslaufzeit von 36 Monaten ergebe sich nichts anderes. Der Klägerin stehe nach § 649 S. 2 BGB die Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen zu. Damit werde sie wirtschaftlich so gestellt, als wäre der Vertrag erfüllt. Es fehle daher an einem objektiven Grund, aufgrund dessen die Klägerin das freie Kündigungsrecht des Klägers habe ausschließen wollen.
Da sich somit die Kündigung als wirksam erweise, stehe der Klägerin grundsätzlich ein Vergütungsanspruch nach Maßgabe des § 649 S. 2 BGB zu. Die Klägerin habe trotz des Hinweises der Kammer den Vergütungsanspruch aber nicht im erforderlichen Umfang dargetan.
Die Klägerin wäre zur Darlegung ihres Vergütungsanspruchs gehalten gewesen, die erbrachten und die nicht erbrachten Leistungen darzulegen und bezüglich letzterer die ersparten Aufwendungen gegenüberzustellen. Dann wäre es Sache des Beklagten gewesen, höhere Ersparnisse darzulegen und zu beweisen. Im Fall des § 649 S. 2 BGB treffe den Unternehmer eine sekundäre Darlegungslast. Dies bedeute, dass er vor dem Besteller am Zuge sei und eine Abrechnung der vereinbarten Vergütung unter Abgrenzung von erbrachten und nicht erbrachten Leistungen und Anrechnung ersparter Leistungen vorzunehmen habe. Nur er allein er ist nämlich dazu in der Lage, diesen Vergütungsanteil darzulegen, weil dieser sich regelmäßig aus der dem Vertrag zugrunde liegenden Kalkulation ergibt. Die Kalkulation ist dem Besteller nicht zugänglich ist. Der Unternehmer habe konkret unter Offenlegung seiner Vertragskalkulation vorzutragen, welcher Anteil der für die Mindestvertragslaufzeit insgesamt vereinbarten Vergütung auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen entfällt (Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Januar 2011 – VII ZR133/10).
Die Klägerin habe lediglich unter Heranziehung von für den streitgegenständlichen Vertragstyp „Euroweb Premium“ kalkulierten Beträgen, die auch in dem konkreten Fall angefallen sein sollen, einzelne Kostenpositionen zu erbrachten Leistungen und ersparten Aufwendungen dargelegt. So seien der Klägerin für die von ihr erbrachten Leistungen folgende Kosten entstanden: Zu Beginn des Vertragsverhältnisses seien ihr durch Abschluss des Vertrages Vertriebskosten in Höhe von € 1.980,00 und entstanden. Zudem habe sie für die EDV-Erfassung sowie die Allgemeinen Verwaltungstätigkeiten einen Betrag in Höhe von € 157,00 für Personal- und Materialkosten kalkuliert. Einen Betrag in Höhe von € 124,00 habe sie für die Recherche nach der Domain, die Einrichtung der Domain und die Einrichtung der Email-Postfächer kalkuliert. Beide Positionen seien bis zur Kündigung auch entstanden. Für den Webtermin habe sie einen Betrag in Höhe von € 243,00 und für die Erstellung der Webseite einen Betrag in Höhe von € 1.874,00 kalkuliert, die ebenfalls bis zur Kündigung angefallen seien. Hinsichtlich der laufenden Kosten habe sie mit monatlichen Kosten in Höhe von € 4,23 für das Service Center, in Höhe von € 4,78 für die Betreuung durch den Support und mit € 20,42 für den Aktualisierungsservice kalkuliert. Bis zu dem von ihr zum 03.08.3010 angenommenen Kündigungszeitpunkt habe sie nur hinsichtlich der laufenden Kosten € 206,01 erspart.
Solche Angaben genügten jedoch nicht.
Die Klägerin hätte im Einzelnen ausführen müssen, wie sich die einzelnen Beträge zusammensetzen und welche konkreten Einzelpositionen davon erfasst sind. Wenn diese Beträge im Rahmen der Geschäftsgründung kalkuliert worden seien, so hätte es nahegelegen entsprechende Aufstellungen vorzulegen. Hinsichtlich der Personalkosten fehle es an Angaben zu dem konkreten Arbeitseinsatz sowie zu den Stundensätzen. So sei nicht dargelegt, wieviel Zeit der Webdesigner konkret bei dem Beklagten eingesetzt hat und wie hoch die dafür der Klägerin entstandenen Personalkosten seien. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Kosten des Webtermins, die Kosten der Domaineinrichtung, und die Kosten für die Erstellung der Internetpräsenz stets gleich sein sollen. Es hänge von der jeweiligen Gestaltung der Internetpräsenz ab, wie hoch der Aufwand für ihre Erstellung und damit die Personalkosten seien. Es bedürfe einer auf den konkreten Fall bezogenen Berechnung. Dies sei vorliegend schon allein deshalb zweifelhaft, weil sich die Fahrtkosten des Webdesigners zu den einzelnen Kunden und der Arbeitsaufwand je nachdem, ob schon Internetauftritte vorhanden sind oder nicht, danach unterscheiden dürften.
Auch der Vortrag der Klägerin zu ersparten Aufwendungen genüge den Anforderungen nicht. Hinsichtlich der verbleibenden Vertragslaufzeit, die sie ohnehin falsch ansetze, fehle wiederum die inhaltliche und betragsmäßige Darstellung der einzelnen Beträge bezogen auf den konkreten Fall.
Ohne konkrete auf den Einzelfall bezogene Angaben sei eine Überprüfung für den Beklagten nicht möglich.
Soweit die Klägerin für die von ihr kalkulierten Beträge die Vorlage eines Gutachtens ihres Wirtschaftprüfers als Beweis anbiete, sei das Beweismittel zum einen nicht hinreichend konkret bezeichnet und zum anderen nicht erkennbar, welcher konkreter Inhalt sich daraus ergeben solle. Die generell kalkulierten Beträge interessierten zudem nicht, sofern die keinen Bezug zu dem konkreten Einzelfall aufweisen.
Schließlich verhelfe auch die Regelung in § 649 Satz 3 BGB der Klägerin nicht zum Erfolg. Diese Vorschrift gelte nicht für den vorliegenden Vertrag, da er vor dem 01. Januar 2009 abgeschlossen wurde (Art. 229 § 19 Abs. 1 EGBGB).
Konsequenzen für die Praxis:
Die Entscheidung verdient Zustimmung. Sie ist anhand der gesetzlichen Regelungen korrekt begründet. Die Ausführungen des Gerichts berücksichtigen zutreffend die prozessuale Darlegungs- und Beweislast: Es reicht also nicht, einfach nur Positionen zu benennen und aufzuschlüsseln.
Wichtig ist für Euroweb-Kunden, die den Vertrag wollen, auch möglichst ausdrücklich eine Kündigung zu erklären. Zwar mag im Einzelfall die Erklärung eines „Ausstiegs“ aus dem Vertrag genügt haben. Wird jedoch der Wille, den Vertrag zu beenden, nicht ausreichend deutlich, kann es passieren, dass eine Kündigung letztlich doch nicht als solche gewertet wird. Gefährlich ist es daher, nach einer Kündigung doch noch Termine mit Euroweb zu vereinbaren. Auch mit einem solchen Fall hatte sich das LG Düsseldorf schon zu befassen – mit für den Kunden negativem Ergebnis.
Hervorzuheben bleibt lediglich noch, dass die Vorschrift des § 649 S. 3 BGB noch keine Anwendung fand. Danach wird vermutet, dass dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zusteht. Selbst wenn die Vorschrift aber anwendbar ist, so dürfte für die meisten Euroweb-Kunden wahrscheinlich schon viel gewonnen sein, wenn sie sich mit einer Abstandszahlung von 5 % der vereinbarten Kosten vom Vertrag lösen könnten.
(LH)