LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. Januar 2012 – L 4 KR 54/06
Mit Urteil vom 17.01.2012 – L 4 KR 54/06 hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden, dass ein Krankenhaus die Fallpauschale für eine vollstationäre Behandlung jedenfalls dann nicht abrechnen kann, wenn der Aufenthalt des Versicherten maximal 23 Minuten dauerte, es an einem Einsatz der auf einer Intensivstation regelmäßig vorgehaltenen speziellen Mittel (z.B. spezielle medizinische Geräte), insbesondere zur Abwehr einer akuten Lebensgefahr oder zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Funktion lebenswichtiger Organe, und auch an einem sich mindestens auf die nächste Nacht erstreckenden Behandlungsplan fehlt.
Was war passiert?
Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses, die Beklagte ist eine Krankenversicherung. Ein bei der Beklagten krankenversicherter Mann wurde im April 2004 gegen 8.01 Uhr als Notfall wegen akutem Herzwandinfarkt in die Klinik der Klägerin eingewiesen. Spätestens 8.24 Uhr wurde der Versicherte in ein Herzzentrum gebracht.
Die Klägerin stellte der Beklagten 560,98 € in Rechnung. Auf Grundlage einer Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes teilte die Beklagte dann mit, dass sie nunmehr von einer vorstationären Behandlung ausgehe und korrigierte den Betrag auf 147,25 €. Daraufhin erhob die Klägerin Klage auf Zahlung des Differenzbetrages.
Gegen das abweisende Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin.
Was sagt das Landessozialgericht dazu?
Das Landessozialgericht hat die Berufung für unbegründet erachtet.
Zwar könne, so das Gericht, eine vollstationäre Krankenhausbehandlung nicht allein deswegen abgelehnt werden, weil der Versicherte nicht wenigstens 24 Stunden (einen Tag und eine Nacht) behandelt worden ist. Es komme in diesem Zusammenhang nämlich in erster Linie auf die geplante und nicht die tatsächliche Aufenthaltsdauer an.
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines derartigen Behandlungsplans ergaben sich nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht. Daher liege auch keine sog. „abgebrochene“ stationäre Behandlung vor. Auch diese würde eine Aufnahmeentscheidung des Krankenhauses mit einem sich auf die nächste Nacht erstreckenden Behandlungsplan voraussetzen.
Die Abrechnung einer vollstationären Behandlung ist, so das Landessozialgericht weiter, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch bei einer besonders intensiven (Notfall-)Behandlung möglich, bei der nicht eine Behandlungsdauer von mindestens einem Tag und einer Nacht erreicht wird. Dabei kommt es darauf an, inwieweit der Patient die Infrastruktur des Krankenhauses tatsächlich in Anspruch genommen hat. Dies bestimmt sich nach der konkreten Erkrankung und der dafür erforderlichen Behandlung. Bei Verdacht auf lebensbedrohliche Erkrankungen mit Einlieferung in eine dafür vorgehaltene Intensivstation liegt regelmäßig eine vollstationäre Behandlung vor, da diese Stationen einen hohen Einsatz von Personal und technischen Geräten erfordern. Darüber hinaus ist die Zahl der betreuten Patienten auf einer Intensivstation deutlich geringer als auf normalen Krankenstationen. Die Intensivstation sei die nachhaltigste Form der Einbindung in einen Krankenhausbetrieb und stelle damit den klassischen Fall einer stationären Behandlung dar.
Im vom LSG Sachsen-Anhalt entschiedenen Fall war jedoch nach Auffassung der Richter keine intensive Notfallbehandlung erfolgt. Der gerichtliche Sachverständige Dr. S. habe überzeugend dargelegt, dass die in einer Intensivstation regelmäßig vorgehaltenen aufwändigen personellen und sächlichen Mittel (z.B. spezielle medizinische Geräte), insbesondere zur Abwehr einer akuten Lebensgefahr oder zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Funktion lebenswichtiger Organe, jedenfalls im Krankenhaus nicht zum Einsatz gekommen seien. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass solche medizinisch erforderlich gewesen sein könnten. Zwar habe es sich beim Versicherten um ein akut lebensbedrohliches Krankheitsbild gehandelt; die medizinischen Maßnahmen, die in der Klinik der Klägerin ergriffen wurden (die Kontrolle der Vitalparameter Atmung, Bewusstsein und Kreislauf, die Ableitung eines 12-Kanal-EKGs, eine Laborabnahme zur Bestimmung der Herzfermente, die Bestimmung eines großen Blutbildes sowie die Verabreichung von Dopamin/Dobutamin durch Perfusion zur Kreislaufstabilisierung), hätten jedoch nicht die besondere personelle und sächliche Ausstattung einer Intensivstation erfordert. Es seien zwar ärztliche, pflegerische, labor- und apparatetechnische Mittel zum Einsatz gekommen, aber nicht in der von der Rechtsprechung geforderten besonders intensiven Form.
Was lernen wir daraus?
Ein Aufenthalt von 23 Minuten rechtfertigt nur unter bestimmten Voraussetzungen die Abrechnung einer Fallpauschale für eine vollstationäre Aufnahme. Insbesondere muss ein entsprechender Behandlungsplan vorliegen. Nur ausnahmsweise reicht die reine Inanspruchnahme der Infrastruktur des Krankenhauses im Rahmen einer Notfallbehandlung auf einer Intensivstation aus, wenn es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt und die Inanspruchnahme der besonderen Mittel der Intensivstation erforderlich ist.
(RH)